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www.rhetorik.ch aktuell: (06. Sep, 2007)

Staatsaffaire oder unheimliche Aktion?

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:


"Blick online" vom 6. September 2007
Am 5. September überstürzten sich die Ereignisse in den Medien. Zuerst trat die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vor die Medien mit dem angeblich unspektaklären Bericht "Uberprüfung der Funktion der Strafverfolgungsbehörden des Bundes." Dann wurde bekannt, dass der Bundesrat erstaunlicherweise einen juristischen Berater einsetzen werde, der ihm bei der Beurteilung des Berichtes unterstützen soll. Eine ungewöhnlicher Entscheid. Dann folgte der Eklat. Bevor die GPK ihren Bericht veröffentlichte, lud Christoph Blocher plötzlich zu einer aussergewöhnlichen Medienkonferenz ein. Gleichsam mit einer Vorwegnahmetaktik nahm er am frühen Abend vom 5. September Stellung zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfe rund um den Rücktritt des früheren Bundesanwaltes Valentin Rorschacher. Er bestritt vehement jeden Komplottverdacht. Für ihn sei alles ein "Hirngespinst " und ein "Ammenmärchen". Brisant war für die Journalisten, dass angeblich auf den vorliegenden Papieren die Initiale C.B. steht und somit vermutet werden müsse, dass ein Kreis von Politikern im Einverständnis des Justizminister den Rücktritt Rorschachers generalstabsmässig geplant und vorbereitet habe. Ungünstig für Christoph Blocher ist zudem der Umstand, dass Blocher in Zusammenhang mit dem Rücktritt Rorschachers schon einmal gerügt werden musste. Er hatte früher seine Kompetenzen überschritten. Sein Verhältnis zu Rorschacher war mehr als gespannt.


NZZ vom 6. September
Die Geschichte schlug im Wahlherbst wie eine Bombe ein. Sie könnte das politische Klima enorm beeinflussen. Obschon noch nichts bewiesen und geklärt ist, erstaunte es uns , dass ungeklärte Mutmassungen bereits so weitergegeben werden, als handle es sich um gesicherte Fakten. Für uns wird diese Geschichte von verschiedensten Seiten bestimmt noch publizistisch ausgeschlachtet werden. Die Gegner Blochers warten bestimmt in ihren Startlöchern. Eines ist sicher: Würde Christoph Blocher gelogen haben, so hätte er sich selbst demontiert. Könnte nachgewiesen werden, dass die Dokumente ein gezielte Aktion gegen Blocher sind, so würde nachträglich die SVP profitieren. Jedenfalls ist der Medienwirbel erst der Auftakt zu einer folgenschweren Geschichte.

Pressespiegel nach "20 Minuten":

Schweizer Zeitungen nehmen die Komplott-Andeutungen im Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates zur Absetzung von Bundesanwalt Valentin Roschacher vorsichtig auf.
  • Die "NZZ" vermutet, dass die Affaire um den Komplott gegen Roschacher politisch nicht so schnell ausgestanden sein dürfte. Die seit Tagen anhaltende Nervosität der Parteispitze zeige, dass die SVP die Sache ernst nimmt.
  • Der "Tagi" und der "Quotidien jurassien" sind überzeugt, dass der Bericht im Wahlkampf der SVP nützen wird, auch wenn Bundesrat Blocher schlecht wegkomme. Die Partie könne Blocher nun als Opfer einer Intrige darstellen und damit die Wählerschaft mobilisieren.
  • Auch "Berner Zeitung" und "La Liberté" glauben, dass sich Christoph Blocher und die SVP darin bestätigt fühlen, dass ein Geheimplan für die Abwahl Blochers im Dezember bestehe. Für die "Neue Luzerner Zeitung" ist offen, ob es sich um "Wahlkampfgetöse" handelt.
  • Für den "Bund" ist eine seriöse Diskussion noch nicht möglich. Die Situation sei spekulativ. Die politische Fairness verbiete es, die angebliche Verschwörung in die Erwägungen einzubeziehen, ob Blocher im Dezember wieder gewählt werden soll. Sollte es aber handfeste Beweise dafür geben, dass Blocher sein Amt als Justizminister tatsächlich missbraucht habe, müsse er zurücktreten
  • Der "Blick" wirft die Frage auf, ob das Roschacher-Komplott ein Justizskandal ist, der Blocher den Kopf kosten wird. Es stehe Aussage gegen Aussage. Das seien gefährliche Machtspiele, schreibt der Kommentator der "Basler Zeitung". Die Wahrheit müsse auf den Tisch, und zwar noch vor der Bundesratswahl am 12. Dezember.
  • Für die "Thurgauer Zeitung" tönen die Beschuldigungen im Bericht der GPK zwar abenteuerlich aber nicht unplausibel. "Die Umstände von Roschachers Rücktritt liessen durchaus ein Drehbuch im Hintergrund vermuten", heisst es in einem Kommentar.
  • Die "Südostschweiz" sieht in den Ereignissen vom Mittwoch "Eigendynamiken, die sonst nur in munteren Operetten aufzutreten pflegen". Die GPK müsse ihre Andeutungen zum Komplott so schnell wie möglich ausdeutschen. Sonst werde vor den Wahlen ein "unsägliches Parteien-Hickhack" die Szene beherrschen.
  • Für die "Mittelland Zeitung" beweist der Entscheid des Bundesrates, einen unabhängigen Rechtsberater einzusetzen, wie ernst die Landesregierung den GPK-Bericht nehme.
  • Die "24 Heures" fühlt sich an die Koppaffaire erinnert. Falls Blocher sich tatsächlich in Justizfälle eingemischt habe, "wird die Schweiz eine neue Affäre Kopp erleben" - nur "noch schlimmer, denn der Minister wird seine Beteiligung bis zum Schluss geleugnet haben".
  • Für den "Nouvelliste" ist bei dieser "Staatsaffäre" wie einst bei der "Affäre Kopp" zu befürchten, dass sie der Kontrolle der vernünftigen Politiker entwischt und zu einem gefunden Fressen für die Medien wird.


Nachtrag 6. September: SVP schlägt zurück, Quelle: "Heute" online:

Mit einer Liste, die alle Beteiligten des Roschacher-Komplotts aufzeigen soll, kontert heute die SVP. Darin tauchen die Namen der Bundesräte Doris Leuthard, Hans-Rudolf Merz und Samuel Schmid auf. Des weiteren enthält die Liste Namen von Nationalräten, einem Ständerat und Journalisten, die in den Fall verwickelt sein sollen.

"Das Material stammt von Oskar Holenweger"


sagt SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli, der auch auf der Liste steht. Nebst den Namen enthält die Liste Telefonnummern der betroffenen Personen sowie eine Spalte mit dem Betreff "Zielsetzung". Darin sind sogar für jeden Betroffenen Anweisungen notiert, was zu tun sei. Bei Journalist Markus Gisler steht zum Beispiel: "Orientierung Leuthard. Uebrige Stories Roschacher." Auf die Frage, warum bisher nur die Namen der SVP-Exponenten sowie des FDP-Mannes Filippo Leutenegger von der Geschäftsprüfungskommission publiziert worden sind, erklärt sich dies NR Mörgeli wie folgt:

"Der Feind will die SVP schwächen und unseren Bundesrat Christoph Blocher rausmobben."


Ob das Dokument und der Inhalt echt sind, muss zuerst geklärt werden. Nach der hetigen Tagesschau SF nutzte SP Präsident die Gunst der Stunde und verlangt, dass dem Justizminister die Aufsicht seines Departements entzogen wird. Begründung: Blocher könnte sonst Einfluss auf die Untersuchungen nehmen. Zuerst muss nun der Bundesrat den Bericht überprüfen und es wird sich zeigen, was es mit der Kritik an Bundesrat Blocher an sich hat. Dann wird es bis nach den Wahlen dauern, bis endlich abgeklärt ist, wie es mit dem Komplott genau gewesen ist. Je nach Belastung sind hinsichtlich der kommenden Wahlen zwei Optionen denkbar:
  1. Die SVP sieht sich bestärkt in ihrer Verschwörungstheorie. Sie wertet heute die Geschichte als deutliche Bestätigung, dass Blocher tatsächlich gemobbt wird und dies könnte die SVP Wähler stark moblilisieren. Es ist somit gut denkbar, dass vor allem die SVP von dem Wirbel profitiert.
  2. Würde jedoch die Dynamik durch eine zusätzliche Belastung Blochers Auftrieb erhalten, wäre aber auch vorstellbar, dass es im Parlament immer mehr rumort und letztlich Bundesrat Blocher als nicht mehr wählbar betrachtet wird. Diese Variante ist bis heute unwahrscheinlicher.


Nachtrag vom 7. September: Mörgeli presentiert Dokumente Quelle: 20 Minuten online SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli präsentierte am Donnerstag die Dokumente, welche die GPK vorgestern an ein Komplott gegen Ex-Bundesanwalt Valentin Roschacher denken liessen. Er habe sie am Montag vom Bankier Oskar Holenweger erhalten. Nationalrat Mörgeli, der das auf den ersten Blick doch recht brisant erscheinenden Papiere als "lächerlich" tituliert, nutzte den Wissensvorsprung weidlich aus, um die Kommission zu diskreditieren. Die musste nämlich nach der ersten indirekten Sichtung der Dokumente tatsächlich von einer staatspolitischen Relevanz und Tragweite ausgehen.




Auf dem H-Plan (H steht für den 1. Juni 2006) stehen die Telefonnummern der Nationalräte Mörgeli, Filippo Leutenegger Alexander Baumann, der Ständeräte Carlo Schmid und Fritz Schiesser sowie der Journalisten Otto C. Honegger, Hansjörg Utz und Urs Leuthard. Es existierte also tatsächlich ein "Geheimplan" gegen den Bundesanwalt Valentin Roschacher, den Bankier Holenweger entworfen hatte. Die Frage ist jetzt nur, ob der Plan so geheim war, dass ausser Holenweger niemand davon wusste und sich der Verdacht in Luft auflöst.

Für die SVP ist der H-Plan kein Verschwörungskonzept, sondern eine Telefonliste. Die Flipcharts seien "grafische Lageanalysen eines verbitterten Generalstabsobersten, dessen Ehre und Bank von der Bundesanwaltschaft zerstört worden seien". GPK-Mitglieder hätten mittels Holenwegers Notizen Justizminister Blocher "volldreckeln" wollen.

Die Einschätzung der GPK nach dem plötzlichen Vorliegen der Dokumente ist noch nicht bekannt. Für die "NZZ" ist die Komplott-Theorie nach Vorliegen Holenwegers Notizen vom Tisch:

"Was eben noch wie eine mögliche Sensation aussah, liegt am nächsten Tag bereits als zerplatzter Ballon auf dem politischen Parkett".


Aus dem Komplott sei eine Schmierenkomödie geworden.




Fortsetzung.

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