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www.rhetorik.ch aktuell: (11. Jan, 2008)

Die Schweiz wird immer dicker

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:


Ein Auto mit einem übergewichtigen Kind auf den Rücksitz.
Die Organisation Gesundheitsförderung Schweiz macht darauf aufmerksam, dass Abnehmen schon im Kindesalter notwendig ist. Belegt wird dies durch Statistiken wonach schon im Kindergarten 15 Prozent der Kinder übergewichtig sind. In der Primarschule sind es schon 22 Prozent.
Statistik


Schweizer Fernsehen Tagesschau vom 7. Januar, 2008
Wir alle wissen wie schwierig das Abnehmen ist. Besser wäre es natürlich, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass wir nicht "abspecken " müssen.

Auch Politiker reden viel vom "Abspecken". Ein Bundesrat sagte einmal: "Beim VBS müssen wir abspecken." Es ging nicht um Fettpanzer, sondern um Panzerfahrzeuge, von denen in guten Zeiten weniger notwendig wurden. So wie das Schweizer Militär sich ja nach Lage Panzer anschaffte, so leistet sich der menschliche Körper Fettpanzer zur Überbrücken von nahrungsarmen Zeiten.

Nun hören, dass jedes fünfte Kind zu dick ist. Im alarmierenden Bericht heisst das euphemistisch "übergewichtig". Ob die Werbeappelle nützen werden, ist noch unklar.


Konkrete Massnahmen in den Schulen könnten zur Prophylaxe beitragen:
  • Weshalb nicht Kinder den Schulweg obligatorisch zu Fuss oder mit dem Fahrrad zurücklegen lassen? Das gäbe pro Woche ein paar zusätzliche Stunden Bewegung.
  • Bei Tagesschulen oder bei Zwischenverpflegungen und Mittagessen müsste nur noch ein gesundes, fettarmes Essen und Getränke angeboten werden.


Die Schweizer Politologin Regula Stämpfli behandelt auch in ihrem Buch "Die Macht des richtigen Friseurs" Menschenbilder. Sie meint zur Werbekampagne:
"Die Schweiz wird immer dicker" Unter diesem Titel führt die Schweizerische Stiftung für Gesundheitsförderung eine Kampagne, die auf die aktuellen und kommenden gesundheitlichen Schädigungen der Verfettung der Gesellschaft hinweisen will. Poster wie dicke Kindervelos, breite Bürostühle und unansehlich faltig-überschwappende Rollschuhe schreien uns von überall entgegen: #Schau, wie hässlich! " Philosophisch gesehen, verletzt diese Kampagne ansatzweise die Menschenwürde. Gleichzeitig kulpabilisiert die Kampagne die Einzelnen, vor allem die Kinder, deren Eltern sowie die ausländische Bevölkerung (Zitat Tagesschau: "Vor allem Ausländerkinder sind dick") Die Verfettung postmoderner Gesellschaften ist eng mit den Politiken des jeweiligen Staates verknüpft. Aus internationalen Studien ist bekannt, dass Armut, fehlende Bildung sowie fehlende öffentliche Unterhaltung sowie fehlende öffentliche Bewegungsräume (wie öffentliche Turnvereine, Schwimmbäder, Spielstrassen) Menschen und insbesondere Kinder verfetten lassen. Der Staat kann nicht Millionen in eine Kampagne investieren und gleichzeitig die Subventionen für Jugend und Sport kürzen und die Hauswirtschaftslehre an den Schulen abschaffen. Menschen sind eben äusserst soziale und kommunikative Wesen - da wirken Politik und Körper zusammen - soviel Grundwissen dürfte nun wirklich auch vom Bundesamt für Gesundheitswesen vorausgesetzt werden! Wenn beispielsweise das Leben moderner Menschen so gestaltet ist, dass Mobilität vor allem motorisiert daherkommt, wenn Gehen und Laufen keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Willensakt ist, wenn gutbezahlte Arbeiten fast nur sitzend geleistet werden können, wenn Spielen vor allem eine Bildschirm"aktivität" ist, dann erstaunt es nicht, dass massenweise Menschen dick werden. Denn das ziemlich statische Tastenverhältnis, das Menschen in der modernen Welt pflegen, ist kein guter Kalorienkiller. Kurz: "Die Schweiz wird immer dicker" ist eine Kampagne der falschen Zusammenhänge und der Leerstellen. Statt einer Kampagne braucht es kluge Politiken und Diskussionen, wie wir unsere öffentlichen Räume und unser Zusammenleben gestalten können (ja, vor allem auch raumplanerisch), dass statt Diät zu verordnen Bewegung, Freiheit, Kommunikation, Spielen, Reden, Zuhören, Früchteessen und Wassertrinken selbstverständlich und hey ja: auch möglich sind. Doch wahrscheinlich ist die Kampagne "Die Schweiz wird immer dicker" vor allem an die Werber gerichtet. Denn am Dicksein der Menschen wird damit nichts geändert, dafür am Portemonnaie der an der Kampagne involvierten PR-Menschen und Werber.



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