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www.rhetorik.ch aktuell: (19. Mai, 2008)

Was ist mit Christoph Blocher los?

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
10 vor 10, Marcus Knill 10 vor 10, Meinung von Werner Messmer, Yvette Estermann, Therese Frösch, Kathrin Amacker-Amann, Georg Lutz 10 vor 10, Christoph Blocher über seinen Auftritt
Offensichtlich wurde die Öffentlichkeit an der letzten vielbeachteten "Arena" mit einem veränderten Blocher Rhetorik konfrontiert. Ich war nicht der einzige Beobachter, der festgestellt hatte: Christoph Blocher sprach nicht mehr wie bisher: Fachleute und das Fernsehen stellten sich deshalb die Frage: Was ist mit Blocher Los?

Quelle: 20 minuten. als MP3 Ein Kommentar von Bruder Gerhard Blocher:

20 Minuten: "Im Zürcher Privatsender Radio 1 bezeichnete Gerhard Blocher Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf als "Wildsau" und Journalisten des Schweizer Fernsehens als "Schwachköpfe". Die Ausdrücke fielen am Montagabend am Rande einer Veranstaltung zur Einbürgerungsinitiative mit Christoph Blocher im Zürcher Hallenstadion. Der Interimspräsident der Bündner SVP, Ueli Bleiker, zeigte sich gegenüber Radio 1 empört über die Ausdrucksweise. Gerhard Blocher disqualifiziere sich damit selber. Für Soziologieprofessor Kurt Imhof ist der Bruder des alt Bundesrates "der Hooligan der SVP". Gerhard Blocher spreche das aus, was Christoph Blocher nicht sagen könne. Gerhard Blocher hielt auf Anfrage an seinen Aussagen fest und erklärte, er werde sich nicht dafür entschuldigen - wenn, dann höchstens bei der Wildsau. "




Christoph Blocher kann nach wie vor Sääle füllen. Wenn er allein reden kann, wie beispielsweise bei Teleblocher, überzeugt er nach wie vor. In einem Rededuell hingegen, wenn er sich mit unbeschwerten jungen, rhetorisch begabten Rednern messen muss, hat er mehr Probleme. Christoph Blocher müsste sich überlegen, ob er nicht Toni Brunner in Streitgesprächen vor Mikrofon und Kamera voll und ganz das Szepter überlassen soll. Jetzt sieht es so aus, als müsse der junge SVP Parteipräsident dem "Übervater" nacheifern und Blochers Fortissimo-Rhetorik kopieren.


Nachtrag vom 25. Mai, 2008: Gerhard Blocher droht Rauswurf aus Kirche

Nachdem sich Christoph Blocher im Teleblocher nur halbherzig von den Aussagen seines fragwürdigen Bruder distanziert hatte - der Vergleich sei zwar heikel, obschon die Wildsauen auch die Kultur der Bauern kaputt machen, schimmerte bei Christoph Blocher ein gewisses Verständnis für seinen Bruder durch, der ein "hervorragenden Theologe" sei - distanziert sich dafür die Kirche deutlich von diesem angeblich "ausgezeichneten" Theologen: 20 Min-online: Der Bruder von SVP-Politiker Christoph Blocher soll aus dem Ministerium, einem Organ der Schaffhauser Kirche, entfernt werden. Das berichtet die "SonntagsZeitung".

Gerhard Blochers Vergleich von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf mit einer Wildsau sei "menschenverachtend", sagt Silvia Pfeiffer, Vizepräsidentin des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds (SEK) und Chefin des Schaffhauser Kirchenrats. Sie will Gerhard Blochers Ausschluss aus dem Ministerium anregen.

Für SEK-Präsident Thomas Wipf widersprechen Gerhard Blochers Verunglimpfungen "dem Berufsethos eines Pfarrers", wie er gegenüber der "SonntagsZeitung" sagte.

Auch Joachim Finger, interimistischer Leiter des Schaffhauser Ministeriums, sähe in einem Ausschluss ein "richtiges Zeichen". Er hat eine juristische Prüfung des notwendigen Verfahrens beauftragt.

Quelle



Nachtrag vom 27. Mai, 2008: Christoph Blocher: Auch ich habe ein Wildsau in mir! Mit der provokativen, beleidigende "Wildsau" Aussage brachte es Gerhard Blocher wieder fertig, in der ganzen Presselandschaft der Schweiz zitiert und kommentiert zu werden. In sämtliche GratisZeitungen, in der ganzen Sonntagspresse auch in Lokalmedien, im Radio und Fernsehen war die "Widsau" Aussage des pensionierten, eigenwilligen Theologen und Bruder des abgewählten Bundesrates ein Thema. Für Gerhard Blocher eine "willommene?" Medienpräsenz? Nachdem Kirchenratpräsidentin Silvia Pfeiffer einen Ausschluss Blochers aus dem Ministerium einleiten wollte, kam es erneut zu einem Medienrummel. Gerhard Blocher scheint dies zu geniessen. In der Schaffhauser Nachrichten vom 27. Mai nahm er in einem Interview Stellung zu seiner Aussage.



Auf die Frage ob er den Medienrummel geniesse meinte Gerhard Blocher:

Es passt mir dass diese Umstände endlich zur Sprache kommen. Die Kirche hat ihren Auftrag aus den Augen verloren; was jetzt passiert ist noch schlimmer: Man will jemand wegen seiner Fehlerhaftigkeit ausschliessen. Geht's noch! Es heisst doch: "Die Kirche ist der Ort, wo die Fehlerhaften aufgerufen werden: Kommt her zu mir ich will Euch Ruhe geben. Ich habe Euch die Sünde vergeben".


Das Interview fand ohne Silvia Pfeiffer statt. Sie hat eine Beteiligung mit Gerhard Blocher ausgeschlagen. Gerhard Blocher nutzte es geschickt, seine ungewühnlichen Argumente zu "verkaufen":

Er habe ein positives Verhältnis zu Wildsauen. Wildsauen tun das, was ihr Auftrag ist: Jedes Maiskorn zu finden und zu fressen. Und das unter Aufwand aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft und Intelligenz. Und das auch ohne Rücksicht auf Zäume und Ackerkulturen. Eveline Widmer -Schlumpf hat genau wie eine Wildsau gehandelt, nur dass ihr Maiskorn der Bundesratsposten war. Und sie hat diese Ziel ebenfalls rücksichtslos verfolgt. Nur dass man als Bundesratskandidatin nicht einen solche Auftrag erfüllen sollte. Tut sie es trotzdem, so ist sie als Bundesrätin untragbar.


An einer anderen Stelle:

"Beleidigt fühlt sich vielleicht jemand, aber ich habe niemanden beleidigt. Alle amtierenden Bundesräte wollten unbedingt diesen Posten. Und in diesem Sinn sind alle Wildsauen!"


Auf die Frage. Sind sie auch eine Wildsau? Gerhard Blocher:

Natürlich habe ich dies auch in mir - wie jeder Mensch. Aber ich sperre meine Wildsau - diesen Teil meines Wesens - möglichst ein.


Gerhard Blocher glaubt, er müsse Dinge sagen, auch wenn sie dem Bruder schaden. Für Gerhard Blocher gilt das Storm Zitat: Der eine fragt; was kommt darnach. Der andere fragt nur: Ist es recht? Und also unterschiedet sich der Freie von dem Knecht. Gerhard Blocher sieht sich damit als der freier Bürger, der offen sagen kann, was recht ist. Er findedt auch, er sage er auch das, was sein Bruder denke. Doch sei dies weder gewollt noch koordiniert.

Sowohl Gerhard und Christoph haben ein Sendungsbewusstsein und sind überzeugt, dass ihr Verhalten und Handeln dem Interesse einer höheren Macht untergeordnet werden muss. Christoph sieht sich als Retter der Schweiz (vor dem bösen Europa) und Gerhard als Mensch, der seine Aussagen ungefiltert und undiplomatisch - angeblich als "freier Mensch" - von sich geben darf. Silvia Pfeiffer hätte ich geraten, die Plattform der Medien ebenfalls zu nutzen. Gerhard Blocher konnte nun ihre Gesprächsverweigerung weidlich auskosten. an einer Stelle sagte er:

"Wo aber ist ihre Gesprächsbereitschaft? Und wissen Sie, warum sie nicht kommt? Weil sie sich nicht getraut! Sie weiss genau, dass sie bei den angesprochenen Punkten untergegangen wäre. Ich kreide ihr zudem an, dass sie nie nach dem Auftrag der Kirche gefragt hat.




Nachtrag vom 28. Mai 2008: Silvia Pfeiffer nimmt Stellung. Silvia Pfeiffer sah sich genötigt in einem nachträglichen Beitrag Sachverhalte richtig zu stellen. Die Vizepräsidentin des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes nahm nachträglich unter "Fakten und Ansichten" in der Öffentlichkeit Stellung:
  • Sie hätte schon ein Gespräch geführt - aber nicht in der Öffentlichkeit.
  • Sie habe nur einen Ausschluss angeregt. Die Sonntagszeitung hatte angeblich fälschlicherweise vom Ausschluss aus der Kirche geschrieben.
  • Sie habe auch nicht den Ausschluss aus dem Ministerium gefordert, denn dazu hätte sie gar kein Recht. Sie habe lediglich die Möglichkeit eines Ausschlusses im Vorstand des Ministeriums angeregt.
  • Diese Anregung möge im Nachhinein falsch gewesen sein - Dafür entschuldige sie sich, wenn denn eine Anregung einer Entschuldigung bedarf.


Wer die Chance verpasst, Falschmeldungen rechtzeitig öffentlich zu korrigieren, hat meist "das Zwei am Rücken". Dass Medienauftritte immer auch eine Chance sind, hat sich bei der Wildsaugeschichte gezeigt. Diese Chance gilt es immer zu nutzen.


Statt der nachträglichen öffentlichen Berichtigungen und Entschuldigung hätte Silvia Pfeiffer auf der Plattform der "Schaffhauser Nachrichten" die Punkte gemeinsam mit Gerhard Blocher bereinigen können. Obschon Gerhard Blocher im Umgang mit Medien meist Kapitalfehler gemacht hatte. (Er scheint sich nie bewusst zu sein, welche Bedeutung fahrlässigen Aeusserungen vor Mikrofon und Kamera haben. Im Fall des Ausschlusses hatte es jedoch der eigenwillige Theologe im SN Interview geschickt verstanden, Silvia Pfeiffer - ohne dass sie es wollte - zu einer Reaktion herauszufordern. Blocher erkannte in diesem Fall: Die Plattform Medien sind immer auch eine Chance. Silvia Pfeiffer hatte diese Chance zu spät erkannt.



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