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www.rhetorik.ch aktuell: (09. Aug, 2008)

Eröffnungsfeier in Peking

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:


Quelle: NBC
Die Eröffnungsfeierlichkeiten in Peking waren perfect inszeniert: Gedrillte Menschenmassen funktionierten wie Teilchen einer gigantischen Maschinerie. Wer die Eröffnungsfeier mitverfolgen konnte, musste sich die Frage stellen, wie eine solche gigantische Gleichschaltung von einzelner Menschen überhaupt möglich werden kann. Mehr als 10 Tausend Schauspieler haben bei der Eröffnung mitgemacht und alle wurden zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Quelle: NBC
Macht und Schaudemonstrationen haben etwas Zwiespätliges. Schon Massenveranstaltungen im dritten Reich weckten einen kalten Schauer. Bei den pompösen bis ins letzte Detail koordinierten Präsentationen von Einzelbewegungen kippte man als kritischer Beobachter von Staunen und Bewunderung rasch zu unguten Gefühlen. Was man zu sehen bekam, war eine gigantische PR Aktion, bei der das Individuum keinen Platz mehr hatte. Der Mensch mutiert zu einem kleinen Element einer Masse und muss sich der Maschinerie unterordnen. So wie die Elite-Soldaten im Stechschritt synchron den Fahnenaufzug zelebriert hatten, so integrierte sich jedes einzelne Menschenteilchen synchron. Es war ein Demonstration von Einordnung, Unterordnung, bei der Individualität ausgeschaltet war.
Die gewaltigen Massenwirkung weckte auch sonderbare Gefühle, vor allem als alle die Arme hitlergrussähnlich in die Höhe reckten. Welchen PR Zweck versuchte diese Show zu erfüllen? Nicht jedermann bewunderte erfurchtsvoll die Perfektion. NZZ online:
Gigantische Show des Lichts und der Massen Peking perfektioniert zur Olympia-Eröffnung den Gleichschritt Zur Eröffnung der XXIX. Olympischen Spiele hat Peking ganz auf die Überwältigung durch Licht und Menschenmasse gesetzt. Wären die Kinderszenen nicht gewesen, hätten Gigantismus und Perfektion eher zwiespältige Emotionen hinterlassen. Zum Schluss wurde der so umstrittene Fackellauf nochmals zelebriert.

Die XXIX. Olympischen Spiele in Peking sind eröffnet. Die gigantische Show, der im ganzen Land entgegen gefiebert worden war, begann mit einem Countdown aus Lichtern, getragen von mehr als 2000 Trommlern, die in absoluter Synchronität einen ersten Vorgeschmack auf die Inszenierung der Massen boten. Überflutung der Sinne Pünktlich zum Glück bringenden Zeitpunkt am 8.8.08 abends um 8 Uhr 8 (Ortszeit) markierte ein erstes von vielen Feuerwerken des Abends den Anfang der Feier. In atemloser Folge und mit einem enormen Aufgebot an Darstellern wurden danach die Errungenschaften der chinesischen Zivilisation gefeiert, von der Erfindung des Papiers, über die grosse Mauer bis zur Oper. Die Überflutung der Sinne durch die lebenden Bilder aus Menschen und Farben war Schwindel erregend. Tai Chi in der Masse Der Sprung nach der Darstellung von 5000 Jahren Geschichte in die Gegenwart erfolgte ohne jeden Hinweis auf die kommunistische Revolution. Mao war aus dem Stadion offenbar verbannt. Mensch in der Masse Die Eröffnungsfeier, die vom Filmregisseur Zhang Yimou gestaltet worden war, sollte die grösste und teuerste in der Geschichte der olympischen Bewegung werden. Einen derartig überwältigenden Einsatz des Menschen in der Masse hatte man tatsächlich seit Leni Riefenstahl 1936 in Berlin nicht mehr gesehen - und jene Choreografie dürfte in Peking um den Faktor 100 übertroffen worden sein. Bei aller optischen Schönheit hinterlässt das Untergehen des Individuums in der Masse ein höchst ungutes Gefühl. Wenn Tai Chi, eigentlich ein meditativer Sport, von Tausenden von Soldaten gleichzeitig ausgeübt wird, macht das eher Angst. Wären nicht immer wieder Szenen mit Kindern, den ungekrönten Kaisern Chinas, sowie leisere Musikstücke eingeflochten worden, der Eindruck wäre noch zwiespältiger gewesen. Spektakulärer Globus Das Motto der Spiele "One World One Dream" wurde durch einen riesigen Erdball symbolisiert, einem der spektakulärsten Elemente des Abend. Er diente als Turngerät für Akrobaten, die offenbar keine Schwerkraft kannten, sowie als Projektionsfläche für allerlei Bildbotschaften. Unter den 91'000 Zuschauern im Stadion befanden sich auch rund 80 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt: an ihrer Spitze der amerikanische Präsident Bush, der französische Staatspräsident Sarkozy und der russische Ministerpräsident Putin. Die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Grossbritannien und Kanada blieben dem Ereignis jedoch fern.
Der Blick brachte folgende Statistiken Eröffnungsfeier der 29. Olympischen Spiele:
  • 91'000 Zuschauer verfolgten die Feier live im "Vogelnest"
  • 4 Milliarden TV-Zuschauer sahen weltweit zu
  • 14 000 Darsteller nahmen an der Eröffnungsfeier teil
  • 15 153 verschiedene Kostüme wurden präsentiert
  • 258 000 Quadratmeter gross ist die Fläche im Innern des Stadions
  • 300 Tonnen wog das gesamte Beleuchtungs-Material
  • 35 Minuten Verspätung handelten sich die Organisatoren beim Einmarsch der über 1 000 Athleten aus 204 Nationen ein.
So wie die Sportwelt 1936 vor dem Diktator paradierte und durch die bombasitischen Präsentationen der Nazis schon damals den Zusammenhang zur politischen Absicht nicht erkannt hatten, so blieb in Peking am 8. August vielen Beobachtern bei der einmaligen Gigantenshow ebenfalls der Atem weg. Selbst der Schweizer Bundespräsident Couchepin schwärmte von der Eröffnungsfeier. Trotz der Begeisterung für die Massendarstellung und das bis ins letzte Detail inszeniert Schauspiel kann man politische Instrumentalisierung dieser Orchestrierung nicht übersehen. Peking gelang es, die Welt mit einer einmaligen, kostspieligen überwältigenden Darstellung als erfolgreiches Land zu inszenieren. Diese gespenstisch, farbenprächtige, pathetische Massendarstellung übertünchte die totalitäre Seite Staates, der alles im Griff hat - auch die Medien und die Freiheiten des Einzelnen. Peking gelang es, mit diesem Auftakt das Pfauenrad zu schlagen und Kritik an Zensur, Kinderarbeit, der Tibet und Umweltpolitik dank der suggestiven Kraft der Bilder aus den Köpfen der Zuschauern zu tilgen.
Propagandaveranstaltungen bezwecken vor allem der Verdrängung. Massenveranstaltungen im perfekten Gleichschritt haben immer etwas Faszinierendes. Die Beobachtenden lassen sich in der Masse leicht täuschen. Das Gehirn wird ausgeschaltet.


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Nachtrag vom 12. August 2008: Manipulationsfälle
  • Feuerwerk war manipuliert Teile der Show wurden schon vor einem Jahr produziert. Die Teile des Feuerwerks, die Fussstapfen symbolisieren wurden schon vor einem Jahr aufgenommen. Nur der Letzte von 29 mit Feuerwerk erzeugten Fussstapfen sind am Freitag live übertragen worden. Angeblich gab es Schwierigkeiten wegen Flugeinschränkungen und zeitliche Probleme. Mit verschiedenen Tricks, wie der Zublendung von Nebel, seien die von Juni 2007 bis Juli 2008 entstandenen Aufnahmen manipuliert worden.

    Es ist durchaus möglich, dass bei Filmen auch bei uns gewisse Sequenzen eingespielt werden sei es aus technischen Gründen oder weil etwas etwas zeitverschoben aufgenommen wird und nachträglich gesendet werden muss. Doch gilt bei uns immer das Prinzip der Transparenz. Manipulierte Sequenzen müssen als solche bezeichnet werden! Falls bei den angeblichen LIVE- Aufnahmen Sequenzen ab Konserve eingebaut worden sind, so würde dies bei der Uebertragung eindeutig deklariert. Die Manipulation der Bilder ohne Deklaration ist ein krasser Verstoss gegen journalistische Gepflogenheiten. China hat sich mit dieser Manipulation der Bilder dem Ziel der grossartigen Darbietungen geschadet. Die ehrfurchtsvolle Bewunderung wurde abgewertet. China hat einmal mehr ein Glaubwürdigkeitsproblem.
  • Kinderstar nicht selbst gesungen Mit ihrer "Ode ans Vaterland" hat die kleine Chinesin Lin Miaoke bei der Olympia-Eröffnungsfeier Millionen Landsleute und Fernsehzuschauer in aller Welt gerührt. Jetzt stellte sich heraus: Das niedliche, sieben Jahre alte Mädchen bewegte bei dem Spektakel nur die Lippen - gesungen hat ein anderes Mädchen. Für China ist die Manipulation der Medien und das Nicht-deklarieren von Informationen Selbstverständlichkeit. Die Machthaber haben kein Verständnis dafür, dass sich die freie Presse aufregt, wenn Sachverhalte für die gute Sache verfälscht werden. Der Führung in Peking ging es bei dem Massenspektakel vor allem darum, ein perfektes Schauspiel zu bieten, das die Volksrepublik als weltoffenen Olympia-Gastgeber präsentieren sollte. Damit sollten aus chinesischer Sicht die ärgerlichen Vorgänge vor Beginn der Spiele in den Hintergrund gedrängt werden, vor allem die Sorge um die Luftverschmutzung in Peking und die Kritik an der Tibet-Politik.
  • Leere Zuschauerränge werden gefüllt. Man will keine leere Stadien. Das würde ein schlechtes Bild vermitteln. Deshalb wurden Cheerleader aufgeboten, die in die die Lücke springen. Die Organisatoren konnten hochoffiziell ausverkaufte Spiele melden. Alle Tickets sind verkauft worden. TV-Bilder zeigen eine andere Wahrheit. Eine Besonderheit im Ticketverkauf führt in Peking dazu, dass bei einzelnen Sportarten ausverkaufte Stadien halb leer sind.




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