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www.rhetorik.ch aktuell: (24. Mai, 2008)

Wieland Backes Erfolgsrezept

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
In der Sendung "Nachtcafé" vom 22.3.08 bei der es um den ewigen Kampf das Abnehmens ging, fragte Moderator Wieland Backes den Gast Iris Paul-Feussner, die ihren Magen verkleinern liess und um 100 Kilogramm abgenommen hatte:

"Ist der Hang zum Uebergewicht genetisch bedingt? Ob man sehr schlank ist oder ob man andere Dimensionen annimmt. Wie sehen Sie sich selber? Ist es ein Folge der Gene, dass Sie aus allen Nähten geplatzt sind?"


Obwohl Wieland Backes das Gespäch mit einer Fragekette eröffnete, brachte er die Frau zum Reden. Die Frau zeigte ihr altes Kleidungsstück von der Grösse 94 als sie noch 170 Kilogramm gewogen hatte. Das Gespräch kam in Fahrt. Die gut gewählten Teilnehmer bereicherten innert weniger Minuten den Dialog. von Olaf Adam war zu erfahren, dass es jeder schaffen könnte, abzunehmen. Sein Rezept: Die KFZ Diät. Es ist eine Kombination von Kohlenhydraten, Fett und Zwischenmahlzeiten. Dorothee Schumacher, eine Modeschöpferin erzählte hierauf, dass sie sich mit einem Personaltrainer Erfolg habe und Gisela Enders machte sich dafür stark, dass Dicke lediglich ihren Körper akzeptieren sollen. Ich zappte nicht weg und verfolgte das Gespräch. Backes verstand es, die gegensätzlichen Sichten zu bündeln und der Zuschauer fühlte, dass er gewisse konkreten Erkenntnisse auch für sich umsetzen konnte. Es war kein oberflächlicher Small Talk.


Maybritt Illner ist eine prominente Talkerin. Wieland erreichte im Jahr 2007 einen Marktanteil von 12.4 Prozent. Das entspricht 510'000 Zuschauern. Es gab einzelne "Nachtcafé", die am Freitagabend 17.8 Prozent der Zuschauer vor das Gerät lockten. Das entspricht einer Million Menschen. Während die meisten Talkshows schwächeln, glückt Backes Nachtcafé im Dritten ständig. Welches sind die Gründe für diesen Erfolg?

  1. Backes Sofaangebot besteht nicht aus Politikern, die nach parteipolitischen Kriterien und geschlechterspezifisch korrekt ausgewählt worden sind, wie bei den Berlinerrunden. Backes fragt die Akteure nicht ab, wie Will oder Illner, wo das Volk sich inzwischen ab und zu nur noch auf abseits stehenden Sofas artikulieren kann. Wills gut gemeinte Absicht "Politik mit der Menschheit zu konfrontieren" stimmt nicht mehr. Im Grunde genommen ist es eher umgekehrt. In der deutschen Presse habe ich einmal gelesen, die Berliner Runden wären gleichsam Phrasendreschmaschinen. Backes hingegen vertieft das Leben - mit betroffenen Menschen. Wer die Sendungen mitverfolgt, stellt fest: Gelebte Biografien sind Backes wichtiger als Politiker!
  2. Seit 25 Jahren moderiert der dienstälteste Moderator des deutschen Fernsehens. Dass ihm die Fans die Treue halten, ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass er die Gratwanderung zwischen Diskurs und Plauderei beherrscht. Barbara Sichtermann schreibt in einem Portrait über Backes: Das Produkt "Niveau-Talk" besteht bei ihm aus einer Mischung von Nachdenklichkeit, Gelassenheit und Charme. Tatsächlich gelingt es dem überzeugenden Moderator, Vertrauen zu vermitteln, vermischt mit einem trockenen Humor, den wir sonst bei Talks selten so ausgeprägt erleben. Vielen Moderatoren fehlt der Humor. Auch bei den Berlinerrunden hat er Seltenheitswert. Humor kann ein Moderator nicht erwerben. Er kommt von innen.
  3. Backes gewinnende Art entlockt den Gästen mehr als jede Moderatoren, die bellen, krächzen oder plump provozieren. Backes kann von den Gästen viel, oft sehr viel entlocken. Mitunter schlägt er auch einen härteren Ton an. Jedoch immer taktvoll und das Gegenüber wertschätzend. Dem sympathischen Nachhaken verweigert sich kaum einer. Backes ist studierter Chemiker und Doktor der Geografie. Er darf gewiss als Naturtalent bezeichnet werden. Ich zitiere "Die Zeit": "Backes macht aus den heterogensten Gruppen entschlossene Trupps von Wahrheitssuchenden und erzeugt eine Atmosphäre gemütvoller Streitlust, die irgendwie unwiderstehlich ist."
  4. Wieland Backes lebt das sogenannte "Harvard-Prinzip". Er behandelt die Menschen "zart" aber er bleibt dennoch "hart" am Thema. Das heisst, er ist nur in der Sache "bissig". Alt Kommunarde Rainer Langhals schrieb einmal: "Mein Gefühl war: So gut bin ich noch nie behandelt werden." Das heisse jedoch noch lange nicht , dass alles Harmoniesülze sei und Backes ein Kuschelonkel. Tatsächlich schätzt es Backes, wenn "Welten aufeinander treffen". Der Moderator ist aus meiner Sicht ein hervorragender Dompteur.
  5. Backes kann zuhören, eine Fähigkeit, die leider heute in den Medien Seltenheitswert hat. Anderseits kann er auch lakonisch oder ironisch kommentieren und zum richtigen Augenblick gezielt ins Wort fallen.
Laut Recherchen, soll nur einmal der Regisseur Dieter Wendel beim Thema "Seitensprünge" aus dem Aufzeichnungsraum im Ludwigsburger Schloss Solitude gesprungen sein. Zusammenfassend darf gesagt werden: Als Moderator von "Nachtcafé" hat Wieland Backes unbestrittenermassen eine gute Hand.



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