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www.rhetorik.ch aktuell: (30. August, 2006)

Medienkonferenz - schlecht vorbereitet?



Zur Ausgangslage: Dem Rieter-Pensionskassenverwalter Jürg Maurer wurden Insidergeschäfte im Zusammenhang mit der Fusion von "Swissfirst" und "Bellevue" vorgeworfen. Maurer war wegen der Höhe seines Privatvermögens von 68 Mio. Fr. in die Kritik geraten. Vor dem Zusammenschluss im September hatten mehrere Aktionäre "Swissfirst-Aktien" verkauft. Nach der Fusion war der Swissfirst-Aktienkurs gestiegen, wodurch sich angeblich die Pensionskassen Millionen entgehen haben lassen. Es kam Verdacht auf Insiderhandel auf und es wurden auch Vermutungen laut, dass Schmiergelder geflossen sein könnten. Maurer selbst sieht sich aber als Opfer einer Medienkampagne und meint, private Geschãfte und Anlagen der Pensionskassen immer strikte getrennt zu haben und das Geld privat an der Börse verdient zu haben. Wie wehrt sich der Pensionskassenverwalter vor den Medien gegen diese Anschuldigungen?


Jürg Maurer nahm am 25. August unmittelbar nach der Rückkehr aus dem Ausland zu den erhobenen Vorwürfen Stellung. Die wichtigsten Medien waren im Stadthof Rorschach vor Ort. Mich interessierte die Wirkung und das Verhalten des Finanzmanagers. Wie verhät er sich live vor Mikrofon und Kamera bei diesem heiklen Auftritt. Es war sofort ersichtlich, dass die Präsentation exklusive Fragerunde minutiös vorbereitet worden war. Wie sonst bei Stars üblich, stand Maurer plötzlich auf der Bühne. Er lächelte bewusst und liess sich vorerst in aller Ruhe ablichten. Nach dieser bewussten Pause nahm er hinter einem Wall von Mikrofonen Platz und trug seine vorbereitete Erklärung überzeugend vor. Obwohl Jürg Maurer den Text ohne Augekontakt vortrug, war die Präsentation ruhig, verständlich und wirkte überzeugend. Das Sprechtempo war angenehm, die Lautstärke und die Pausentechnik stimmten mit dem Inhalt überein. Es war offensichtlich, dass diese Sequenz von Beratern gut vorbereitet und geschickt inszeniert worden war. Jürg Maurer schien vorerst gepunktet zu haben. Hierauf musste sich Maurer aber den harten Fragen der Journalisten stellen. Für diese Sequenz wurde er leider weniger gecoacht. Ich hatte das Gefühl, dass die Berater mit Jürg Maurer die Antworten nicht antizipiert hatten. Rhetorisch überzeugte der Finanzmanager bei der Fragerunde nicht mehr. Die Formulierungen wirkten unklar und unbestimmt. Maurer hörte schlecht zu, vergass einzelne Fragen. Er wirkte hilflos, vage und wich zu oft aus. Es fehlten eindeutige klare Antworten. Der Finanz- und Zahlenspezialist konnte und wollte sich an wichtige Grössenordnungen nicht mehr erinnern. Der rhetorische "Lügendetektor" d.h. die Signale Körpersprache, Augensprache, Stimme und Sprechrhythmus verrieten: Etwas kann nicht stimmen. Weshalb plötzlich diese Unsicherheit? Dann folgte der Abgang. Die Journalisten begaben sich in die übliche Startposition. Mit Kameras und Mikrofons bewaffnet, wollten wie wie üblich noch eine exklusive Antwort beim Weggehen erhaschen. Die Betreuer Maurers mit den Bodyguards versuchten aber diese Journalistenmeute auszutricksen. Sie wählten einen internen Abgang zur Tiefgarage. Doch Journalisten haben einen Riecher für derartige Spiele. Sie kamen dem Manager bei der internen Türe im Parkhaus zuvor und überraschten den "Maurertross" mit den Bodyquards. Diese letzte Szene ergab ein unvorteilhafteres Bild. Nach dem ersten Schock versuchte Maurer vorerst noch ein Lächeln aufzusetzen. Er liess sich auf Fragen ein und machte in der Stresssituation eine Falschaussage: Nach den Bodyquaards gefragt, behauptete er, er habe zwei Chauffeure. Hierauf wurde Das "Opfer" stark bedrängt. Die Begleiter lenkten den Tross im der Aufregung irrtümlicherweise in eine falsche Richtung und nun war Jürg Mauer einige Sekunden stark gefordert. Man hatte fast das Gefühl, er verliere nun die Nerven. Die Wirkung dieser Szene aufs Publikum ist nicht ganz klar. Es wäre auch dankbar, dass Mauer von einem Mitleideffekt der Zuschauer als "Medienopfer" profitieren könnte.

Fazit: Bei Auftritten müssen alle Phasen -nicht nur eine - genau durchdacht und antizipiert werden. Nicht nur im Start - auch bei der Landung muss man sich anschnallen.
Dieser Artikel als Persönlich News Beitrag.



"Sonntagsblick" Beitrag.
Jürg Maurer wollte sich mit seinem Auftritt kurz nach seiner Rückkehr aus dem Ausland den Vorwürfen stellen. Der erste Teil - das Vorlesen des vorbereiteten Textes - überzeugte noch. Trotz des wortwörtlichen Ablesens stimmten Ton, Sprechtempo, Pausentechnik usw. mit den Erklärungen überein. Im zweiten Teil, der Fragerunde, hingegen versagte Maurer. Einige Fragen an ihn mussten wiederholt werden. Seine vagen, zögernden, stockenden, mit "Ähs" gespicketen Antworten überzeugten nicht mehr. Körpersprache und der Sprechrhythmus verrieten, dass Jürg Maurer auf die Fragerunde schlecht vorbereitet war. Ohne Briefing dürfte kein Klient einem derartigen "Mediengewitter" ausgesetzt werden. Es ist zu bezweifeln, dass der Finanzmanager für diese Fragerunde gebrieft worden war. Das Schlimmste erlebten wir am Schluss beim fluchtartigen Abgang in die Tiefgarage. Berater müssten berücksichtigen, dass man in der Tiefgarage auch noch mit einem Medientross konfrontiert werden könnte.Jürg Maurer wurde hier überrascht und kam ins Schlingern. Er verstieg sich in eine Notlüge. Dazu kam, dass die PR-Beraterin Mühe hatte, Maurers Auto zu finden.

Fazit: Bei Medienkonferenzen müssten alle Phasen vorbereitet werden, vor allem auch der Umgang mit Überraschungen.


Beitrag von Fernsehen DRS. Der abgelesene Vortrag. Der Abgang durch die Tiefgarage mit der Notlüge.


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