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www.rhetorik.ch aktuell: (30. Apr, 2008)

Nationalrat in der Reality Show

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
[Nachtrag vom 13. September 2010: Diese Analyse vom 30. April, 2008 baut auf einem Zeitungsbericht vom 27. April, 2008 im "Sonntag-CH" auf, muss aber nachträglich relativiert werden. Es ist ein Beispiel wo ein Politiker wider seinen Willen gefilmt wurde. Siehe Nachtrag unten. ]


Man kann sich kaum vorstellen, dass ein Sachpolitiker sich in Unterhosen ablichten lässt. Nach "Sonntag-CH" liess Nationalrat M. Fehr sich vom Fernsehen in dieser Pose filmen und akzeptierte damit eine Show, die nach Sonntag-CH auch nicht bei seinen eigenen Kollegen gut ankam.

Die Geschichte illustriert die Frage: Wie weit darf ein Politiker gehen, wenn es darum geht, Privates öffentlich zu machen? Wann macht er sich lächerlich? Mediengeile Menschen kennen diesbezüglich keine Grenzen. Jeder Politiker muss lernen, die Grenze zwischen Privatheit und Öffentlichkeit gedanklich zu ziehen.

Die Fürther Landrätin Gabriele Pauli beispielsweise wollte nie einsehen, dass der Latex Auftritt ungeschickt war. Die Konsequenzen sind hinlänglich bekannt.

Erfreulicherweise gibt es auch Politiker, die es nicht schätzen, wenn man Privates öffentlich macht. So hatten etwa Angela Merkel oder Moritz Leuenberger keine Freude, als man sie beim Baden fotografierte.

Politiker sollten wissen, wo die Grenze zur Privatheit zu ziehen ist.


Der engagierte Politiker war bislang nie als mediengeiler Parlamentarier aufgefallen ist. Er weiss, dass man mit solchen unbedachten Auftritten die besten Botschaften abwertet.





Nachtrag vom 30. November 2008:

Es ist ein gutes Zeichen, dass sich ein Parlamentarier ärgert, wenn eine solche Geschichte im Internet verewigt bleibt. Er war vielleicht unschuldigerweise in eine Falle getappt. In diesem Fall sagt der Politiker jedenfalls:

"Ich habe selbstverständlich nicht gewollt, dass die im Artikel erwähnten Bilder am Fernsehen gezeigt werden. Diese Bilder entstanden, als ich mich für ein Training in meinem Zimmer am Umziehen war. Ich habe gegenüber dem Kamerateam erklärt, dass keine Bilder von mir in Unterwäsche verwendet werden dürfen. Und ich habe - nachdem die Bilder trotzdem am Fernsehen gezeigt worden sind - bei diesem interveniert. In der Folge wurden die erwähnten Bilder sowohl von der Homepage des Schweizer Fernsehens wie auch aus der in den Verkauf gelangenden DVD-Fassung von "der Match" entfernt."


Kommentar: Wenn sich ein Fernsehteam nicht an Abmachungen hält, würde immer die Möglichkeit zu einer Klage bestehen. Ein Politiker hat aber kein Interesse, eine leide Mediengeschichte mit einer Beschwerde nochmals aufzuwärmen.

Von anderen Betroffenen dieser Geschichte war zu erfahren, dass die Teilnehmer des "Matches" ihr Einverständnis geben mussten, dass Sie gefilmt werden. Der Doucheraum und das WC war für Kameras aber tabu. Nationalrat Fehr hat gewiss diese Abmachung auch unterschreiben müssen. Falls Fehr zusätzliche Bedingungen gestellt hätte, hätte er riskiert, nicht teilnehmen zu können. Das ist das Problem: Jeder Politiker ist froh, wenn er zu einer Medienpräsenz kommt. Die Versuchung ist somit gross, leichtfertig ja zu sagen. Ein Politiker, der keine Mikrofon und Kamerapräsenz hat, bekommt nämlich Probleme. Ohne Medienpräsenz existiert er gleichsam nicht mehr.

Dieser Fall zeigt, dass eine prominente Persönlichkeit bei solchen Events (wie bei Big Brother) immer vor dem Unterzeichnen eines Vertrages sorgfältig überlegen müsste, ob man zu solchen Formaten ja sagen soll. Das Fernsehen kam nun Fehr insofern entgegen, als es die Unterhosenstory aus der DVD Fassung des Beitrags löscht. Der Beitrag ist aber nach wie vor in Sonntag.ch abrufbar.

[ Nachtrag vom 13. September, 2010: Der Beitrag ist auf Sonntag.ch nicht mehr abrufbar.] Jürg Kachelmann versuchte mit einem Juristen, missliebige veröffentlichen Beiträge zu löschen. Das war ein Fehler. Damit wurde die Geschichte unnötigerweise aufgewärmt.

Der Politiker hat insofern vernünftig gehandelt, als er im Nachhinein keinen Wirbel veranstaltete und damit die Sache nicht noch zusätzlich aufgebauscht hatte.

Fazit: Bei den Medien gilt: Gesagt ist gesagt. Gefilmt ist gefilmt. Die Wurstmaschine kann nachträglich nicht mehr rückwärts laufen gelassen werden - im Glauben - aus Hackfleisch gebe es wieder ganze Kälber. Ich zweifle nicht daran, dass der Politiker keine Unterhosenbilder akzeptiert hat. Der Fall veranschaulicht uns, dass letztlich das Fernsehen bestimmt, welche Bilder gezeigt werden. Fehr wird gelernt haben, dass man Vereinbarungen schriftlich festlegen muss und sich nicht auf mündliche Aussagen verlassen kann. Sein Protest beim Fernsehen haben immerhin dazu geführt, dass die Bilder aus dem Archiv genommen wurden. Bei Sonntag sind die Bilder erst nach Ablauf der üblichen Zeit aus dem Archiv entfernt worden.





Nachtrag vom 31. Mai, 2010

Wir haben das Medienverhalten von Mario Fehr seit April 2008 mitverfolgt. Er war in den Medien stets als Sachpolitiker zu sehen und zu hören. Es ist keine Spur von "Mediengeilheit" auszumachen. Er macht keine Homestorys. Diese Geschichte veranschaulicht, dass auch eine derartige einmalige Geschichte dem Politiker nicht schaden wird.

Siehe auch Aktuell vom 10. Mai, 2010



Nachtrag vom 13. September, 2010:

Recherchen haben ergeben, dass die Veröffentlichung der Bilder im Umkleideraum gegen den Willen des Politikers aufgenommen worden waren und somit ein Verstoss der Spielregeln war. Wir haben deshalb das Bild, das Fehr in der Umkleidekabine zeigt, auch von dieser Webseite entfernt. Die ursprüngliche Beurteilung, dass in diesem Fall ein weiterer Politiker durch "Mediengeilheit" nicht zwischen Privatheit und Öffentlichkeit unterscheiden kann, muss somit nachträglich relativiert werden. Die Analyse bezog sich auf den damals im "Sonntag-CH" publizierten Beitrag. Ohne Kenntnis des neuen Sachverhaltes fand ich es damals richtig nicht zu reagieren. Heute müsste ich dem Politiker raten, sofort zu intervenieren um die Sache richtig zu stellen.

Zusatzbemerkung: Es zeigt sich einmal mehr im Internetzeitalter, dass das Löschen von Bildern nicht so einfach ist, wie es sich Laien vorstellen. Obschon wir das Bild gelöscht haben, ist es unter google immer noch als Thumbnail aufgeführt.



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