"Die Schweiz wird immer dicker"
Unter diesem Titel führt die Schweizerische Stiftung für Gesundheitsförderung
eine Kampagne, die auf die aktuellen und kommenden gesundheitlichen
Schädigungen der Verfettung der Gesellschaft hinweisen will. Poster
wie dicke Kindervelos, breite Bürostühle und unansehlich
faltig-überschwappende Rollschuhe schreien uns von überall
entgegen: #Schau, wie hässlich! " Philosophisch gesehen, verletzt
diese Kampagne ansatzweise die Menschenwürde. Gleichzeitig
kulpabilisiert die Kampagne die Einzelnen, vor allem die Kinder, deren
Eltern sowie die ausländische Bevölkerung (Zitat Tagesschau:
"Vor allem Ausländerkinder sind dick") Die Verfettung postmoderner
Gesellschaften ist eng mit den Politiken des jeweiligen Staates
verknüpft. Aus internationalen Studien ist bekannt, dass Armut,
fehlende Bildung sowie fehlende öffentliche Unterhaltung sowie
fehlende öffentliche Bewegungsräume (wie öffentliche
Turnvereine, Schwimmbäder, Spielstrassen) Menschen und insbesondere
Kinder verfetten lassen. Der Staat kann nicht Millionen in eine Kampagne
investieren und gleichzeitig die Subventionen für Jugend und Sport
kürzen und die Hauswirtschaftslehre an den Schulen abschaffen.
Menschen sind eben äusserst soziale und kommunikative Wesen - da
wirken Politik und Körper zusammen - soviel Grundwissen dürfte
nun wirklich auch vom Bundesamt für Gesundheitswesen vorausgesetzt
werden! Wenn beispielsweise das Leben moderner Menschen so gestaltet
ist, dass Mobilität vor allem motorisiert daherkommt, wenn Gehen und
Laufen keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Willensakt ist, wenn
gutbezahlte Arbeiten fast nur sitzend geleistet werden können, wenn
Spielen vor allem eine Bildschirm"aktivität" ist, dann erstaunt es
nicht, dass massenweise Menschen dick werden. Denn das ziemlich statische
Tastenverhältnis, das Menschen in der modernen Welt pflegen, ist
kein guter Kalorienkiller. Kurz: "Die Schweiz wird immer dicker"
ist eine Kampagne der falschen Zusammenhänge und der Leerstellen. Statt
einer Kampagne braucht es kluge Politiken und Diskussionen, wie wir
unsere öffentlichen Räume und unser Zusammenleben gestalten
können (ja, vor allem auch raumplanerisch), dass statt Diät zu
verordnen Bewegung, Freiheit, Kommunikation, Spielen, Reden, Zuhören,
Früchteessen und Wassertrinken selbstverständlich und hey ja:
auch möglich sind. Doch wahrscheinlich ist die Kampagne "Die Schweiz
wird immer dicker" vor allem an die Werber gerichtet. Denn am Dicksein
der Menschen wird damit nichts geändert, dafür am Portemonnaie
der an der Kampagne involvierten PR-Menschen und Werber.
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