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www.rhetorik.ch aktuell: (01. Nov, 2007)

Martina Hingis im Dopingverdacht

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Das '10 vor 10' vom 1. November 2007 zeigt die Pressekonferenz von Martina Hingis.
Dem ehemaligen Schweizer Tennis-Star Martina Hingis wird Doping mit Kokain vorgeworfen. Hingis trat umgehend vom Tennissport zurück.

Experten denken, dass die Tests sicher sind und die Haargegenprobe von Hingis nur regelmässigen Kokainkonsum nachweisen würde.

André Vonarburg, Athletenvertreter bei der Dopingbekämpfungsstelle von 'Swiss Olympic':

"Falls sie es genommen hat, dann aus Naivität. Die Labore arbeiten seriös. Wenn A- und B-Probe positiv sind, stellt sich schon die Frage, wie das Kokain in die Probe reingekommen ist."
Die Medienkonferenz schlug ein wie eine Bombe. Die Verlautbarung der weltbekannten Sportlerin, welche unter Tränen versicherte, sie hätte nicht bewusst Kokain genommen, wird in den Medien derzeit kontravers diskutiert.

Beobachtungsaufgabe: Falls Sie das "10 vor 10" Interview ansschauen:
  • Wie beurteilen Sie diesen Auftritt?
  • Ist die Aussage glaubwürdig?
  • Was sagen Sie zur Argumentation?
  • Wirkt Martina Hingis glaubwürdig?
  • Was finden Sie zur Stimme - der Stimmung, zu den Emotionen?
Tatsachen sind:
  • Kokainkonsum wurde bei Hingis zweifelsfrei nachgewiesen.
  • Ob die Sportlerin Opfer einer unbemerkten Verabreichung der Droge geworden ist, ist offen
  • Martina Hingis will angeblich nicht für Ihre Unschuld kämpfen und die Sache gerichtlich klären lassen. Sie erklärt, sie wolle sich nicht noch länger mit der Geschichte beschäftigen.


Bei verschiedenen Sportlern (Ulrich, McMahon. Camenzind usw.) konnte man analoge Situationen erleben. Zuerst gab es vehementes Dementieren. Am Schluss folgte dann jeweils das böse Erwachen. Die Öffentlichkeit nimmt deshalb heute Sportlerbehauptungen kritischer entgegen. Es wurde leider zu oft gelogen.
Folgende Fragen beschäftigen uns:
  • Weshalb gab die Top-Sportlerin so rasch klein bei und will nicht für Ihre angebliche Unschuld kämpfen? Beim Tennisspielen bewies sie stets ihr Durchstehvermögen. Warum jetzt nicht mehr, wenn es um die eigene Reputation geht. Dies ist sonderbar!
  • Warum hat sie die eigene Tennisvereinigung für Frauen (WTA) nicht orientiert? Der Verband erfuhr erstmal davon über die Medienkonferenz. Das ist unverständlich.
  • Weshalb orientierte Hingis nur die Sponsoren?
  • Weshalb lässt sie nach der Medienkonferenz keine Interviews zu? (Sie hätte bei jedem Interview bei verschiednen Medien die Chance gehabt, ihre Kernbotschhaft zu verbreiten - Jetzt gilt sie als "Blockiererin", die etwas zu verbergen hat.
  • Weshalb diese Soloaktion- diese Kurzschlusshandlung? In Krisen braucht es sofort externe Hilfe.
Was hätte Martina Hingis machen müssen?
  • Entweder für die Wahrheit kämpfen oder den Fehler zugeben ("Mea culpa"
  • Alle wichtigen Instanzen hätte sie vor der Medienkonferenz informieren müssen
  • Vor der Konferenz hätte sie eine Denkpause einschalten müssen, um sich auch fachgerechter beraten lassen zu können. Medienkonferenzen müssen immer sorgfältig geplant werden werden: Was ist die Dachbotschaft? Dass sie den eigenen Sportverband ausgeklammert hatte, ist nach unserem Dafürhalten suspekt.
  • Wenn schon eine Medienkonferenz. Dann dürfen die Juristen nicht als Medienberater eingesetzt werden. Die Interviewverweigerung ist kontraproduktiv und könnte Hingis noch zusätzlich schaden. Vermutungen und Gerüchten wurden damit Tür und Tor geöffnet.
Kommentar: Martina Hingis lebte seit früher Kindheit ausschliesslich in der Tenniswelt. Sie war ihr ganzes Leben in dieser Gesellschaft zu Hause. Das Leben bestand aus Training. Dass in dieser jungen Frau auch mal der Wunsch wach werden könnte, auszubrechen oder etwas nachzuholen, ist nachvollziehbar. In den Sportkreisen wird übrigens auch zwiespältig über den neuen Lebensgefährten gesprochen.

Die Interviewverweigerung kann dazu führen, dass nun die Gerüchteküche zu brodeln beginnt. Aus meiner Sicht war die gestrige Medienkonferenz ein unbedachter Schuss aus der Hüfte. Die Aktion war eine Kurzschlusshandlung und die haben meist negative Folgen - nicht nur in den Medien.


"Blick Online" Photo der Pressekonferenz

Blick: "Schock im Profitennis: Martina Hingis hat wegen eines von ihr bestrittenen Dopingverdachts ihren sofortigen Rücktritt bekannt gegeben. Die frühere Nummer 1 wurde in Wimbledon positiv auf Kokain getestet. Die 27-jährige Ostschweizerin gab an einer kurzfristig einberufenen Medienkonferenz in Glattbrugg bekannt, sie stehe unter dem Verdacht am diesjährigen Tennisturnier in Wimbledon mit Kokain gedopt zu haben. Sie bestritt den Vorwurf energisch, kündigte aber gleichzeitig ihren sofortigen Rücktritt vom Profitennis an."




Nachtrag zur überraschenden Medienkonferenz

Auch die NZZ am Sonntag vom 4. November wunderte sich über die überraschende Medienkonferenz im Zürcher Hotel, welche unter grösster Geheimhaltung vorbereitet worden war. Warum wurde selbst Turnierdirektor Beat Rischard erst 40 Minuten vor Beginn der Medienkonferenz informiert? Dann wird dargelegt, wie im Tennissport der Umgang mit Doping gehandhabt wird. Mit Kontrollen war man lange zu large. Die Topspielerin Chris Evert sagte, nachdem die Aussagen Hingis durch alle Medien gewirbelt waren: "Gar viele Athleten haben schon ihre Unschuld beteuert, bis die Wahrheit ans Licht gekommen ist."


Nachtrag vom 4. November: Martina Hingis Freund:

Wie nach 20 Minuten zu erfahren war, soll sich Martina Hingis mit ihrem ukrainischer Freund in Andalusien aufhalten um dem Medienrummel zu entgehen. Der 37-Jährige Freund soll vor drei Wochen in Brüssel verhaftet worden sein, weil beim ihm am Zoll 200'000 Euro sichergestellt worden sind.. Nach einer kurzen Inhaftierung habe man Hingis' Freund jedoch wieder auf freien Fuss gesetzt. Solche Geschichten demontieren Hingis Marke zusätzlich.


Nachtrag vom 7. November 2007: Doch Anfechtung der positiven Doping Probe?

Nach "Blick online" soll Manager Mario Widmer das angedeutet haben.




Nachtrag vom 15. November 2007: Unschuldsvermutung. (Quelle NZZ)

Das Dossier liegt zur Zeit beim Internationalen Verband, der innert maximal anderthalb Monaten darüber zu befinden hat, ob die Angelegenheit zum Doping-"Fall" wird. Gemäss Hingis' Manager Mario Widmer ist die Möglichkeit gross, dass die Akte fallengelassen wird. Sollte das nicht der Fall sein, kündigte Martina Hingis bereits an, nicht alle Rechtsmittel ausschöpfen zu wollen. Muss das denn nicht als Schuldeingeständnis interpretiert werden? So oder so in einem schlechten Licht.

Manager Mario Widmer versucht zu erklären: "Martina kann in der aktuellen Situation machen, was sie will, sie steht so oder so in einem schlechten Licht da. Ich selber habe ihr geraten, den Fall nicht weiterzuziehen (sollte es zu einem Fall kommen). Denn Martina verfügt nicht über die Ernsthaftigkeit, diesen Kampf konsequent auszufechten. Ihr ist die Sache am Schluss nicht so wichtig. Sie ist nichtein Mensch, der mit einer Bronzestatue verewigt werden will."

Kommentar: Eine Sportlerin, die unschuldig ist und in Wettkämpfen Biss gezeigt hat - zudem über Millionen verfügt, um teure Anwälte zu zahlen - müsste um den guten Ruf kämpfen. Ihr Verhalten klingt nach Schuldeingeständnis.

Die Dopingvorwürfe haben zweifellos den Rücktritt beschleunigt. Die Anschuldigungen werden auch in nächster Zeit Hingis' Leben prägen Ein erster Sponsor, der Waschmaschinenhersteller V-Zug, stoppte am Freitag alle Werbespots mit Hingis. Es ist anzunehmen, dass sie auch als Co-Kommentatorin oder Analytikerin bei TV-Stationen nicht mehr (wie nach dem ersten Rücktritt) gefragt sein wird. Und schliesslich wird sich Hingis wohl von Turnierplätzen fernhalten, um nicht Spielerinnen wie Amélie Mauresmo zu begegnen, denen sie einst selber Doping unterstellte.




Nachtrag vom 11. November 2007: Im Internetzeitalter werden solche bösartige Bilder verewigt und veralten nicht wie eine Tageszeitung.



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