"20 Minuten" und "Tagesschau" schreiben am 1. Januar 2008:
"Es ist ein wahrhaftiges Suchbild: Bundespräsident Pascal
Couchepin zeigt Volksnähe und mischt sich zusammen mit seinen
Amtskolleginnen und -kollegen sowie der Bundeskanzlerin fürs
offizielle Bundesratsfoto 2008 unter die Leute. Finden Sie sie alle?
Couchepin selbst findet man auf der Karte schnell. Er steht wenig
verdeckt und in der Mitte von rund hundert Personen verschiedenen Alters
und Herkunft. Doris Leuthard, Eveline Widmer- Schlumpf oder die neue
Bundeskanzlerin Corina Casanova hingegen entdeckt man erst auf den
zweiten Blick.
Rechts von Couchepin steht der Vizepräsident des Bundesrates,
Hans-Rudolf Merz. Um die beiden herum gruppieren sich streng nach
Amtsalter ein lächelnder Moritz Leuenberger, Samuel Schmid
und Micheline Calmy-Rey. Weiter weg stehen Doris Leuthard und die frisch
gewählte Widmer-Schlumpf.
Fast ganz am Rand findet man Casanova.
Alle schauten sie direkt in die Kamera - im Gegensatz zum Volk. Dieses
blickt nach links oder rechts.
Von den Kleidern der Magistraten sieht man nicht viel. Etwas aber ist
auffallend: Die Krawatten der vier Bundesräte scheinen aufeinander
abgestimmt zu sein, auf jeden Fall Ton in Ton, von hellviolett bis
bordeaux-rot.
Das in einer Auflage von 60'000 Exemplaren erschienene Bild entstand
in der Aula des Berner Kulturlokals "Progr" und ist das Werk von
Béatrice Devènes und Dominique Büttner. Auf der
Rückseite der Karte sind die Bundesräte nochmals zu sehen -
ohne Volk, dafür mit Autogramm.
Kommentar:
Die Idee der Fotomontage ist gut. Mit der Darstellung des Bundesrates
im Volk soll die Kernbotschaft vermittelt werden: "Der Bundesrat
ist volksverbunden!" Doch wird schnell ersichtlich, dass diese
Botschaft visuell nicht erfüllt wird. Etwas kann nicht stimmen. Bei
Kommunikationsprozessen spielt nämlich der Blickkontakt eine zentrale
Rolle. Er ist die Brücke zum Du. Da alle Bundesräte
in die Kamera schauen, sind sie nicht volks- sondern vielmehr kamera-
oder medienorientiert. Sie nehmen mit der Bevölkerung gar keinen
Kontakt auf. Sie sind nur im Volk abgebildet. Das Gruppenbild mit den
Bundesräten allein ist für mich aufschlussreicher: Es kann
mit den früheren Aufnahmen verglichen werden.
Obschon wir davon ausgehen können, dass auch diese Foto gestellt
und arrangiert wurde, fällt auf:
Bundesrat Leuenberger lacht diesmal - wie alle anderen - (was selten
der Fall war). Arrangiertes Lachen?
Die Hände werden von den meisten versteckt. Bei Merz und Schlumpf-
Widmer sogar hinter dem Rücken. Nur Calmy-Reys und Leuenbergers
Hände sagen das aus, wie bei analogen Aufnahmen: Bundesrat
Leuenbergers Hände wirken wie bei einem verlegenen linkischen
Musterschüler und Bundesrätin Calmy-Rey bildet mit den
verschränkten Armen eine "Barriere". Schutz vor....? Der Fotograf
posierte das immer dominierende Alphatier Couchepin so, dass er die
Gruppe nicht mehr mit seinem Kopf so dominant überragt. Dank
dem Aufnahmewinkel gelingt es den Machern, alle Köpfe auf
analoge Höhe zu bringen. Dennoch ist die Dominanz des neuen
Bundespräsidenten gut ersichtlich.
Nachtrag vom 3. Januar 08: Bundesrat des Volkes?
Pascal Strupler, der Generalsekretär des Bundespräsidenten hatte
die Idee für die neuen Bundesratsfoto. Ihm kam die Idee, nachdem er
das Spielbuch "Wo ist Walter?" gelesen hatte. Es wurde heute bekannt,
dass das Image eines Bundesrates, der sich - "unter das Volk mischt"-
gar nicht zutrifft. Die Statisten sind nämlich hauptsächlich
Mitarbeiter des Departementes des Innern, das heisst Leute aus dem Departement
des Bundespräsidenten. Es hat jedoch auch Bekannte der Fotographen
drauf. Für die EDI Statisten gab es kein Honorar. Alle anderen
erhielten 50 Franken. Damit hat sich der Bundesrat nicht - wie vermutet
- unters Volk gemischt. Was nun fest steht: Der Chef hat sich vielmehr
von seinen Mitarbeitenden einrahmen lassen. Von Lesern bekamen wir
bereits erste Echos. Jemand schreibt uns, der Bundesrat scheine sich auf
der gestellten Aufnahme ohne "Volk" gar nicht wohl zu fühlen. Alle
würden so steif dastehen. Im Grunde genommen nicht verwunderlich -
nach dem vielen hektischen Tagen der Auseinandersetzungen, Vorwürfe
und Kritik. Gibt es vielleicht Einzelne mit einem schlechten Gewissen?
Nachtrag 4. Januar 2008: Weltwoche Kommentar von Bodenmann:
Im der Weltwoche 1/08 haben wir folgenden amüsanten Kommentar
des früheren SP Präsidenten und Walliser Hoteliers
Peter Bodenmann gefunden.