Wer hätte im Juli gedacht, dass das Plakat mit den Schafen in der
politischen Werbung Geschichte schreiben wird. Das Bild mit den drei
weissen Schäfchen und dem schwarzen Schaf gehört heute zu
den bekanntesten politischen Plakaten. Kritisiert - gehasst - verstanden
und missverstanden ist es ein PR Phänomen. Sowohl Schweizer Bürger
als auch grössere Bevölkerungsgruppen im Ausland kennen
das Originalsujet der SVP oder eines der mutierten Plakate. Als
die ersten Plakate mit dem schwarzen Schaf im Juli aufgehängt
wurden, gab es keine negativen Reaktionen. Die NZZ schrieb sachlich:
"Das Sujet ist einprägsam wie einfach: Drei weisse Schafe befinden
sich friedlich auf rotem Grund neben dem Schweizerkreuz, während
ein schwarzes Schaf hinausbugsiert wird." Die SVP wolle nach dem
Parteipräsidenten "signalisieren, dass sie keineswegs pauschal die
Ausländer im Visier hat, sondern nur die kriminellen Ausländer
- die schwarzen Schafe - eben" und es heisst weiter: "Letztlich geht es
der SVP darum, nicht mehr weg-, sondern hinzuschauen." Lange herrschte
Stille im Blätterwald. Die Plakataktion schien galt als eine
"zu ruhige Kampagne" zu versanden. Der SVP Generalsekretär fand
schon im Frühjahr, die Grafik sei "zu unauffällig". Auch der
Massenversand zum 1. August brachte noch keine Protestaktionen. Der
Generalsekretär schien Recht zu haben.
Immer wieder erlebten wir das gleiche Phänomen: Proteste, Kritiker,
Demonstrationen, bei Karikaturen, umstrittenen Theateraufführungen,
Filmen oder Ausstellungen verhelfen den erwünschten Aufschwung
durch die Publizität. Ein Autor kann im Grunde genommen dankbar ist,
wenn sein Buch Ärger erregt. Dann ist der Verkauf garantiert. Den
Gegnern sei Dank. Beim Schäfchenplakat ging es mit der Bewegung
Mitte August auch so. Am 18. August übernahm zuerst die SP am Parteitag
das SVP Plakat und übernahm das Schäfchensujet mit dem Zitat:
Abzotteln SVP! (indem der "Zottel" d.h. der SVP Geissbock - mit einem
Blochergesicht versehen - ausgestossen wird). Die Aktion wurde zuerst
als kreativer geschickter
Schachzug bewertet. Die SP glaubte, den Gegner mit den eigenen Waffen
geschlagen zu haben. Dass der Konter zum Bumerang werden könnten,
ahnte die SP nicht.
SP Bundesrat Leuenberger hievte das SVP Plakat zusätzlich auf
Bundesratsebene, indem er verlauten liess, Sicherheit und Integration
schaffe die Schweiz nicht, wenn wir kurzerhand ein Viertel der
Bevölkerung als schwarze Schafe bezeichnen und sie mit Fusstritten
von unserem Schweizerkreuz lostreten. Schon damals wunderte ich mich,
dass ein Bundesrat alle Ausländer zu Kriminellen macht. Ich konnte
mir nicht vorstellen, dass ein Bundesrat den Text der Initiative nicht
gelesen hat und tatsächlich glaubt, dass mit dem schwarzen Schaf
alle Ausländer gemeint sein würden. Diese Fehlinterpretation
führte verständlicherweise zu einer grösseren
Diskussion und zu Schlagzeilen in den Medien. Dem nicht genug: Auch
die SP Bundespräsidentin sah im schwarzen Schaf ebenfalls alle
Ausländer und bezeichnete das Plakat als rassistisch. Damit wurde
eine Lawine losgetreten. Die Plakate wurden mit Hakenkreuzen versehen.
Es kam zu einer nationalen Schmieraktion. Diese Bilder wurden wiederum
publiziert. Das Schäfchenplakat wurde in der Öffentlichkeit
ausführlich thematisiert und diskutiert. Die deutsche rechtsextreme
NPD und die Jungsozialisten übernahmen das Urbild, indem sie das
Sujet im Internet - je nach Position - für ihre Zwecke abwandelten.
Mit dem Schritt über die Grenze nahmen die Schäfchen
internationale Dimensionen an.
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Der UNO-Sonderberichterstatter über Rassismus verlangte
den Rückzug des Plakates. Das Bild provoziere Rassen- und
Religionshass. Nach dieser Intervention ging es auf der internationalen
Bühne los: der "Independent" schrieb über die Schweiz vom "Herz
der Finsternis". Selbst die amerikanische Presse nahm die Thematik des
"Rassismus in der Schweiz" auf, nachdem der Schweizer Minister (Couchepin)
seinen SVP Kollegen mit Duce verglich. Obschon die Bundespräsidentin
die Kollegen eindringlich gebeten hatte, sich nicht mehr in den
Wahlkampf einzumischen, konnte sie es selbst nicht lassen. mit ihrer
Empörung öffentlich Luft zu verschaffen. Die Kritik an der SP
Veranstaltung wurde in der Tagesschau des Schweizer Fernsehens am 29.
September ausgestrahlt.
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Damit hatte die Bundespräsidentin ein weiteres Mal gegen die eigene
These verstossen. Bei der ersten Kritik sagte sie, die SVP ist die "am
wenigsten schweizerische Partei" und fügte bei: "Ich bin traurig
über die Kampagne, denn sie ruft zu Hass, zu Rassenhass auf". Das
paradoxe dabei sei, dass jene Partei, die das Schweizer Kreuz für
ihre Plakate verwende, die am wenigsten schweizerische sei. "Das ist
nicht die Schweiz".
An der Verlegertagung in Luzern vom 21. September 2007 hielt sich dann
Micheline Calmy-Rey ein weiteres Mal nicht an ihren Rat: Sie stellte
die SVP Kampagne wiederum in einem längeren Votum öffentlich
an den Pranger. Die militanaten SVP Gegner organisierten sich zum
Komitee "Schwarzes Schaf". Ein Schaf das wildschnaubend auf Plakaten
zu sehen war.
Der Werbeeffekt des "Schäfchenplakates" wurde dank der lautstarken
Kritik vervielfacht. Die Plakate wurden als abschreckendes Beispiel in den
Medien für die SVP zusätzlich gratis publiziert. Weil Bilder
stärker wirken als Worte, verfehlte das "Kultplakat der SVP"
die Wirkung nicht. Es war in aller Leute Mund. Die Angriffe haben
gewiss SVP Wähler mobilisiert. So wie die SP immer wieder in die
Blocherfalle lief, sind die Kritiker des Schäfchenplakates
in die SVP Falle getappt. Die SVP könnte den Zottel mit einem
weissen Schaf vertauschen. Die Schafe trugen wesentlich zur enormen
Medienpräsenz der Partei bei.
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