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www.rhetorik.ch aktuell: (07. Mar, 2008)

Das Ypsilanti Debakel

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:


Die Hessische SPD steckt in einem Schlamassel. Der Kurs der Partei ist umstritten. Vor allem im Rampenlicht sind die SPD Chefin Andrea Ypsilanti und der jetzige Hessische Ministerpräsident Kurt Beck kamen unter Beschuss, weil ein Versprechen, nicht mit den Linken zu koalieren, gebrochen worden ist. Der Höhepunkt dieses Kurswechsels war der Schwenker der Spitzenkandidatin Ypsilanti, die früher klar erklärt hatte, nicht mit den Linken zusammenzuarbeiten. Ypsilanti hat am 7. März ihre Kandidatur zurückgezogen.




Obwohl die Bürger in der Politik oft bewusst in die Irre geführt werden, und viele Aussagen vor der Wahl nicht mehr mit den Aussagen nach der Wahl übereinstimmen. Schon Willy Brandt hat gesagt: "Die kalte Überrumpelung ist die erfolgreichste Methode in der Politik." So können krasse Schwenker immer wieder zum Stoperstein werden. Vor allem, wenn Aussagen in den Medien entlarvt werden.

Wir haben die konkrete Aussagen in der Diskussion (Radio FFH - vom 22. Januar) der Spitzenkandidatin in Hessen von Andrea Ypsilanti protokolliert. Der Moderator Helmut Markwort fragte damals laut Wortprotokoll, als es darum ging, ob sie Chance habe, Ministerpräsidentin zu werden:

"Wie verhalten sie sich, wenn es so kommt? Ist Ihnen lieber der Roland Koch in der Staatskanzlei oder eine Tolerierung durch die Linken?"


Andrea Ypsilanti antwortete damals heftig:

"Wie oft soll ich es dann noch sagen. Herr Markwort? Sie kriegen von mir heute Abend keine andere Antwort mehr, als ich die letzten Wochen und Monate immer gesagt habe: Es gibt keine irgendwie geartete Zusammenarbeit mit den Linken!"


Der Moderator schrieb im Focus (Nr 10/08), er habe der Politikerin damals geglaubt. Markwart findet Ypsilanti eine erstklassige Schauspielerin.

Nach der heutigen Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Linken und ihrem publizierten Eingeständnis, sie könne leider heute ihr altes Versprechen nicht mehr halten, löste während der letzten Wochen eine Welle der Empörung aus. Viele Genossen waren entrüstet.

Für uns hat die SPD mit diesem krassen Hakenschlag an Glaubwürdigkeit eingebüsst, denn die führenden hessischen Sozialdemokraten haben ebenfalls vor der Wahl stets betont, wiederholt und versprochen, sie werden sich unter keinen Umständen mit den Linken einlassen. Die Zahlen des Meinungsinstitutes Allensbach bestätigten nun nach dem krassen Wortbruch, dass nur noch sechs Prozent der Bevölkerung vor Politikern eine Achtung haben.

Der Kurswechsel ist deshalb gravierend, weil die Wahl anders verlaufen wäre, wenn die Stimmberechtigten geahnt hätte, dass die Politikerin ihre Versprechen nach den Abstimmungsresultaen nicht ernst nimmt.

Ein Zitat aus dem "Spiegel vom 7. März 2008 unter dem Titel: Aus für Ypsilanti - Beck in Erklärungsnot: "Was für ein Scheitern: Die einsame Abgeordnete Dagmar Metzger hat Andrea Ypsilantis rot-rot-grüne Regierungsträume beendet. CDU-Ministerpräsident Koch darf in die Nachspielzeit - und SPD-Chef Beck muss dringend erklären, wie er weitermachen will. Interne Kritiker stellen den Linksschwenk in Frage." Viele Politiker lügen, nur um an die Macht zu kommen. Es gib Beispiele, die zeigen, dass Politiker vor der Wahl nicht "grundehrlich" gewesen sind. Man sagt: Ein Politiker darf auch fragwürdige Mittel einsetzen, wenn es darum geht, den Zugriff zum Gewaltmonopol zu erzwingen. Vielen ging die Rechnung auf, wenn sie ihre Versprechen vor der Wahl nicht so ernst nahmen. Sie kamen an die Macht und es die Bevölkerung sagte nichts mehr, wenn von den alten Versprechen im Alltag nicht mehr viel übrig blieb.




Der "Stern" sammelte Politiker Schwüre, um an die Macht zu kommen:


Nachtrag vom 8.3: Es bleibt spannend:

Das Kurswechsel Debakel bei der SPD könnte personelle Konsequenten haben. Vor allem Parteichef Kurt Beck steht unter Druck. Der "Spiegel" meint: "Beck geht daher schwer beschädigt aus den vergangenen drei Wochen hervor. Er muss sich vorwerfen lassen, zur Unzeit, nämlich im Hamburger Wahlkampf, einen Tabubruch verkündet zu haben. Es war zudem ein Fehler, den Strategieschwenk im Alleingang zu beschliessen. Keiner seiner Stellvertreter war eingeweiht. Dafür hat Beck sich bereits entschuldigt."

Die Geschichte bleibt auch am 8. März noch spannend. SPD Chefin Ypsilanti könnte doch noch kandidieren, falls die Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger ihr Mandat niederlegen würde. Die SPD Putschistin Metzger ist im Moment unter Druck, denn die hessische SPD hat Ypsilanti das Vertauen ausgesprochen.

Es besteht sogar die Möglichkeit, dass Ypsilanti doch noch Ministerpräsidentin in Hessen wird, dann nämlich, wenn Dagmar Metzger ihr Landtagsmandat niederlegen würde. Der Druck auf die "SPD Putschistin" Metzger wächst.


Foto: Spiegel. Ypsilanti im Rampenlicht.
Die Zeit: "Hühnerhaufen SPD: tritt Kurt Beck am Montag zurück.

Stern: Ypsilanti hatte nach der Ankündigung von Becks, sich den Linken anzunähern, kaum eine andere Wahl.
Auch bei der FDP wird über Kurswechsel nachgedacht.

Suedkurier: Metzger links liegengelassen.


Nachtrag vom Sonntag, 9. März 2008:

Spiegel- online: "Es ist ein Hin- und Her, wie es sich wahrscheinlich selbst die schlimmsten Feinde der SPD nicht hätten vorstellen können: Auch drei Tage nach ihrem vorläufigen Verzicht auf den Posten der Ministerpräsidentin sorgen die Pläne der hessischen SPD-Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti weiter für hitzige Debatten in der SPD."

Auch Metzgers Nachfolger unterstützt den Linksschwenker nicht.

Nächste Woche wird sich zeigen, ob die SPD den Zick oder den Zackkurs einschlagen wird. Das Lavieren und das "Hin und her" ist kontraproduktiv. So lange die SPD nicht weiss, was sie will, lachen die Dritten. Uns interessiert, welchen Kurs Kurt Beck einschlagen wird, wenn er wieder auf Deck kommt. Gibt es für ihn ein Comeback oder ein Go-Beck?

Am Sonntag kam die Partiespitze mit Kurt Beck zu einem Krisentreffen zusammen. Der Spitzenkandidatin Ypsilanti wurde untersagt, sich in Hessen zur Wahl als Regierungschefin zu stellen. Quelle.

Der Spiegel artikel erwähnt auch ein Werbeplakat der Partei, das treffend für die jetzige Situation der Partei ist:

"Wir wissen, wie wir ihnen den Kopf verdrehen!"
Nachtrag vom 10. März, 2008:

Es war ein langes Hin und Her. Doch jetzt steht es endgültig fest: Andrea Ypsilanti wird sich am 5. April nicht als hessische Ministerpräsidentin zur Wahl stellen. Das bekräftigte die SPD-Politikerin heute kurz vor der Präsidiumssitzung ihrer Partei in Berlin.



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