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www.rhetorik.ch aktuell: (18. Juni, 2006)

Werbung mit Leichen



Am 15. Juni 2006 erschien in der neuen Ringier Gratiszeitung "Heute" ein zwei Seiten grosses Inserat eines italienischen Restaurantes am Stadelhofen in Zürich. Die Schwarzweissfoto zeigt zwei erschossenen Männer, welche blutüberströmt am weissgedeckten Tisch hängen. Jeder hat einen Teller Spaghetti vor sich. Beide wurden Opfer der Mafia. Link zur Ausgabe



Unter der Archivaufnahme, die von Polizeibeamte 1933 geschossen hatten, steht:

"Spaghetti Calabrese CHF 18.--" und "Authentisch italienisch".


Die Werber der preisgekrönten Agentur Euro RSCG wollten kreativ sein und liessen ihrer Fantasie freien Lauf, als sie sich überlegten, was alles zu Italia, Pasta und Pizza passen könnte. So habe man an den Schiefen Turm von Pisa und an die Mafia gedacht. Alle - auch die Auftraggeber - waren zuerst begeistert von der innovativen Kampagne "Typisch italienisch". Sie setzten ihr Credo um:

"Es braucht keinen Mut zu guter Kommunikation, sondern zu schlechter!"


Der Geschäftsführer des Restaurantes fand dann die Werbung mit den Leichen als "sehr gewagt" und ergänzte: "Es sei traurig, dass man heute solche Sachen machen muss, um aufzufallen."

Es kam nach der Veröffentlichung bei den Lesern zu vehementen Reaktionen. Die negativen Rückmeldungen dominierten, sodass die Geschäftleitung des Commercio am Freitag entschied, das Inserat sofort zu stoppen. Sie entschuldigte sich dafür, falls Gefühle der Menschen verletzt worden seien.

Das Bild stammt aus dem dokumentarischen Bildmaterial eines Ausstellung im Kunsthaus. Wir finden:
  1. Diese Werbung missbraucht historische Bilder für Werbezwecke.
  2. Es stimmt nicht, dass es Mut braucht, schlechte Kommunikation zu machen. Im Gegenteil: Bei Kommunikationsprozessen ist es einfach, zu verletzen, zu beleidigen oder Betrachter zu schockieren.
  3. Zuerst bewusst schockieren, sich hernach zu entschuldigen ist zu einfach.


Gute Werbung sollte nicht nur Aufmerksamkeit wecken, sie will letztlich bei den Adressaten auch eine positive Wirkung erzeugen.


Das Publikum kennt zwar nun den Namen des Restaurantes. Es wäre durchaus denkbar, dass den Kunden der Appetit nach allen Spaghettiangeboten mit irgend einer roten Beilage für längere Zeit vergangen ist und damit die kostspielige Werbung kontraproduktiv war.


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