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www.rhetorik.ch aktuell: (20. Feb, 2007)

Medienkritik ja - aber nicht so!

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Im Sonntagsblick- Magazin "SIE+ ER" (Nr.7 /07) wurden unter dem Titel "Tatort Mattscheibe" Sendungen und Moderatoren kritisiert. Gegen Medienkritik ist nichts einzuwenden. Kritisieren darf jeder. Selbst persönlich gefärbte, pointierte Meinungen sind erlaubt. Acht Kritiker des Magazin- Beitrages zeichneten leider ihre eigenen Aussagen nicht und verfälschten sogar ein Zitat. Dies zeugt nicht von professionellem Journalismus.


Zur Meinung stehen!

Im erwähnten "SIE + ER" Beitrag werden unterschiedlichste Sendungen und Moderatoren des Schweizer Fernsehens beurteilt und kritisiert. Unter anderen wurden Swen Epinay, Daniela Lager Aeschbi mit deutlichen Kommentaren beurteilt (verurteilt?). Es ist in in diesem längeren Artikel (acht Seiten!) nicht ersichtlich, wer welchen Kommentar verfasst hat. Zwar unterzeichnen acht Autoren gemeinsam : Helmut-Mario Glogger, Sandro Brotz, Gabrielle Kleiner, Claudia Langenegger, Stephanie Ringel, Franco Siegfried, Stefan Thomi, Sabine Eva Wittwer, doch bleibt unklar:
  • Haben alle alles geschrieben?
  • Wer hat welche Beurteilung verfasst?
  • Wer hat wen kritisiert?
Wurden die persönlichen Beurteilungen nachher vom Autorenteam abgesegnet? Da gewisse Fakten nicht stimmen (darüber später), wissen wir nicht, wer vom Team unseriös gearbeitet hat. Sicherlich nicht alle. Jeder Verfasser einer Medienkritik muss persönlich zu seiner Aussage stehen dürfen. Da jedoch alle gemeinsam unterzeichnet haben, kann sich nun jede der acht Personen hinter dem Autorenteam verstecken. Die Frage ist berechtigt: Warum durften die Autoren nicht zu ihrem eigenen Textteil stehen?

Bei einer Kritik müssen vor allem die Fakten stimmen

Die Problematik dieses "Versteckspiels" wird bewusst, wenn es um fachliche Unzulänglichkeiten geht. Gegen persönliche Meinungen oder subjektive Urteile ist nichts einzuwenden. Wenn jedoch Zitate nicht stimmen, wird es problematisch. So wurde beispielsweise der Tagesschaumoderator Franz Fischlin falsch zitiert (wortwörtlich steht im SIE+ER Text):

"Interessant auch, wie "Tagesschau"- Ansager Franz Fischlin einen Beitrag zum dräunenden Thema "Sterblichkeit im Februar" mit den gesetzten Worten einleitet: "Das gemässigte Klima in der Schweiz hat Auswirkungen auf die Mortalität". Ein absoluter Aufsteller zu besten Sendezeit."


Ich habe mir die Mühe gemacht und den betreffenden Tagesschau-Beitrag im Archiv des Schweizer Fernsehens angeschaut. Franz Fischlin's Moderation gemäss Beleg:

"Wenn im Winter die Grippewelle so richtig anrollt und wenn es im Sommer besonders heiss ist, dann kann das, besonders für ältere Menschen, tödlich sein. Nun, der Sommer im letzten Jahr war zwar heiss, aber überraschenderweise hat sich das nicht auf die Zahl der Todesfälle ausgewirkt. (Dann folgte eine Grafik) Insgesamt starben letztes Jahr 59'609 Menschen, das sind rund 800 weniger als im Durchschnitt der letzten Jahre. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Grippeviren letztes Jahr weniger aggressiv und die Wintermonate recht mild waren."


Der zitierte Moderations-Satz mit dem Fremdwort "Mortalität" existiert also nur in der Erinnerung der SIE+ER-Autoren. Von einem Journalisten, der andere Journalisten kritisiert, dürfte eigentlich mehr Genauigkeit erwartet werden.

Im erwähnten Beitrag steht ferner bei Roman Kilchsperger:

"Zielt er zur Primetime mal unter die Gürtellinie - schon wird er von den TV-Bürokraten gedeckelt."


Auch bei dieser Bemerkung hätte mich ebenfalls interessiert, wer diesen fragwürdigen Satz geschrieben hat. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das ganze "SIE+ER" Autorenteam wünscht, dass Kilchsperger - analog Bohlens "Exekutionsrhetorik" - während der Primetime vermehrt Aussagen "unter der Gürtellinie" machen und dies auch noch vom Schweizer Fernsehen honoriert werden sollte.

Fazit: Nichts gegen Medienkritiken. Doch müssen Kritiker den Mut haben, persönlich zu ihren Texten zu stehen. Die acht Autoren hätten unbedingt ihren Beitrag zeichnen müssen. Wer kritisiert, darf nicht falsch zitieren. Wenn nachträglich eindeutig belegt werden kann, dass ein Medienkritiker ein Zitat manipuliert, beeinträchtigt er die Glaubwürdigkeit des ganzen Beitrages und in unserem Beispiel auch noch die Glaubwürdigkeit des ganzen Autorenteams. Ich bin überzeugt, dass der Chefredakteur - falls er davon erfährt - diese Unzulänglichkeiten nicht tolerieren wird.

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