Nach einem langen Trauerspiel konnte
Bundespräsidentin Calmy-Rey und Nationalratspräsidentin
Christine Egersegi-Obrist
- dank privater Sponsoren - doch noch auf der Rütliwiese reden.
Die Eroberung des Rütlis durch die Frauen wurde von allen Medien mit
grösster Aufmerksamkeit mitverfolgt. Vor allem interessierten
sich Beobachter, ob die Feier ungestört durchgeführt werden
kann. Auch wir wollten wissen, welche Botschaften vermittelt wurden.
Was meint ein Historiker?
Nach Ansicht des Historikers Urs Altermatt müsste künftig
der Bund eine nationale Feier organisieren - sonst würde sich das
heurige "Seldwyla-Theater" jedes Jahr wiederholen.
"Wir sind dieses Jahr bezüglich der Rütli-Feier vollends in die
Sackgasse gefahren, denn die verschiedenen Interessen sind schlicht nicht
mehr vereinbar."
sagte Altermatt in einem Interview mit der "Mittelland
Zeitung" und der "Südostschweiz".
Die Rechtsradikalen wollten wieder aufs Rütli. Aber auch die
Bundespräsidentin. Der Bundesrat sträubte sich zwar gegen eine
nationale Feier, und die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft
war mit der Organisation überfordert. Die Vorgeschichte wurde
zu einem "helvetischen Trauerspiel".
Nach Altermatt sind die verschiedenen Interessen, die in diesem
Zusammenhang eine Rolle gespielt hätten, nicht mehr miteinander
vereinbar. Die beteiligten Kreise mussten dieses Jahr "vollends in eine
Sackgasse" fahren.
Nach Altermatt müsste künftig auf dem Rütli jedes Jahr
eine schlichte Bundesfeier für alle durchgeführt werden. Die
heutige Finanzierung für die erwarteten Sicherheitskosten durch
private Unternehmer sei für die Schweiz aber auch als Vorgehen
lächerlich.
Urs Altermatt teilt damit unsere Meinung. Er findet, dass so eine Feier
nicht den Dienst ausgewählter Bevölkerungsgruppen gestellt
werden dürfte.
Nachdem diesem Jahr mit den Frauen als Bevölkerungsgruppe besonders
hervorgehoben werde (Feier der Frauen für die Frauen), besteht
die Gefahr, dass auch künftig einzelne Gruppen besonders
berücksichtigt werden wollen. "Dies fände ich keine gute
Entwicklung. Es soll ein Fest für alle bleiben", betonte Altermatt.
Zur Stimme der AUNS
Die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz AUNS
kritisierte im Vorfeld den Missbrauch des Rütli für
parteipolitische Zwecke und seine Instrumentalisierung für
feministische oder andere Demonstrationen.
Die AUNS halte es mit der liberalen Ex-Nationalrätin Suzette Sandoz
die mit Blick auf Bundespräsidentin Calmy-Rey unmissverständlich
gesagt habe: "Der 1. August darf nicht für persönliche Anliegen
und Ego-Pflege benützt werden."
Das Rütli soll als zentrales Symbol unserer Freiheit und
Unabhängigkeit wieder allen Bürgerinnen und Bürgern offen
stehe - und zwar über das ganze Jahr.
Ausländische Medien machen sich über das seltsame
eidgenössische Sommertheater lustig und reiben sich die Augen
angesichts der politischen Fronten, die völlig quer zur nationalen
Ideengeschichte verlaufen: Nach den rechtsextremen Pöblern
drängten sich nun ausgerechnet die Frauenorganisationen auf unter
Anführung der SP-Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey, in
ihrem Schlepptau die Ringier-Blätter sowie die versammelte linke
Intelligentsia aufs Rütli, darunter mancher Alt-Achtundsechziger,
der sich einst mit Max Frisch - "Wilhelm Tell für die Schule" - an
der Verspottung der Schiller'schen Tell-Saga ergötzt hatte. Auf
der anderen, der üblicherweise von Patriotismus strotzenden
rechten Gegenseite schmollt vor allem die SVP. Sie versuchte mit
anderen Rechtsbürgerlichen die diesjährige Rütlifeier
zu hintertreiben. Die SVP koppelte den 1. August im Gegenzug mit einer
Vaterlands-Reinigungs-aktion der besonderen Art: Sie liess pünktlich
zum Geburtstag unserer Heimat Unterschriftenbögen für eine
"Volksinitiative für die Ausschaffung krimineller Ausländer"
in jeden Briefkasten flattern.
Das Rütli ist seit Jahrhunderten die grösste
Projektionsfläche der Schweiz und der Schweizer; der Ort, wo
die Schweiz erfunden worden ist, die "Wiege der Eidgenossenschaft",
die "Essenz" der Landschaft Tells", schreibt Barbara Piatti im
Jubiläums-Anhang zur Reclam-"Wilhelm Tell"-Ausgabe aus Anlass der
Freilichtaufführung auf dem Rütli im Jubiläumsjahr 2004.
Der Polarisierungstrend rund ums Rütli hat nicht erst 2007
begonnen. Die Rütlikommission unter der von Profilneurosen nicht
freien Alt-Nationalrätin Judith Stamm hatte schon im vergangenen
Jahr den eher zweifelhaften Beschluss gefasst, mit Markus Rauh einen
besonders aktiven Abstimmungskämpfer gegen das neue Asylgesetz zu
engagieren. Der Festredner nahm prompt die Gelegenheit wahr, ziemlich
unverblümt Stellung zum bevorstehenden Urnengang zu beziehen.
Der Streit ums Rütli lenkte im Grunde genommen von den wahren
Problemen des Landes ab.
Unsere politischen Akteure sollten sich diesen Herbst besser auf einen
anderen Kampf einstellen, den sie noch längst nicht gewonnen haben:
jenen um die Wiedererlangung der Glaubwürdigkeit bei unseren
Bürgerinnen und Bürgern.
"Schlacht" mit Gummiboot?
Am 1. August starrten alle aufs Rütli. Die Medien waren präsent und
es zeigte sich, dass es zu keinen nennenswerten Zwischenfällen
kam. Rechtextreme versuchten zwar mit Gummibooten in zwei
Staffeln das Rütli anzupaddeln. Doch die Polizei fing sie ab.
Der "Blick" schrieb in einem Artikel
"Stacheldraht ums Rütli von einer
"richtigen Seeschlacht" auf dem Vierwaldstättersee.
Die "Schlacht" fand mit ein paar Gummibooten mit paddelnden PNOS
Aktivisten statt, die an ihrer dilletantische Überfahrt mit
Wasserwerfer gestoppt wurden.
Vom angekündigten Rapper, der das Rütli stürmen wollte,
war nichts mehr zu hören. Die beiden Rednerinnen konnten ihre
Botschaft ungestört verkünden.
Bereits am Vortag sprach
Christoph Blocher über die Volksrechte die den Völkerrechten
nicht untergeordnet werden dürfen. Er wollte mit seiner Rede,
die er im Internet veröffentlichte, der Kollegin ihrem Auftritt
etwas entgegensetzen. Bundespräsidentin Calmy- Reys Gedanken machten
deutlich, dass bei der Frage "Gewichtung Volksrechte - Völkerrechte"
der grösste Dissens besteht.
Der Graben wird deutlich, wenn man
die verschiedenen 1. Augustreden vergleicht.
Auf der einen Seite von einer Schweiz geredet wird, die weltoffen ist und
sich nicht mehr abkapseln kann. Es ist die Rede von einer Schweiz, die
sich den völkerrechtlichen Bestimmungen unterordnen muss. Das
Volk darf sich nicht über internationales Recht hinwegsetzen. Dies
Volksrechte haben sich dem Völkerecht unterzuordnen.
Auf der anderen Seite die Unabhängigkeit, die
Neutralität und Selbstbestimmung oberste Priorität hat und auch in einer
globalisierten Welt nie geopfert werden darf.
In einer 1. Augustrede in Schaffhausen war zu hören, dass
in Deutschland heute bereits 84% der Gesetze in Brüssel gemacht werden
und das Parlament nichts mehr dazu zu sagen habe.
In der Schweiz dürfe es nicht soweit kommen, dass
über die Köpfe des Volks hinweg politisiert werden kann und
uns Richter sagen, was das Volk bestimmen darf.
Es ist kaum denkbar, dass sich die zwei konträren Positionen
unter einen Hut bringen lassen. Der Graben zwischen den beiden Meinungen ist
wahrscheinlich viel tiefer als der Röstigraben. Vermutlich bieten
die 1. Augustreden genügend Stoff, um im Wahljahr auf jeder
Seite Kapital zu schlagen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich keine
Seite der anderen etwas schuldig bleiben wird.
Reflexion
Der 1. August ist gleichsam der Geburtstag der Schweiz. An einem
Geburtstag dürfen wir stolz auf die Erfolge zurückblicken und es
ist auch zulässig, an diesem Tag die Erfolge der Eidgenossenschaft
zu feiern. Der erste August darf aber auch ein Tag der Besinnung
sein. Doch sollte stets genügend Raum da sein für einem gesunden
Patriotismus. Was uns störte, dass das Rütli und viele Reden
eher einem politischen Gezänke gleichkam, anstatt über echte
politische Anliegen de Landes zu reflektieren.
Ein Detail
Ursula Koch machte Mitte der achziger Jahre noch Schlagzeilen, als sie
Ihren Amtseid nach der Wahl in den Kantonsrat nicht aufs "Vaterland"
sondern auf das "Mutterland" leistete. Micheline Calmy-Rey sorgte
hingegen für keinen Medienwirbel mehr, als sie bei der Vereidigung
zur Bundesrätin bewusst die Hände nicht zum Schwur erhob (es
wirkte wie eine Verweigerung). Nachdem die Bundespräsidentin vor
wenigen Tagen auch Ihren den Verzicht auf die Intonation der Landehymne
damit begründete, sie habe bereits am Fernsehen gesungen. Sie
möchte nicht nochmals singen, wurde diese Antwort akzeptiert. Aus
meiner Sicht gibt es jedoch zu denken, wenn für eine Schweizer
Magistratin ein französische Chanson wichtiger ist als die eigene
Landeshymne. Deshalb müsste sich die populäre Politikerin
nicht wundern, wenn man ihr zuschreibt, sie hätte im Umgang mit
Patriotismus mehr Mühe als im Umgang mit weltoffenen Projekten.
Doch weil auf dem Handy der Bundespräsidentin
als Klingelton die Landeshymne zu hören ist, kann ihr hinsichtlich
Patriotismus gewiss nichts vorgeworfen werden.
Politischer Zusammenhang
Der Neuenburger Politologe Antoine Chollet schreibt in "swissinfo"
treffend::
Man muss das Seilziehen ums Rütli in einen politischen
Zusammenhang setzen. Die Initiative Micheline Calmy-Rey's hat taktische
Hintergründe, und sie hat damit Erfolg: Sie schlug die SVP auf
deren eigenem Terrain.
Gleichzeitig erobert sie auch nationalistische Stereotypien der Schweiz
für die SP zurück. Das ist für eine Sozialdemokratin,
die erst noch Bundespräsidentin ist, erstaunlich.
Damit war unsere Prognose richtig: Für Micheline Calmy-Rey hat es
sich gelohnt, den Kopf durchzusetzen. Sie hatte nichts zu verlieren. Sie
konnte nur gewinnen. Micheline Calmy-Rey hatte ein Heimspiel. Vor dem "eigenen"
Publikum wurde sie wie ein Star gefeiert.
Rund ein Dutzend Glatzköpfe hatten sich zwar Tickets besorgen
können und so offiziell Zutritt verschafft. Sie verhielten sich
aber ruhig; erst nach Ende der Feier hievten sie ihre Fahnen und
sangen die alte Schweizer Landeshymne. Aufregung kam erst auf, als
bei Feier-Ende eine Sprengkörper mitten in der Wiese detonierte,
dort, wo zuvor noch Besucher und Kinder gesessen hatten. Verletzt wurde
glücklicherweise niemand. Dennoch lasen wir im Blätterwald: Die
Feier sei ohne Störungen über die Bühne gegangen. Vielleicht
weil die dilletantischen Gummibootattacken problemlos abgefangen werden
konnten.
Pressestimmen
Swissinfo schreibt:
Der Neuenburger Politikwissenschafter Antoine Chollet interpretiert
den Gang Calmy-Reys aufs Rütli als Versuch, den Patriotismus aus den
Fängen der politischen Rechten zurück zu erobern. Das scheint
ihr gelungen zu sein.
Antoine Chollet: Man muss das Seilziehen in einen politischen
Zusammenhang setzen. Die Initiative Micheline Calmy-Rey's hat taktische
Hintergründe, und sie hat damit Erfolg: Sie schlug die SVP auf
deren eigenem Terrain.
Es gelang ihr auch, nationalistische Stereotypien der Schweiz
zurückzuerobern. Das ist für eine Sozialdemokratin, die erst
noch Bundespräsidentin ist, erstaunlich.
Tatsächlich war der Schachzug raffiniert: Die SP
Bundespräsidentin polsterte ihren Auftritt geschickt in viel
patriotische Folklore (Fahnenschwinger, Alphornbläser, Landeshymne)
und lieferte eigentlich mit den Attributen, welche die SVP meist für
sich beansprucht hatten, mit dem "Gegner" ein Duell. Und dazu noch auf
einem symbolträchtigen Ort, das den "Rechten" heilig ist. Für
das Rütli und die Tellgeschichte konnten sich bislang die linke
Seite nie erwärmen.
Die NZZ vom 2. August titelte:
"Das Rütli einmal feminin und universalistisch."
Calmy-Rey als Star
Wie prognostiziert steht nun Micheline Calmy-Rey als die grosse Siegerin
da. Sie wurde wie ein Star gefeiert. Sie vermochte der SVP einen Schlag zu
versetzen und den Frauengipfel gegen alle Widerstände durchboxen.
Ihre pointierten Botschaften konnte sie somit auch medienwirksam
"verkaufen". So erinnerte Calmy-Rey daran, dass es die von vielen Einwanderern
bereicherte Vielfältigkeit der Schweiz zu schützen
gilt und sie forderte auch mehr Frauen an den Chefetagen. Auch
Leitgedanken wie: Integration, Pluralismus, Multikulturalität
wurde unterstrichen. Calmy-Rey war nicht einverstanden, dass
kriminelle Ausländer wieder ausgeschafft werden und nahm damit
als Bundespräsidentin eindeutig Stellung gegen eine Initiative
der SVP. Ob die breite Bevölkerung an der Urne diese Thesen
unterstützen, ist gewiss eine andere Frage.
Youtube
Auch per YouTube konnte der Rütlianlass mitverfolgt werden.
Leuenbergers Worte
Was Moritz Leuenberger in seiner 1. August-Ansprache gesagt hatte:
"Ich wurde gefragt, ob ich nicht auch auf das Rütli komme. Nein,
ich wollte nicht auf das Rütli. Ich bin lieber an einem Ort,
wo alle kommen können und nicht Eintrittskarten verlost werden
müssen. Ich komme lieber an einen Ort, wo es nicht interkantonale
Verhandlungen für die Feier benötigt. Ich komme lieber an
eine Feier, die nicht ein Uhrenindustrieller sponsern muss, damit die
Sicherheit gewährleistet ist. Ich komme lieber an einen Ort, wo es
keine Bodyguards braucht. Gewiss, das Rütli hat eine symbolische
Bedeutung für unser Land. Ich habe als Bundespräsident meinen
Gast Vaclav Havel dorthin geführt. Dennoch ist das Rütli nicht
das exklusive Zentrum für Schweizerischen Patriotismus, obwohl
jetzt die meisten Journalisten und Fernsehstationen mit ihren Kameras
über den Vierwaldstättersee zur gleichen Wiese pilgern, alle
in der Hoffnung, es ergebe sich etwas Aussergewöhnliches für
süffige Schlagzeilen oder Bilder. Das Wesen des 1. August besteht
nicht in einer nationalen Zentralfeier, sondern in der Vielfalt. In
Hunderten von Dörfern wird heute gefeiert, und jedes Dorf tut es
auf seine Weise, in seiner eigenen Tradition. ... Diese Dorffeiern haben
viel mehr mit dem Wesen der Schweiz zu tun als der laute Rummelplatz
auf dem Rütli."
Nachtrag vom 4. August 2007: Immer noch keine Ruhe auf dem Rütli
Der Tagesanzeiger-online vom 4.August meinte:
Das Aufatmen nach der Rütlifeier und dem Sprengstoffanschlag
(ferngezündete vergrabene Feuerwerkskörper) war von kurzer
Dauer. Die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) rief ihre
Gesinnungsgenossen dazu auf, am kommenden Sonntag aufs Rütli zu
strömen. "Es ist Zeit für einen weiteren Schlag gegen die
Etablierten", teilte die Pnos mit. Auf dem Rütli sollen Würste
gebraten und zwei Reden gehalten werden. Sollte die Polizei das Vorhaben
erneut unterbinden, will die Pnos "jedes Wochenende einen Aufruf machen,
bis dem ausgeweideten Staatsskelett das Moos ausgeht". Damit schaffen
sich die frustrierten PNOS erneut Medienpräsenz.
Obschon Anlässe mit mehr als 50 Personen bewilligungspflichtig
wären und Veranstaltungen politischer Parteien nicht geduldet sind,
wird sehr wahrscheinlich die Polizei nicht eingreifen.
Die Gemeinnützige Gesellschaft und die Organisatorinnen
des "Frauengipfels" werden sich wohl damit abfinden müssen,
dass sich die Pnos am Sonntag um die Nutzungsbestimmungen foutieren
können. Die Urner Polizei sieht jedenfalls keinen Anlass, das
Rütli erneut abzusperren. "Das Rütli ist frei begehbar,
und es findet keine Feier statt, die wir schützen müssten",
erklärt Sicherheitsdirektor Josef Dittli. Die Polizei werde
ohne Grossaufgebot vor Ort sein und allenfalls Personenkontrollen
vornehmen. "Wer sich nicht an die Nutzungsbestimmungen hält, muss
aber mit einer Verzeigung rechnen", sagte Dittli.
Kommentar:
Nachdem die PNOS mit ihren Gummibötchen ein jämmerliches
Bild abgegeben hatten, könnten sie es mit der Nachfeier doch
noch schaffen, dass sie sich sich doch noch medial ins Rampenlicht
stellen können. Die Medien könnten das "Widerstands-Bräteln"
am kommenden Sonntag doch noch mitverfolgen und die Botschaften der
Rechtsextremen dank der Medienpräsenz multiplizieren.
An der Nachfeier, beim "Bräteln des nationalen Widerstandes"
werden zwei Reden auf Deutsch und Französisch gehalten. Der
Multiplikationseffekt wäre wie beim "Frauengipfel" garantiert. Das
Rütli-Drama scheint somit immer noch kein Ende zu finden.
Nachtrag vom 5. August 2007: Rechtsradiakle auf dem Rütli:
Die Fortsetzungsgeschichte d.h.die Nachfeier der
Rechtsradikalen führte auch noch zu Medienechos.
20 Minuten:
Hunderte von Nazis auf dem Rütli
Die Bundesfeier der Rechtsradikalen ist ruhig und ohne Zwischenfälle
über die Rütliwiese gegangen. Zwei Redner ergriffen in
französischer und deutscher Sprache das Wort. Zurzeit verlassen
die Teilnehmer der Feier das Rütli individuell.
In französischer Sprache wandte sich Philippe Brennenstuhl an die
Teilnehmer der Bundesfeier der Partei National Orientierter Schweizer
(PNOS). Er hielt einen geschichtlichen Rückblick, warnte vor dem
Ausverkauf der Heimat und vor fremden Richtern.
Der andere Sprecher, lediglich unter dem Namen Renato, lobte Brennenstuhl
als Vorbild für Jung und Alt. Er kritisierte vor allem die heutige
Regierung der Schweiz, die das Land in eine verhängnisvolle Zukunft
führe. Auch die Medien, die eigentlich das Land beherrschten,
griff der Redner an.
Die Teilnehmer der Feier wurden aufgerufen, sich auf dem Rückweg
friedlich zu verhalten, nicht zu demonstrieren und in Brunnen auf dem
Trottoir zu laufen.
Neben jenen, die mit dem Sonderschiff zum Rütli gefahren waren,
hatten einige wenige auch den Fussweg zur Wiese genommen. Neben den
Rechtsradikalen hielten sich am Nachmittag auch etwa hundert Passanten
auf dem Rütli auf. Sie gingen nach dem Aufmarsch der Rechtsradikalen
auf Distanz.
Kommentar: Für die Medien war dieser Anlass gewiss nicht mehr
so spektakulär. Actions fehlten: Keine Schlägereien mit
Linksradikalen. Keine Auseinandersetzung mit der Polizei. Bilder
fehlen. Ob das Image der Pnos durch diesen sanften Auftritt
positiv beeinflusst werden konnte, ist offen. Ich vermute, dass die
Rechtsradikalen diese Nachfeier zu einer Tradition ausbauen könnten,
falls ihnen der Zutritt zum Rütli auch künftig verwehrt bleiben
sollte. Uebrigens: Auch die Linksextremen blieben vernünftig,
indem sie auf eine Konfrontation verzichtet hatten.
Nachtrag vom 6. August: Rechtsextreme und die Medien
Blick schreibt ausführlich über das Treffen der PNOS
und bemerkt, die Veranstaltung sei ohne Beachtung
durchgeführt worden. Wenn jedoch alle Medien über den
"internen"Anlass ausführlich schreiben und den Inhalt der Reden
kolportieren, dann komme dies einem riesigen Publikumsaufmarsch gleich.
Die Rechtsradikalen haben auch ohne Publikum die Aufmerksamkeit nutzen
können, die ihnen die monatelange Rütli-Debatte beschert
hat. Nachdem ihnen der Zutritt zum Rütli am 1. August noch
verwehrt worden war, verstanden sie es, sich gestern ihrerseits auf der
Rütlibühne darzustellen und sie wurden dabei beachtet. Begleitet
von den Medien fuhren am frühen Sonntagnachmittag rund 300
Rechtsradikale mit einem Sonderschiff von Brunnen zum Rütli.
Dort hatte die Partei national orientierter Schweizer (Pnos) zu einem
"Bräteln des nationalen Widerstandes" aufgerufen. Einige wenige
kamen zu Fuss auf die Wiese.
Die Polizei sah keinen Grund, die Rechtsradikalen am Zugang zum Rütli
zu hindern. Einschreiten kann die Polizei nur, wenn Straftatbestände,
etwa gegen die Antirassismusstrafnorm, vorliegen.
Auch die Rütlikommission, die das Rütli verwaltet, sah keine
rechtliche Handhabe, um die Feier zu verhindern. Zwar gebe es eine
"Hausordnung", die für Anlässe mit mehr als 50 Personen eine
Anmeldung verlange, sagte Kommissionssprecher Martin Hofer. Zudem werde
das Rütli politischen Parteien aus Tradition nicht zur Verfügung
gestellt. Die Rütlikommission wertete den Aufmarsch der Pnos zwar als
"Missbrauch der Freiheit", sah aber von einem Eingreifen ab. Laut Hofer
ist es fraglich, ob die Hausordnung vor einem Richter Bestand hätte.