Rhetorik.ch

Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com
Aktuell Artikel Artikel Inhaltsverzeichnis Suche in Rhetorik.ch:

www.rhetorik.ch aktuell: (22. Mar, 2008)

Calmy-Rey mit Kopftuch

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:


Erstaunlich wie ein Stück Stoff die Öffentlichkeit erregen konnte: Calmy-Reys Kopftuch beim iranischen Präsidenten gab zu reden: Selbst eine Iranerin, die gegen den Kopftuchzwang kämpft, war von unserer Bundesrätin enttäuscht.

Der Bundesrätin wurde vorgeworfen, sie habe mit ihrem verschleierten Auftritt vor dem religiösen Gottesstaat einen Kniefall gemacht.

Politiker von rechts und links waren erstaunt. Viele fanden, dieses Verhalten wäre nicht notwendig gewesen. Christine Egerzegi sprach letztes Jahr auch ohne Kopftuch mit dem saudischen König. Sie war erstaunt, dass die Bundesrätin ein Kopftuch trug. Es sei nämlich völlig unnötig, ein Kopftuch zu tragen.

Wahrscheinlich muss Micheline Calmy-Rey ihr Verhalten vor der Aussenpolitichen Kommission noch erklären. Für Darbellay liess die Bundesrätin mit ihrem Kopftuch den Respekt vor der Gleichberechtigung vermissen.

Die Huldigung der Aussenministerin vor einem Holocaust-Leugner und Israelhasser wurde von keiner Seite verstanden. Wenn Calmy-Rey ihre Geste - als Respekt vor den Regeln des Gastlandes verstehen will - so würde dies heissen, sie repektiere auch die Unterdrückung von Millionen von Frauen und die Unterwerfung unter die Herrschaft der Männer.

Die Bundesrätin die Wirkung der Bilder zu wenig bedacht.


Die NZZ am Sonntag vom 23. März meint, dass Calmy-Rey in die Propaganda-Falle getappt sei. Sie habe sich vom iranischen Regime instrumentalisieren lassen. Die USA und Grossbritanien äusserten umgehend Kritik: "Die Schweiz hat Iran die Möglichkeit gegeben, viel politisches Kapital aus dem Besuch zu schlagen." Calmy-Rey hingegen weist die Kritik zurück. "Ich würde es wieder tun", kontert sie.

Calmy-Rey war sich nicht bewusst, was Bilder bewirken. Bereits gibt es auf YouTube einen Film über Calmy-Reys Begegnung mit dem Iranischen Präsidenten. Der Film ist mit einer Hymne unterlegt und kontrastiert mit harscher Kritik von jüdischer Seite.







Nachtrag vom 29. März, 2008:

Die populäre Bundesrätin schafft es immer wieder anzuecken. Auch im Kosovo wurde Sie für ihr Vorprellen kritisiert, weil Sie die Serben vor der Kopf gestossen hatte mit der medienwirksamen Eröffnung einer Botschaft. Sogar Alt- Nationalrat Ernst Mühlemann, der sich immer für die SP Bundesrätin stark gemacht hatte, fand, diese Geste hätte diskreter und diplomatischer aufgegleist werden müssen. Für mich hat die Bundesrätin seit je einen Hang zur Selbstdarstellung. Micheline Calmy-Rey scheint nun mit Ihrem Auftritt in Iran und dem Gasvertrag eine Grenze überschritten zu haben, die auch noch politische Folgen haben könnte. Sie ist aus meiner Sicht durch den Drang nach Medienpräsenz beim Präsident in Iran in eine PR Falle getappt. Der Kopftuchauftritt wurde jedenfalls meist als Anbiederung oder als Kniefall interpretiert vor einem totalitären Machthaber, der Israel vernichten will Calmy-Reys Bedürfnis nach Oeffentlichkeit (Rütli, Auftritt als Sängerin usw) könnte ihr langfristig doch noch zum Verhängnis werden, obwohl sie bei der Bevölkerung eine grosse Popularität geniesst. Von der Ringier Presse wurde sie stets getragen. Die SVP hat jedenfalls das Bild mit der lachenden Kopftuchträgerin zusammen mit Ahmadinejad in der ganzen Schweiz in Zeitungen als Grossinserat publiziert, um Parteimitglieder zu gewinnen.




Quelle: "Sonntag" vom 30. März, 2008


Nachtrag vom 31. März: Scharfe Kritik an Micheline Calmy-Rey.

Der Besuch der Schweizer Aussenministerin kurz nach der manipulierten Parlamentswahl im Iran sei ein "propagandistischer Triumph für die Mullahs", schreibt Ronald Lauder, Präsident des jüdischen Weltkongresses in einem Artikel. "Frau Calmy-Rey hat die politische Glaubwürdigkeit ihres Landes für 5,5 Milliarden Kubikmeter Gas verhökert." Der Iran hatte ausdrücklich verlangt, dass Calmy-Rey bei der Unterzeichnung persönlich bei der Unterzeichnung anwesend sein würde.


Nachtrag vom 4. April: Bundesrätin Calmy- Rey nutzt die Medien und geht in die Offensive

As ich die beiden Auftritte in der Rundschau (SF) und anderntags im Radio (3.April 08) hörte, hatte ich das Gefühl, jetzt wurde die Bundesrätin gebrieft und von einen Profi gebrieft und gezielt beraten. Im Fernsehen und im Radio nagelte sie ihre Botschaften hart und konsequent wiederholend:
  • Wenn ich zu Hause bleibe kann ich nichts bewirken.
  • Ich lasse mich nicht von Kritikern beirren.
  • Ich spreche mit beiden Seiten.
  • Ich pflege immer den Dialog.
  • Mit dem iranischen Machthaber sprach ich unter vier Augen Klartext über die Menschenrechte.
Calmy- Rey agierte mit Lenkungstechniken, indem sie sich nicht mehr unterbrechen liess und trotz Zwischenfagen unbeirrt weiterredete. Heikle Fragen überdeckte sie mit einem Redeschwall. Die Stimme war bestimmt, laut, energisch. Der Moderator wurde zurückgedrängt. Rhetorisch gelang es ihr - vor allem im Radio - sogar den Journalisten von den heiklen abzulenken, ohne dass dieser das merkte. Sie ging auf die heiklen Kritikpunkte gar nie ein. Die Ablenkungsmanäver gelangen der Aussenministerin hervorragend mit Formulierungen wie:
  • "Ich weiss nicht, von was sie reden?"
  • "Darüber gebe ich keinen Auskunft" (bei der Tibetfrage)
  • "Es geht mir darum: ( dann eine Wiederholung einer der Kernbotschaften)"
Eine Kommunikationsfachfrau schrieb mir zum Rundschauauftritt der Aussenministerin:

"Calmy-Rey wirklich rhetorisch brillant. Sonst macht sie zwar Fehler um Fehler, aber im gestrigen Auftritt in der Rundschau vermochte sie die Antworten total souverän zu managen - sie blieb ruhig, sie wusste sich zu verkaufen, sie legitimierte ihre unmögliche Politik so, dass sie sogar sinnvoll erschien - was denken Sie dazu?"


Wir leiten die Frage an die Leser weiter:

  • Wie konkret antwortet die Aussenministerin?
  • Wo weicht sie aus?
  • Wir wirkt der Tonfall?
  • Die Mimik?
  • Ist das Gespräch dialogisch
  • Was sagen Sie zum Botschaftenmanagement?
  • Wirkt die Bundesrätin glaubwürdig?
  • Hört sie zu?
  • Wie steht es mit der Selbstkritikfähigkeit?
  • Wie reagiert die Bundesrätin auf Kritik?


Fehler sind im Alltag etwas Normales. Doch Uneinsichtigkeit - vor allem, wenn die gleichen Fehler wiederholt werden - kann so schnell saniert werden.

Das jüngste Verhalten der Aussenministern mit dem Schleier war für mich noch peinlicher, als bei ihrem peinlichen Auftritt letztes Jahr, als sie sich singend als Schlagerstar auf der Bühne profilieren wollte.

Calmy-Reys Auftritt in der Rundschau am 2. April machte der Oeffentlichkeit deutlich, dass der Aussenministerin fehlt leider die notwendige Selbstkritikfähigkeit fehlt.

Die Aussenministerin fuhr Moderator Reto Brennwald ständig über den Mund, wehrte sich rechthaberisch in einem arroganten, giftigen, ungehaltenen Ton. Sie blieb völlig uneinsichtig, trotz der sachlichen Kritik. Die Bedenken aus den eigenen Reihen, aus Israel und USA und zahlreicher Parlamentarier negierte sie einfach. Andreas Gross SP sprach von unwürdigem Auftritt und bezeichnete Calmy Reys Verhalten als verheerend.

Die Bundesrätin reagierte nach meiner Wahrnehmung so, als sei sie von einem Coach gezielt abgerichtet worden, der ihr beigebracht hat: Wiederholen Sie immer dasselbe! Nach dem Muster: 1. Punkt, 2. Punkt. Diese Struktur zog sie offensichtlich konsequent durch: 1. Ich bin für Dialoge 2. Ich musste ein Kopftuch tragen. Wollte der Journalist nachfragen, folgte postwendend der Einwand: "Lassen Sie mich ausreden!" "Ich bin noch nicht fertig. Zu Punkt 2. (und sprach immer wieder unbeirrt weiter. Den Journalisten liess Sie hingegen kaum ausreden)"

Obschon das Kopftuch kein Zwang war und Calmy-Rey abstritt, dass andere Politikerinnen im Iran kein Kopftuch getragen haben (was übrigens nicht stimmt!), hat sich die Aussenministerin durch ihr starrköpfigen Verhalten dennoch positive Echos ernten können - vor allem von Frauen, die gerne auch so dominierend und "machahaft" kommunizieren möchten z.B. Eine Zuschauerin fand die Aussenministerin nach diesen Auftritten eine dynamische, mutige Power-Frau - eine starke Frau - der es gelang, den Moderator in die Schranken zu weisen. Ich habe von einer Frau ein Echo erhalten, die das harte, sture, verbissene Verhalten bewunderte und auch so sein möchte. Für mich war jedoch der Auftritt in der Rundschau alles andere als kommunikativ d.h. dialogisch. Das Verhalten hat für mich nichts mit dem Harvard Prinzip zu tun (Im wie freundlich - aber in der Sache hart bleiben).

Vor allem die Kosovo Erklärung Calmy-Rey's wird von den meisten Politologen kritisch beurteilt. Diplomatie ist und bleibt eine vertrauliche, hintergründige, subtile Arbeit. Doch Micheline Calmy- Rey machte bereits nach ihrer Wahl zur Bundesrätin ihre Vorstellung deutlich, was sie unter "öffentlichen Diplomatie˛ versteht: Diplomatie muss öffentlich, offensiv über die Medien gepflegt werden. Im Radio Interview liess sie dieses umstrittene Thema (Der Journalist sprach dieses heikle Thema kurz an) wie ein heisse Kartoffel sofort fallen. Doch dies wäre genau der zentrale Punkt gewesen, bei dem ein grosser Dissens zwischen der offiziellen Diplomatie und der "öffentlichen Diplomatie" à la Calmy-Rey besteht.




Nachtrag vom 5. April, 2008:

Glosse von Pentti Aellig, in der SN, vom 5. April, 2008




Nachtrag vom 8. April, 2008:

Auch die jüdische Organisation Anti-Defamation League hat die Aussenministerin Micheline Calmy-Rey wegen des Gasliefervertrags mit dem Iran kritisiert. In einer Inseratenkampagne wird die Schweiz der Terrorismusfinanzierung bezichtigt.


Nachtrag vom 11. April 2008:





Nachtrag vom 11. Mai, 2008: Nachlese

In der Rundschau und im Radio verteidigte Micheline Calmy-Rey ihren umstrittenen Auftritt im Iran. Das Bild mit der Aussenministerin, die sich lächelnd und mit einem islamischen Kopftuch bekleidet - am 17. März unter dem Bild des iranischen Ayatolla Khomeni - ablichten liess, nutzte die SVP postwendend, um die das unbedachte Handeln der Bundesrätin für eigene Zwecke umzumünzen. Fachleute sind sich einig: Micheline Calmy- Rey ist in eine PR Falle getappt. Doch will sie dies nicht einsehen. In den jüngsten Erklärungen fehlt jegliche Selbstkritik. Sie erklärte zuerst, das Tragen des Kopftuches sei für sie nur eine Höflichkeitsgeste. In den letzten Interviews hingegen (Rundschau wie auch im Radio) begründete sie konsequent das fragwürdige Verhalten mit dem Argument: Bei einer Unterredung mit dem Machthaber herrsche ein Kopftuchzwang!. Da verschiedene Frauen das Gegenteil behaupteten und Angela Merkel, wie auch Nationalrätin Egersegi beim saudischen König ohne Kopftuch zu sehen waren, interessierte es mich, herauszufinden, ob dies stimmt und im Iran tatsächlich ein derartiger Zwang besteht. Ich erkundigte mich an verschiedenen Orten, ob diese Vorschrift tatsächlich so bindend ist.

Alle andern Aussenministerinnen und Premierministerinnen verzichten bewusst im der heutigen Situation mit dem iranischen Staatsoberhaupt persönlich zu reden. Ein paar Zitate:

Politologin Regula Stämpfli:

  1. Es gibt es weltweit nur ganz wenige westliche Aussenministerinnen, Premierministerinnen etc., die überhaupt in die Situation kämen, mit dem iranischen Staatsoberhaupt zu sprechen. Rice, Merkel, Wallström (Vize EU), die vergleichbar wären, halten sich an die internationalen Konventionen und reden zum jetzigen Zeitpunkt NICHT mit dem iranischen Staatsoberhaupt. Andere Ministerinnen sind aus dem islamischen Kulturkreis, für die es selbstverständlich ist, manchmal Kopftuch und manchmal keines zu tragen.
  2. Anzudeuten, wie dies Frau Aussenministerin tut, dass westliche Frauen anderer Länder genau so gehandelt hätten, ist deshalb hypothetisch (da es kaum welche gibt und bis jetzt keine zum offiziellen Besuch beim Staatspräsidenten Irans war) und mit grösster Wahrscheinlichkeit falsch. Aus sicherer Quelle weiss ich beispielsweise, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel kein Kopftuch tragen würde - ausser sie sei in einer religiösen Stätte - dort tragen aber auch die Minister Hüte oder sonstige Kopfbedeckungen.
  3. Kopftuchtragen ist im Iran Gesetz - da hat die Schweizer Aussenministerin recht. Sich als westliches Regierungsmitglied und zudem als Frau von einem Tag auf den anderen iranischen Recht zu unterwerfen, ist - gelinde gesagt - unüblich. Für diplomatischen Umgang gilt die Exterritorialität. Die Schweizer Aussenministerin hätte ohne Probleme ohne Kopftuch auftreten können. Es ist anzunehmen, dass sie so jedoch nicht vom iranischen Präsidenten empfangen worden wäre. Wäre das aber für die Schweizer Interessen so nachteilig gewesen?
  4. Wie differenziert eine Schwedin mit dem Kopftuch umgeht, zeigte die schwedische Kronprinzessin Viktoria erst kürzlich in Dubai. Als sie eine Moschee besuchte, trug sie ein Kopftuch und war barfuss, durfte aber auch den männlichen Teil besuchen, der sonst Frauen immer verschlossen ist. Sie trug aber ansonsten kein Kopftuch - d.h. bei allen offiziellen Anlässen war sie kopftuchfrei. Sie trug sogar ärmelfreie und dekolltierte Kleider - zu bewundern in der jüngsten Wochenzeitschrift "Bunte".
  5. Propaganda bleibt Propaganda, Urteilskraft bleibt Urteilskraft. Frau Calmy-Rey hat mit ihrem Auftritt in Iran den schweizerischen Wirtschaftsinteressen, sowie der iranischen Regierung sehr genützt. Sie hat mit dem Kopftuch klar ein Signal gegeben, dass gerade westliche Frauen alles vermeiden sollten, was die mächtigen Herrscher weltweit irritieren könnte. Diese Lektion haben nun alle Frauen auf dem Foto sehen können.

    [PDF] Version eines Artikels von Regula Stämpfli von der 10. April 2008, in der MZ.


Saida Keller-Messahli sagte in einem Besuch in einer Zürcher Schule: "Enttäuschend ist, dass Calmy-Rey mit Kopftuch zeigt, dass sie einverstanden ist, wie das Regime seine Frauen behandelt. Das ist sehr enttäuschend. Das haben auch die iranischen Frauen als enttäuschend empfunden." Saida Keller-Messahli stammt aus Tunesien, ist Mutter von zwei Kindern und hat in Zürich Romanistik studiert. Im Auftrag des Eidgenössischen Departementes für auswärtige Angelegenheiten war sie zweimal Beobachterin in Hebron. Als Vorstandsmitglied der Gesellschaft Schweiz-Palästina (GSP) tritt sie für die Rückkehr der Flüchtlinge, für Selbstbestimmung und Unabhängigkeit in Palästina ein. Die GSP beteiligt sich in den besetzten Gebieten am Patenschaftsprogramm einer Frauenorganisation.


NZZ vom 4.4. Nummer 7 Seite 17: Teheran fordert Kopftuch - Riad nicht

Calmy-Rey wusste, auf was sie sich einliess. Am Teheraner Flughafen wurde sie vom iranischen Vizeaussenminister empfangen - jedoch erst als sie ihre Haare mit eine Tuch (ihrem eigenen) bedeckt hatte. Teheran machte also für die hohe Politikerin keine Ausnahme. Das galt auch für den Empfang bei Ahmadinejad, bei dem sie ebenfalls den weissen Kopfschleier trug.

Calmy-Rey hat den Schleier akzeptiert, weil sie nicht ohne ihn hätte nach Iran reisen können. Offenbar hat die EDA Vorsteherin ihre Persönlichkeit der Politik untergeordnet


Für die Aussenministerin ist jedoch das Kopftuches noch kein frauenfeindliches Symbol auch nicht für Menschenrechtsverletzungen, Man könne die Geisteshaltung eines Menschen nicht nach äusseren Zeichen ablesen. Es gehe um den Respekt vor den Sitten eines Gastlandes.

Der "Bund" 08.04.2008: Micheline Calmy-Rey verteidigt an einem öffentlichen Podium in Thun ihre "aktive Aussenpolitik" und ihren Kopftuch-Auftritt in Iran.

Die Aussenpolitik Calmy-Reys ist in den letzten Wochen in die Kritik geraten wie kaum je seit ihrem Amtsantritt vor bald acht Jahren. Die von ihr forcierte rasche Anerkennung Kosovos und der Gas-Deal mit Iran - verbunden mit dem umstrittenen Kopftuch-Auftritt beim iranischen Präsidenten - sorgten auch bei politischen Freunden für Irritation. In der Bevölkerung galt die SP-Politikerin bisher als beliebte Bundesrätin. Die Leserbriefspalten der Zeitungen deuten aber darauf hin, dass ihr Image einige Kratzer abbekommen hat. Umso spannender deshalb die Ausgangslage für die gestrige Veranstaltung in Thun: An einem Podium der Staatsbürgerlichen Gesellschaft Thun-Oberland stellte sich Aussenministerin erstmals Fragen der Bevölkerung zu Kosovo und Iran.

In ihrem Referat versuchte die Aussenministerin, ihre als effekthascherisch gescholtene "aktive Aussenpolitik" zu verteidigen. Anstatt sich abzukapseln, müsse sich die Schweiz der Welt öffnen und ihre institutionelle Position in der Uno stärken. Deshalb stehe auch eine Kandidatur für den Uno-Sicherheitsrat weiterhin zur Diskussion. Gleichzeitig müsse die Schweiz auch "interkulturelle Kompetenzen entwicklen", sagte die Aussenministerin. Auch unser Land sei Zeuge davon, dass die vermeintlich globalisierte Welt "nicht ein einziges Wertesystem kennt".

In Iran habe sie mit ihrem Kopftuch-Auftritt denn auch die Sitten des Gastlandes akzeptiert, sagte Calmy-Rey.

Wenn Journalisten und Politiker behaupteten, dies mache sie zu einer "weiblichen Ikone der Unterdrückung", dann sei dies "lächerlich, polemisch und dumm". Sie habe "das Kopftuch als stolze Schweizerin getragen", sagte Calmy-Rey.

Dass die Botschaft der Bilder als Tritt in die Propagandafalle Ahmadinejads verstanden wurde, ist für Calmy-Rey das Problem der "Vorteile und politischen Kalküle" ihrer Kritiker. Diese bezichtigte sie der "Meinungsdiktatur", indem sie "Alleinherrschaft in der Interpretation von Zeichen und Symbolen" für sich beanspruchten. "Als Frau und Aussenministerin definiere ich selber, was ich wie meine", sagte Calmy-Rey

Zum Kopftuch-Auftritt musste sie sich aber auch kritische Fragen gefallen lassen. Ein älterer Mann kritisierte die "zweifelhafte Rolle", welche die Aussenministerin in Iran gespielt habe und vermutete aufgrund der Rechtfertigungen ein schlechtes Gewissen bei der Aussenministerin.

"Ist Ihnen nicht klar, dass in diesen Ländern die Menschenrechte einfach kein Thema sind? Calmy-Rey verwies mit magistraler Routine auf das Instrument des zwischenstaatlichen Dialogs in Menschenrechtsfragen. Diesen ziehe die Schweiz der Isolation einzelner Länder vor.





Der "Blick", wärmte die Sache mit einem grösseren Beitrag am 9. April nochmals auf, indem er zwar die Bundesrätin verteidigt, aber das Plakat dennoch nochmals zeigt. Mit diesem Beitrag hat Blick die Geschichte nochmals aufgewärmt und Micheline Calmy-Rey nicht geholfen, sondern ihr einen Bärendienst erwiesen.



20 Min- vom 11.4: Die Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin Zahra Erfani kritisierte Parteigenossin Micheline Calmy-Rey offen. Erfani ist in der Schweiz für die Belange der Iranian Union of Refugees zuständig und hat die Progressive Women Organization mitgegründet.

Die profunde Kennerin der Situation im Irak kritisiert die Aussenministerin, eine Parteigenossin notabene, in einem offenen Brief scharf. Dass sie während des Besuches bei Ahmadinedschad ein Kopftuch getragen habe, sei ein Rückschlag für die Frauenrechte und ein Schlag ins Gesicht aller im Exil lebenden Iranerinnen.

"Womit Sie Ihr Haar bedeckt haben, ist das Symbol für die Demütigung der iranischen Frauen sowie für die Verletzung ihrer Rechte durch die Männer und das patriarchalische Regime im Iran", schreibt Erfani.


Kommentar: Bei Kommunikationsprozessen ist letztlich immer die Wirkung massgebend und die Wirkung bei Calmy-Reys Auftritt war in der Öffentlichkeit mehrheitlich negativ. Dass der Adressat bestimmt, wie etwas angekommen ist, will die Aussenministerin nicht einsehen. Selbstkritische Töne vermissen wir bei ihr seit Jahren. Sie hätte sagen können: "Ich bedaure, dass ich missverstanden worden bin usw ..." Man kann davon ausgehen, dass die Bundesrätin dieser Begegnung in Iran grosse Bedeutung zugemessen hat. Jedenfalls wusste vorher niemand etwas von dem Treffen. Dass die Aktion gleichsam im Geheimen vorbereitet worden war, macht der Umstand deutlich, dass weder die Medien- noch ein weiteres Umfeld - etwas erfahren durfte von dem Treffen. Es ging um einen brisanten Vertrag mit dem Iran - trotz Handelsembargo. Der Kopftuchauftritt war somit eindeutig geplant und bewusst vorgesehen, Ich frage mich, weshalb die Bundesrätin so naiv sein konnte, dass sie davon ausgegangen ist, dass ihr lächelndes Posieren vor dem fragwürdigen Machthaber nicht überall publiziert wird und nachträglich PR - mässig Folgen haben kann. Wer sich in einer "heiklen Mission" so ablichten lässt und vor der Weltpresse Bilder zulässt, die signalisieren, wie gut man sich mit einem fragwürdigen Politiker versteht, der muss wissen, dass solche Aufnahmen kommentiert werden . Wenn die Bundesrätin selbstgerecht erklärt , sie definiere allein, wie das Symbol zu verstehen ist, so verkennt sie das bekannte Axiom bei Kommunikationsprozessen:

"Bei Missverständnissen ist der Sender schuld!"


Calmy-Rey musste im Grunde genommen als Eintrittspreis für ihren erfolgreichen Vertrag die fragwürdigen Bilder liefern. Dass nun diese Aufnahmen einen Medienwirbel auslösen, hätte die Aussenministerin wissen müssen. Die billige Ausrede, sie hätte sich nur von hinten fotografieren lassen wollen - ein Fotograf habe sie unverhofft gebeten, zurückzuschauen und sie habe nur deshalb gelacht, weil die Situation so lustig gewesen sei. Mit einer derartigen, billigen, plumpen, naiven Ausrede macht sich die populäre Politikerin unglaubwürdig.. Eine Bundesrätin weiss genau, dass Bilder mehr sagen als Worte! Da sich die Aussenministerin jedoch gerne persönlich der Presse zeigt, wollte sie sich für die Unterzeichnung des Vertrages nicht vertreten lassen. Aber genau dies hätte sie tun müssen.


Nachtrag vom 13. April: Weitere Kritik an Calmy-Rey

News.ch: Der Gas-Vertrag zwischen dem Iran und der Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg (EGL) und die Rolle, die Micheline Calmy-Rey dabei gespielt hat, wird auch von Weggefährten der Bundesrätin in Israel und den palästinensischen Gebieten kritisiert. So brachte Jossi Beilin, der die von Calmy-Rey unterstützte Genfer Initiative mit auf den Weg gebracht hat, seine Kritik bei einem Treffen in Bern mit der Aussenministerin vor. Beilin ist auch Abgeordneter im israelischen Parlament, der Knesset, und Chef der pazifistischen Partei Meretz. Der Generalsekretär der Büros für die Genfer Initiative, Gadi Baltiansky, bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur SDA, dass das Treffen am vergangenen Montag stattgefunden habe. Das EDA bestätigte nur zögerlich. Wie Beilin ist Rabbo einer der "Väter" der 2003 aus der Taufe gehobenen Genfer Initiative, die von der Schweiz unterstützt wird. Angaben zu Äusserungen Rabbos gab es keine.


Nach der sogenannten öffentlichen Diplomatie der Aussenministerin und dem Offenlegen von Verhandlungen erstaunt die Zurückhaltung, das zögerliche Verhalten, wenn es um weitere offene Kritik geht.



Rhetorik.ch 1998-2011 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com