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www.rhetorik.ch aktuell: (19. Feb, 2008)

Unfaire und medienethisch inkorrekte Spielregeln

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:


Die mediengewandte Politologin Regula Stämpfli musste jüngst selbst erleben, wie ein Journalist Aussagen und Antworten in einem Interview verfremdet und verfälscht.

Ein solcher Vorfall kann ein herber Reputationsverlust bedeuten. Aus Fehlleistungen von Journalisten kann man aber auch lernen.

Die Methoden von Gesprächsführerin und Redaktion "Das Magazin" waren einfach, dafür mit grosser, zerstörerischer Wirkung:

  • Zeitdruck herstellen
  • Mit persönlichen Kategorisierungen überraschen.
  • Irritieren
  • Destabilisieren
  • Manipulieren
  • Verdrehen
  • Wiederholen der eigenen Thesen (sie somit als "wahr" verkaufen)
  • vordergründig allen Anstand wahren, doch nur auf Destruktion der Person ausgerichtet zu sein
  • Antworten neu gewichten
  • Fragen vor der Publikation umformulieren
  • Titel und Lead in einen anderen Zusammenhang setzen


Was kam dabei heraus? Lesen Sie selbst. Die Fragen und Bilder sprechen für sich. Da wird die charmante, lebendige, attraktive und begabte Politikwissenschafterin, die erst kürzlich zur Intendantin des Designwettbewerbs in Ulm und zum Mitglied des Hochschulrats in Köln berufen wurde, zur männerhassenden, alten und frustrierten Feministin umfunktioniert:

FEBRUAR-GESPRÄCH TEIL 1

Es wird Leser und Leserinnen geben, die froh sind, dass wir dieses Gespräch in vier Tranchen bringen - Regula Stämpfli dosiert. Ehrt oder kränkt Sie das?
Ich polarisiere halt. Das war schon als Kind so. Entweder lieben sie mich, oder sie können mich nicht ausstehen. Ich löse wenig Gleichgültigkeit aus, weil ich selber nicht indifferent bin. In guten Tagen sind solche Reaktionen ein Kompliment, an schlechten Tagen nerven sie mich. Wobei, das ist ja eine Wahrnehmung von aussen. Wenn ich gut gewesen bin und authentisch in dem, was ich sage und schreibe, dann ist es mir egal.
Die Bezeichnung "Nervensäge aus Brüssel" verwenden Sie wie eine Trophäe: Sie schmücken damit das Cover Ihres neuen Buchs.
Als ich das in der NZZ am Sonntag gelesen habe, dachte ich zuerst: Hoppla, ausgerechnet von denen! Aber eigentlich finde ich diese Bewertung spannend. Nur nicht langweilig sein. Mit Quotes ein Buch zu verkaufen, das ist ja sehr amerikanisch. "She's brillant", heisst es dann zum Beispiel. Mir ging es darum, möglichst facettenreiche Urteile zu bringen, damit man merkt: Da ist eine Person, keine Un-Person.
Kokettieren Sie nicht auch mit diesem Image der personifizierten permanenten Empörung?
Das ist ein typisches Etikett. Ich finde vibrierende Präsenz viel zutreffender. Ich engagiere mich für Leute und Themen. Ich lebe und denke. Ist das schon Empörung?
Was bringt Sie so auf?
Dass das so empfunden wird, als Empörung, das wundert mich. Ich habe halt ein lebendiges Gesicht, selbst wenn ich nichts sage, haben die Leute das Gefühl, dass ich mich nerve.
Aber auch in Ihrem neuen Buch "Die Macht des richtigen Friseurs" spürt man von Anfang bis Ende eine leichte Erregtheit, wenn Sie - ein paar Schlagworte - über die Verdinglichung aller Beziehungen, den Schönheitsfetischismus und die Verdummung der Medien schreiben.
Ich halte einen Spiegel vor: Wie starrt uns die Welt entgegen? Schon nur die Analyse wird als Empörung angeschaut. Das finde ich faszinierend. Manchmal ist ja nur empörend, was man beschreibt. Ich brauche einfach meine Urteilskraft. Eigenartig. Ich empfinde mich als normal.
Vielleicht ist man es sich in der Schweiz nicht gewohnt, dass sich eine Frau so laut äussert?
Nicht nur die Frauen mischen sich nicht ein, stehen nicht hin. Die Schweiz ist allgemein kein intellektuelles Land in der Debattierkultur. Man schaue sich nur mal die Diskussionen im französischen Fernsehen an einem Sonntagabend an. Phänomenal. Da mischen Stars und Philosophen mit, es fetzt. Hier wird ein Baudrillard aus dem Ärmel geschüttelt, dort ein Bourdieu, und sogar Laetizia Casta, das Topmodel, schmeisst kluge Sätze in die Runde.
Fehlen der Schweiz die brillanten Köpfe, mit denen Sie sich schlagen können?
Das sage ich nicht. Es ist eine Mentalitätsfrage. Wir sind ein sehr pragmatisches Land. Alles hat Vor- und Nachteile. Der Pragmatismus zeigt sich etwa in der Aussenpolitik, und so haben wir eben auch eine Art bilaterale Verträge in der intellektuellen Debatte: halb engagiert, autonomer Nachvollzug, aber nicht wirklich eine eigene Politik.
Und wird es mal laut, folgt sofort die Stilfrage. Sie selbst sind ja sehr angriffig, oftmals polemisch. Ein bestimmtes Buch nennen Sie einen "Schnellschussschrott", ein TV-Moderator einen "Dummdemokrat".
Ich versuche, mit meinem Humor spitz zu sein. Wenn ich böse schreibe, ist das auch eine Aufforderung, nachzudenken, in einen Dialog zu treten. Frauen müssen immer nett sein. Da passiert es schnell, dass eine dann sofort polemisch ist. Ich sage nichts, was nicht zutrifft.

FEBRUAR-GESPRÄCH TEIL 2

Sie reagieren sehr empfindlich auf Zuschreibungen. Selbst aber verschonen Sie junge Frauen nicht.
Ha! Jetzt geht es um Michèle Roten.
Wie kamen Sie darauf, die "Magazin"-Kolumnistin vor zwei Jahren in einem Text in der FRAZ als "Schwanzlutscherin" zu betiteln?
Das habe ich so nicht getan. Ich habe in einem Satz Rotens Schreibe als sackstark bezeichnet und ihr unterschoben, dass sie sich wohl irgendwo zwischen Alles-ist-möglich-Powerfrau und Schwanzlutscherin versteht. Die Schwanzlutscherin ist doof. Postmoderne Beliebigkeitsfanatikerin wäre wohl treffender gewesen. Ich bin selber schuld. Ich habe den Mist gefahren und muss ihn noch Jahre nach diesem Ausrutscher riechen. Vielleicht kann ich mich an dieser Stelle bei Michèle Roten entschuldigen.
Wie waren die Reaktionen?
Eine ungeheuerliche Welle des Hasses überrollte mich, ich war nur noch die frustrierte und vertrocknete Feministin. Dabei ging es mir damals darum, Roten mal zu sagen: Halt Mädel, es gibt Grenzen. Die Jugend zum Programm machen, das legitimiert nicht alles. Wenn man in Artikeln einen Lobgesang auf die Prostitution macht, liegt man voll daneben.
Und da schlugen Sie ausgerechnet mit einem sexistischen Wort zurück.
Ich wollte nie im Genitalbereich landen. Jetzt bin ich halt für einmal dort gelandet - und sehr unsanft gelandet.
In intime Gefilde dringen Sie vor - diesmal aber reflektiert - wenn Sie über die Schamrasur von Frauen schreiben. Was interessiert eine Politologin und Historikerin an Lifestyletrends?
Wenn erwachsene Frauen mit Kindermösen herumlaufen, so ist das durchaus politisch. Wir reden hier über ein Weltverständnis, während die klassische Politik oft mehr Schein ist, die Politologen nur noch Wahlverhalten und Vermessung des Parlaments interessiert. Ich finde Schamrasuren kein Problem, ich habe nichts gegen das private Körperhandeln. Ich sehe nur genau hin und frage: Was heisst die rasierte Kindermöse übersetzt auf die Machtverhältnisse? Ist es eine Kompensationsstrategie, um als Frau gehört und gesehen zu werden?
Ist dieser feministische Groove nicht etwas anstrengend? Eine 17-Jährige macht das doch einfach, weil sie es geil findet.
Mir geht es darum, zu fragen, warum etwas so gedankenlos übernommen wird, nur weil es gerade Mode ist. Ist es wirklich ein freiwilliger Entscheid? Ich kenne diesen Satz zur Genüge von meinen Söhnen: Das machen alle. Aber nur weil alle "Heil!" schreien, heisst das noch lange nicht, dass das "Heil!" richtig ist. Das sollen Eltern ihren Kindern erklären, sagen, du kannst auch Nein sagen, du musst auch nicht wollen.
Machen wir noch mal etwas Blattkritik. Der Titel "Die wahre Miss Schweiz" über einem Porträt von Doris Leuthard im "Magazin" hat Ihnen offenbar auch nicht gefallen?
Bundesratswahlen sind keine Miss Schweiz-Wahl, das wollte ich damit sagen. So werden politische Kategorien verschoben. Auch wenn der Tages-Anzeiger von "Blutauffrischung im Parlament" schreibt - wo führt das hin? In zehn Jahren entscheidet die Körbchengrösse über ein politisches Mandat. Biologische Kriterien haben in der Politik nichts zu suchen. Sonst werden Miss Schweiz-Wahlen plötzlich zum Massstab für jede Frau.
Ihre Kritik wirkt dann halt so übertrieben. Darf man mit Sprache nicht spielen?
Wenn man immer mit denselben Bildern spielt, ist es kein Spiel mehr sondern nur noch eine Repetition der Konformität. Ermüdend. Übertrieben oder nicht - ich analysiere und frage nach den immer gleichen Stereotypen, mit denen Frauen in der Politik erfasst werden.

FEBRUAR-GESPRÄCH TEIL 3

Sie haben dem Schönheitskult schon viele scharfe Zeilen gewidmet. Trotzdem reden Sie gerne bei der Fotoauswahl mit und setzen sich gerne vorteilhaft in Szene. Unterwerfen Sie sich nicht auch der "Macht des richtigen Friseurs"?
Ich weiss viel über Bilder, darum ist es entscheidend, welche Fotos zum Text erscheinen. Ja, ich bin auch rollenkonform gestylt, wenn ich im Fernsehen auftrete, weil ich keine Plattform für die Diskussion über mein Äusseres bieten will. Man hält sich in der Mediendemokratie an die Spielregeln. Ich sage meinen Studentinnen und Studenten manchmal aus Spass, wenn Sie fragen, was die wichtigste Vorbereitung vor einem Fernsehauftritt ist: Coiffeur, schminken, Styling. Daran erinnern sich die Leute dann jeweils besser als an das, was ich gesagt habe.
Das tönt nun ja sogar ganz lustvoll. Wie wichtig ist Ihnen das Aussehen?
Ich sehe gerne gut aus, weil ich mich dann wohl fühle. Ich frage mich jetzt aber schon, ob Sie diese Frage einem Mann auch stellen würden? Offenbar funktioniert auch hier: Der Mann sieht, die Frau wird gesehen.
Könnte eine Rolle spielen, dass Sie der Farbtupfer in der grauen Herrenmasse sind, wenn Sie in die Arena eingeladen werden?
Ich werde eingeladen, weil ich kompetent bin. Im Übrigen machen Sie aus mir ein Medienprodukt, das ich nicht bin. Wie oft stand ich im letzten Jahr vorne am Pult in der Arena? Ganze zweimal! Dann noch zweimal in der ersten Reihe. Das wars. Roger Köppel, Longchamp, Rickenbacher waren viel häufiger am Bildschirm. Ich störe offensichtlich. Es ist interessant, zu sehen, wie meine Sperrigkeit nicht mehrheitsfähig ist.
Stichwort Geburtstag: An diesem überflüssigen Ereignis machen Sie Ihre ganze Philosophie fest. Was haben Sie gegen Geburtstage?
Mein Mann ist Schotte, und in der britischen Kultur sind Geburtstage unendlich wichtig. Ich versuche ein bisschen Gegensteuer zu geben. Warum sollen wir ausgerechnet etwas feiern, wofür wir am wenigsten können?
Gerade Geburtstage sind ein Anlass, zusammenzukommen, gemeinsam zu trinken und essen und sich auszutauschen - Ihre bedrohten gemeinschaftlichen Werte zu feiern.
Aber es ist ein privates, vereinzeltes Erlebnis, auf das ein zu grelles Licht geworfen wird. Es wäre schöner, zusammen ein Buch oder einen Schulabschluss zu feiern.
Geburtsdaten dienen auch dazu, jemanden zu erinnern, ihm zu gedenken. Simone de Beauvoir ist dieses Jahr 100 geworden. Man schreibt wieder über sie. Das müsste doch gerade Sie freuen?
Haben Sie gesehen, was der "L'Obsérvateur" in seiner Spezialausgabe "100 Jahre Simone de Beauvoir" gebracht hat? Auf dem Cover das einzige Nacktfoto von ihr, der einflussreichsten Philosophin des 20. Jahrhunderts, mit 40 von hinten im Bad von ihrem Liebhaber Nelson Algren fotografiert.
Aber selbst dieses Foto könnte die de Beauvoir jungen Frauen näher bringen.
Es hätte viele andere Fotos gegeben. Geburtstage also, sie stehen für meine These vom Leben als Datumsreihe. Die Verdinglichung des Menschen, das Leben als Biologie. Es beginnt als Kilo- und Zentimeterverhältnis in der Geburtsanzeige und endet mit den biografischen Eckdaten auf dem Grabstein. Dahinter verbirgt sich ein Weltverständnis. Man müsse das Weltverständnis ändern, bevor man politisch etwas ändern könne, sagt übrigens Heidegger auf YouTube - ich liebe die Philosophen auf YouTube, genial, genial. Darüber soll man nachdenken: Wollen wir Geburtstage oder menschliche Kommunikationsformen feiern?

FEBRUAR-GESPRÄCH TEIL 4

Was halten Sie vom neuen SVP-Präsident Toni Brunner, mit dem Sie Anfang März ein Podium in Därstetten bestreiten?
Ein anständiger Mensch. Er hat die richtigen Themen, aber oft die falschen politischen Lösungen.
Am Beispiel von Toni Brunner zeigt sich, dass auch Männer über ihr Äusseres beurteilt werden. Mit seinem Lausbubengesicht gilt er dann halt als bauernschlau, intellektuell wird er jedoch als etwas unterbelichtet bezeichnet.
Die Klischierung nimmt Männer nicht aus, absolut nicht. Umberto Eco hat es so schön gesagt: Ein Klischee ist doof, aber hundert Klischees wirken ergreifend. Wir sind in diesem Schemendenken drin und übernehmen vorgefertigte Bilder unreflektiert. Es war übrigens ein Mann, Bundeskanzler Gerhard Schröder, mit dem die öffentlich diskutierte Haarfrage den Anfang nahm. Darum: Mein nächstes Buch wird ein Männerbuch sein.
Sie zitieren ständig andere Philosophen. Denken Sie auch in eigenen Sätzen?
Und wie! Beispielsweise: "Wenn die Unendlichkeit schon nur ein Zahlenverhältnis ist, dann ist es kein Wunder, dass wir immer bei Null beginnen". Aber klar: Die Philosophen sind meine Vor-Denker. Sie haben die Dinge als Erste gedacht. Ich verstehe mich vor allem als Übersetzerin. Hey, die haben das alles schon geschrieben, warum gibt es nicht mehr Menschen, die diese klugen Gedanken verstehen wollen?
Man fürchtet ja immer etwas, dass man ein falsches Wort sagt, das Sie dann auf eine Weltanschauung hin prüfen. Männer könnten bei Ihnen Kastrationsangst haben.
Ach nein. Männer mögen mich. Frauen sind viel kritischer.
Dann ist es ideal, dass Sie drei um Sie buhlende Söhne haben?
Das ist wunderbar. Und ich sehe nicht ein, warum man auf den Gedanken kommt, ich sei gegen die Männer, nur weil ich für die Frauen bin. Ich bin für die Menschen.
Wollen Sie Ihren Kindern irgend etwas Besonderes mitgeben?
Ich bin keine Missionarin und betrachte meine Kinder nicht als ein zu bearbeitendes Material. Sie sind ein Geschenk. Ich bin eine ziemlich strenge Mutter, Anstand ist mir wichtig, Normen setzen. Ich bin kein Bodenteppich wie viele meiner Kolleginnen. Ich habe auch drei, nicht nur eines, das man verhätschelt. Computergames? Erlaubt. Die homöopathisch-feministische-biologische Erziehung ist nicht mein Ding. Kurz und gut: Ich liebe sie. Kinder muss man nur lieben.
Sie selbst kommen aus einfachen Verhältnissen. Wie hat Sie Ihre Herkunft geprägt?
Ich wuchs in der Loraine, einem Arbeiterquartier in Bern auf. Mein Vater war Metzger, oft arbeitsloser Metzger. Er war eher ein Cary Grant, ein hochsensibler, kultivierter intelligenter, schöner Mann. Seine Herkunft hinderte ihn, sein Potenzial auszuleben. Auch ich musste mich fast rechtfertigen, als ich das konservative Gymnasium in Kilchenfeld besuchte, musste beweisen, dass ich mich trotz meiner Herkunft quasi zur geistigen Elite zählen darf. Ich verdanke meinen Eltern viel, die mich stützten und förderten, wo sie konnten, im Sinn: Wenn du das nicht schaffst, wer denn sonst? Das meine ich eben. Das ist Liebe.
Waren Sie schon als Kind so kämpferisch?
Ja. Wohl auch, weil ich eine Nachzüglerin bin. Der Altersunterschied zu meinen zwei Geschwistern beträgt elf und dreizehn Jahre. Ich war das Nesthäkchen, total verwöhnt.
Zum Schluss, da die "bekloppte Datenreihe" einem Menschen nicht gerecht wird, wie Sie sagen, und Sie deshalb auf Jahreszahlen verzichten: Was wird auf Ihrem Grabstein stehen?
Ich will keinen Satz.
Nehmen Sie doch einen. Einen beispielsweise von Hannah Arendt.
Wissen Sie was? Ich habe gar keinen Grabstein. Meine Asche soll im Meer nahe einer griechischen Insel ins Meer gestreut werden. Falls es ein Leben nach dem Tod gibt, befände ich mich in einem warmen Klima. Regula Stämpfli, 42, ist Politologin, Dozentin und Buchautorin ("Die Macht des richtigen Friseurs", 2007). Die Mutter von drei Söhnen im Alter von 8, 11 und 13 Jahren lebt mit ihrer Familie in Brüssel.




Das war die autorisierte Version des Gesprächs von Regula Stämpfli mit Birgit Schmid. Sehen Sie selber die Unterschiede. Im Nachhinein wurden alle Fragen neu formuliert, der Lead tendenziös gewichtet wie, die Überschriften auch.
Alle Versuche von Regula Stämpfli, die verfälschten Interviews zu verhindern, scheiterten an Termindruck und Entschuldigungen durch die Gesprächsleiterin "Die Redaktioin hat dies ohne mein Wissen verändert".

Hinzu kam, dass "Das Magazin" ohne Wissen und ohne Möglichkeit der Stellungnahme von Regula Stämpfli, der Kolumnistin Michèle Roten die Gelegenheit gab, die Aussagen der Politologin zu kommentieren, zu verfälschen und zum eigenen Branding umzumünzen - DIES IN DERSELBEN AUSGABE DES GESPRÄCHS! Eine völlige Verletzung jeder Abmachungen. Medienethisch war dies genau so fragwürdig wie schon die Kolumne im Herbst 2005 derselben Kolumnistin "Ich Schwanzlutscherin", in welcher Zusammenhänge völlig manipuliert und verdreht dargestellt wurden und Regula Stämpfli keine Gelegenheit gegeben wurde zur Stellungnahme.

Resultat dieses Kunstmedienprodukts "Februargespräch mit Regula Stämpfli" ist: Aufwärmen einer unendlich banalen Geschichte, die nur der Promotion der hauseigenen Kolumnistin auf Kosten der hochrangigen Wissenschafterin dienen soll sowie erhebliche Rufschädigung der wissenschaftlich unantastbaren und einwandfreien Expertin. Da diese Geschichten in der Mediendatenbank und im Netz bleiben, werden auch immer wieder ziemlich uninformierte und unethische Journalisten (siehe Blick zwei Wochen danach am 19. und 20. Februar) die Frau Dr. Stämpfli zutiefst schadende Berichterstattung repetieren und wiederholen.

Analyse

  1. Es gibt strukturelle Gewalt, die Ohnmachtssituationen hervorrufen: Den Gesprächspartner mit einer heftigen Attacke zu Beginn völlig destabilisieren. Wenn diese Attacke zudem von einer Frau stammt, ist meist die Gegenwehr gar nicht erst vorbereitet.
  2. Macht hat, wer die Redaktion hat. Selbst wenn ein Gespräch autorisiert wird, werden Titel und Lead manipuiert. Dies lenkt das Gespräch in eine völlig andere Richtung, selbst wenn der Wortlaut bleibt.
  3. Macht hat, wer über die Bildauswahl entscheidet: Expertinnen werden von den meisten Bildredaktionen negativ dargestellt, weil dies zum Image passt (streng, nicht lächeln, steif - genauso wurde Regula Stämpfli auch beim Posieren instruiert und sie hat, entgegen jeder Profikenntnis sich dazu manipulieren lassen).
  4. Macht hat, wer den Zeitrahmen im Griff hat. Da können Änderungen in letzter Minute "verordnet" werden.
  5. Überraschungseffekt: Macht hat, wer das Gegenüber überrascht. Sei es durch Schmeichelei, der sofort durch eine heftige verbale Attacke folgt. (Weichklopfen mit Sätzen wie: "Als so kluge Frau in der Schweiz muss es Sie doch nicht überraschen, dass Sie empören... um dann zu folgen: "Weshalb sind Sie so aggressiv?")
  6. Macht hat, wer die Fragen formuliert. Nicht nur im Gespräch, sondern auch im Nachhinein. Dr. Regula Stämpfli wurde die ganze Lustfeindlichkeitsdiskussion aufgesetzt. Ebenso die Humorlosigkeit. Da sollte offenbar ein Medien-Kunstprodukt und nicht die wirkliche Person Stämpfli wiederspiegelt werden. Auch Simone de Beauvoir wurde völlig anders wiedergegeben: Es ging darum, Frau Dr. Stämpfli in eine altbackene feministische Ecke zu stellen, die es so schon längst nicht mehr gibt.
  7. Macht hat, wer angreift: Defensive ist nie gut. Über das neue, spannende Buch von Frau Dr. Stämpfli wurde kaum etwas publiziert. Zudem wurde über ihre Arbeit nichts berichtet (Design, politische Philosophie, Demokratietheorie in EU, Dozentinnenstelle etc.)

Erkenntnisse

  1. Interviews bei einer unbekannten Journalistin mit Begleitung (Assistent, Büro) durchführen, vor allem, wenn man eine öffentliche Person ist.
  2. Vorher genau abklären und sich schriftlich bestätigen lassen, welche Fragen kommen. Jedoch wissen, dass die Journalistin vom Fragenkatalog abweichen darf.
  3. Genaue Abmachungen schriftlich treffen: Terminplan, Autorisierung, Bildrecht. Sich Zeit lassen.
  4. Während des Gesprächs ganz ruhig Stop Signale geben, wenn das nötig ist. Ruhig "Nein"-Sagen. Keine Selbstrechtfertigungen. Immer wieder auf die ursprünglichen Themen zurückkommen.
  5. Vorher genau abklären, weshalb der Journalist/Medium mit einem ein Gespräch will. Wegen Person oder wegen Themen?
  6. Medienrechtler zur Seite haben bei gravierenden Fehlern - Gegendarstellungsrecht und Ehrverletzungsklagen miteinberechnen.


Die offensichtlichen und nachvollziehbaren negativen Erfahrungen von Regula Stämpfli bestätigen uns:

Auch wenn wir die hinterhältigen Machenschaften kennen, führt vor allem der Überraschungseffekt dazu, dass wir den roten Faden verlieren und uns manipulieren lassen. Bei dieser exemplarischen Geschichte "Interview "Tagi Magi" stellen wir fest, dass Journalisten Themen gewichten können und 0.0001 Promille zu 60 Prozent mutieren können.

Die interviewte Politologin hat aus meiner Sicht nicht alles falsch gemacht. Der Journalistin muss in erster Linie Unprofessionalität vorgeworfen werden werden. Abmachungen sind einzuhalten. Spielregelverletzungen sind ein gravierendes Vergehen beim Journalismus.

Was kann man tun?



  • Antizyklisch verhalten. Wenn jemand hetzt wird sie künftig Stopsignale setzen und den Prozess verlangsamen. Vorsichtig sein bei Lob.
  • Sich nicht das Setting aufzwingen lassen.
  • Abmachungen per Mail vereinbaren.
  • Sich nicht durch plumpe Fragetechniken lenken lassen.
  • Kernbotschaften sofort plazieren und - falls das Thema gewechselt wird wieder auf die Dachbotschaft zurückkommen.
  • Keine Fotos aufzwingen lassen.
  • Vorher alles klären. Rechte, Fragen, Thema usw.
  • Nein sagen lernen.
  • Persönliche Fragen übergehen


Überraschungen bringen uns alle aus dem Tritt. Das gilt bei allen Kommunikationssituationen. Im Begriff Überraschung ist das Wort rasch. Deshalb gilt bei Überraschungen: Stopsignale setzen - Pause - klären - auf Metaebene gehen - überlegen - Frage einordnen - Frage paraphrasieren - Klärungsfragen stellen - Die Frage kurz berüren - mit einem "Nein", "Im Gegenteil" ... usw. antworten.

Weil Menschen ohne Training bei Überraschungen versagen, lasse ich mich regelmässig im Simulator bewusst provozieren, damit ich mich automatisch von der Befangenheit lösen kann. Wir müssen uns konkret mit unfairen Techniken, Beleidigungen, Vorwürfen, Unterstellungen, Manipulationen auseinandersetzen.

Auch ein Pilot - der gut fliegen kann - setzt sich im Simulator überraschenden Situationen aus. Nur prozessorientiertes Training bringt Erfolg.

Nur noch zur Erinnerung für alle Nicht-Medienschaffenden: Das Interview leistete Frau Dr. Stämpfli gratis und freiwillig. Sie opferte einen ganzen Nachmittag für eine Aktion, die ihr nur schadet. Publicity ist zwar gut und wichtig, doch manchmal ist es richtiger, Nein zu sagen. Lieber keine Publicity als dermassen auf Destruktion der Person gerichtete Veröffentlichungen.


  1. Michèle Roten behauptet, Regula Stämpfli hätte sie Schwanzlutscherin genannt. Dies entspricht nicht dem korrekten Sachverhalt. Man kann die Originalkolumne (die explizit als "Polemik" gekennzeichnet war) in Fraz und Emma vom Frühling 2005 selber überprüfen. Über das feministische Scheitern - eine Polemik. Es war Michèle Roten, die sich selber zur Schwanzlutscherin gemacht hat, siehe Kolumne "Ich Schwanzlutscherin".
  2. Regula Stämpfli hat in ihrem Februargespräch mit dem "TagesAnzeiger" den Sachverhalt nochmals klargestellt und sich ohne Wenn und Aber entschuldigt, falls Missverständnisse entstanden sind, siehe Magazingespräch.
  3. Michèle Roten, der "Blick" sowie "SonntagsZeitung" nehmen diese klaren Aussagen zum Anlass, um gegen die renommierte Politologin eine Medienkampagne zu führen. Was von Regula Stämpfli durchaus korrekt und anständig gemeint war, wird ihr nachträglich zum Verhängnis.
Regula Stämpfli zieht daraus die Lehre: Auf Falschmeldungen, gegen welche man nicht sofort vorgegangen ist und welche im Archiv unwidersprochen stehen bleiben, nie eingehen und sich jeglichen Kommentars enthalten.



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