Die "NZZ am Sonntag" titelte am 10. September die
Unterhaltungssendung der Miss Schweizwahl am Samstagabend mit den Worten:
Da wir verschiedentlich die rhetorischen Fähigkeiten ehemaliger
Kandidatinnen vor und nach der Schlussrunde kommentiert hatten, verfolgten
wir auch dieses Jahr die rhetorische Prüfungen im "Schlussspurt".
Bei der zweitletzten Fragerunde (mit Fragen aus einem Katalog, der
vorgängig bekannt war) interessierte uns das Verhalten und die
Antworten der sechs Kandidatinnen weniges als die letzte Befragung.
Bei den bekannten Fragen vermuten wir, dass Berater die Fragerunde
vorbereitet hatten. Es mussten Coachs Einfluss genommen haben, die
auch Politiker trainieren, um gewählt zu werden. Die Taktik war
nämlich bei allen gleich. Als hätte man geraten, möglichst
vage plausible Sätze zu sagen, die überall gut ankommen.
- So wollte eine Kandidatin einen Bauernhof renovieren, um zu
beweisen, dass sie nicht nur schön ist.
- Eine andere Kandidatin fand die eigene Familie das wichtigste
in ihrem Leben.
- Analog den Worthülsen gewisser Sportler wollte eine Teilnehmerin ihr
Ziel erreichen, indem sie "das Beste gibt" und "nie aufgeben werde".
- Lebensqualität definierte die Kandidatin aus Zug wie folgt:
Lebensqualität ist wenn man gibt. Das was man gibt kommt positiv
zurück.
Diese einfachen Antworten, die vorbereiten werden konnten, waren
alle zu trivial und entbehrten jeglicher Stimulanz. Politiker sollten
für eine künftige Miss Schweiz kein rhetorisches Vorbild
sein. Denn Politiker eignen sich die Hohlformeln bewusst an, um
nirgends anzücken. Für angehende Parlamentarier bewährt
sich sich die "Quasselrhetorik". Sie verhilft ihnen meist zum
Wahlerfolg. Was für Politiker gilt, gilt nicht für angehende
Schönheitsköniginnen. Berater müssten den Frauen bewusst
machen, dass auch mit einer farbigen, konkreten, stimulierenden Antwort
gepunktet werden kann. Möglicherweise wurden den Kandidatinnen auch
von humorvollen Antworten abgeraten.
In der Schlussrunde wurde dann den letzten drei jungen,
hübschesten Frauen einzeln die gleiche Frage gestellt. Es wurde
vor der Prüfung sichergestellt, dass niemand die Antworten der
Konkurrentinnen mithören konnte. Diese Sequenz war für
uns aussagekräftiger. Erstmals verschwand beim Überlegen das
aufgesetzte "Cheese" - Lächeln.
Die letzte Prüfungsfrage im Bereich Rhetorik lautete:
"Warum muss man Sie als Miss Schweiz wählen?"
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Die neue Miss Schweiz 2006 Christa Rigozzi ist 23 jä;hrig und
stammt aus Monte Carasso im Tessin. Sie ist Kriminologiestudentin.
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Wären die jungen Frauen gecoacht worden, hätten sie beim
Antizipieren gewiss auf diese Frage eine Antwort überlegen
können. Lehnt sich doch dieses Fragemodell an die Standardfragen
bei Vorstellungsgesprächen an.
Bei allen Antworten fehlte "das Fleisch am Knochen".
Bei der Kernaussage ("Knochen") müsste eine ergänzende konkrete
Ergänzung ("Fleisch") angefügt werden, damit die Antwort
überzeugt.
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Bei der unvorbereiteten Frage waren die Antworten zu kurz:
- "Weil ich schön bin, aber auch etwas im Kopf habe". (Dies war noch noch die
beste Antwort)
- "Weil ich natürlich und spontan bin" und
- "Weil ich eine Persönlichkeit bin, die ein Ziel erreichen will und....
und ..." (Aufzählungen statt ein Argument).
Bei der jüngsten Miss-Schweiz wahl Sendung konnte man nicht nur einen
Barbiepuppentanz verfolgen. Es war auch möglich,, die Kenntnisse der
rhetorischen Antworttechniken aufzufrischen.
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