Die Präsentation von John Large
John Large bezeichnet sich als Atomexperten. Für Umweltorganisationen
verfasst er unabhängige Gutachten. Im Auftrag von "klar! Schweiz",
einer oppositionellen Organisation der Nordschweiz, erstellt Large zurzeit
ein Gutachten zum Entsorgungsnachweis der Nagra,
der "Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle".
Am 6. April 2006 präsentierte Large in Schaffhausen vor rund 150 Besuchern - darunter
auch zahlreichen Nuklearexperten - seine vorläufigen Resultate.
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John Large ist ein begnadeter Rhetoriker. Seine Präsentationen und
Sprache sind bildhaft, die Aussagen werden auf einfach verständliche
Botschaften reduziert und lebendig vorgetragen. Auch visuelle Mittel
setzt Large in seinen Vorträgen gekonnt ein: Radioaktive Nuklide
werden zu Bonbons, Brennelemente zu Teebeuteln, Stahlbehälter zu
korrodierenden Automobilen, Tiefenlager zu Löchern. Oft bewegen
sich seine eingesetzten Mittel jedoch im Bereich unfairer Manipulation. So
werden beispielsweise die Wissenschafter der Nagra mit wenig sympathischen
Comic-Figuren dargestellt.
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Polemische Aussagen polarisieren
Dass die Präsentation von John Large inhaltliche Fehler aufweist,
spielt bei der kommunikativen Wirkung nur eine untergeordnete
Rolle. Für die Experten sind zahlreiche fehlerhafte Aussagen und
Interpretationen offensichtlich, selbst der Laie erkennt mangelhaftes
Fachwissen. So wird beispielsweise der Standort des Versuchsreaktors
in Lucens zu Luzern oder es wird bemängelt, dass die Schweiz kein
Zwischenlager für radioaktive Abfälle betreibe, dabei ist das
"ZWILAG" seit 2001 in Betrieb.
Mit der Kombination von Reiz- und Schlagworten emotionalisiert John Large
das Thema Entsorgung. Der Standort der Sondierbohrung im Zürcher
Weinland, die
Gemeinde Benken
(google maps), wird mit den Schlagworten "Tschernobyl",
"Titanic" oder "911" kombiniert.
Die Wirkung auf die Zuhörer ist unterschiedlich. Während bei
stark verunsicherten Personen noch stärkere Zweifel an den Arbeiten
der Nagra aufkommen, bewirken möglicherweise die polemischen und
überspitzen Aussagen bei vielen Zuhörenden eine entgegengesetzte
Reaktion.
Der Umgang mit Polemik
Für die Vertreter der Nagra und der Kontrollbehörden stellt
sich die Frage, wie sie mit dieser Art der Kommunikation umgehen
müssen.
- Soll der starken emotionalen und polemischen Argumentation ebenfalls mit Emotionen
begegnet werden?
- Müssen alle oder nur die wesentlichen Falschaussagen berichtigt werden?
- Welche Korrekturen sind notwendig, welche überflüssig?
Grundsätzlich gilt im Umgang mit Polemik:
- Ruhe bewahren!
- Polemik nie mit Polemik beantworten!
- Polemik erkennen: Nur wer die Werkzeuge von Polemikern kennt, kann sie entlarven.
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Emotio schlägt Ratio, Bild dominiert Wort
Rational denkende Experten haben es nicht einfach bei emotional
besetzten polemischen Argumenten. Sie sind benachteiligt, wenn sie nur mit
Worten, Zahlen und Fakten überzeugen müssen. Deshalb sind Expertengruppen bei
Argumentationprozessen stark gefordert:
- Sie müssen rationale Argumente bildhaft vermitteln!
Ein Bild kann rationale Aussagen nachhaltig stützen.
Nur Worte, die Bilder auslösen, bewirken etwas.
- Komplexe Zusammenhänge müssen sie vereinfachen.
Die
Schwierigkeit besteht darin, zu vereinfachen, ohne die Botschaften und
Aussagen zu verfälschen oder die Reputation als Wissenschafter oder
Experte zu verlieren.
- Es genügt, zwei bis drei Fehler eines Polemikers zu entlarven,
die offensichtlichen Fehler zu benennen.
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Zum Beispiel, dass Larges Behauptung nicht stimmt, es gebe in der Schweiz
keine unabhängige Kontrollinstanz. Large müsste die Aufgabe
der HSK
kennen einer unabhängigen Aufsichtsbehörde des Bundes.
Will er sie bewusst nicht nennen?
Bei Large hätten jedenfalls Dutzende von Fehlern korrigiert
werden können. Es genügt, konkret nachzuweisen, dass Large die
Schweizer Situation schlecht kennt und diese auch falsch beurteilt.
Eine Behauptung wie die Mächtigkeit des Opalinustones in Benken ist 60
Meter (in Wirklichkeit aber rund 110 Meter!) kann bereits eindeutig die
fehlenden Fachkenntnisse veranschaulichen. Der angeblich unabhängige
Nuklearexperte Large gestand immerhin, dass er nicht Geologe ist. Er
betonte zwar, dass er unabhängig sei, in Wirklichkeit ist er aber
Anwalt einer Oppositionsgruppierung und macht in deren Auftrag ein
Gegengutachten. Wer im Auftrag einer Partei polemisiert, darf sich
nie als unabhängig positionieren. Dennoch wurde Large in den
Ankündigungen und in den Medien als unabhängiger Gutachter
vorgestellt. (Wiederholungstaktik?)
Wir verweisen auf den Beitrag
Beeinflussung, Manipulation, Propaganda, im Abschnitt
Desinformation.
Das Schüren der Angst
Wer das rhetorisch brilliante Referat von Large gehört hat, konnte
miterleben, wie sich sein Angstschüren sofort in verschiedenen
Voten für ihn auszahlte.
In Zeitungsberichten wurde wie zu erwarten war, immer wieder jene Frau
aus Rheinau zitiert, die mit betroffener Stimme klagte:
Sie meinte dies bei der Vorstellung, dass in unmittelbarer Nähe radioaktive
Abfälle gelagert würden. Sie mache sich grosse Sorgen um
ihre Kinder.
Wir sind überzeugt, dass nur wenige der rund 150 Zuhörer
beim Vortrag und in der Diskussion erkannt haben, dass Large
die gestellte Frage nach konkreten Lösungen im In- und Ausland
zur dringend notwendigen Lösung der Lagerung von radioaktiven
Abfällen nicht beantwortete, sondern statt dessen lediglich sehr
unterhaltend eine Geschichte erzählte, wie er im Garten beim Umgraben
alten Müll gefunden habe und daraus generell die These ableitete:
Müll dürfen wir nie vergraben!
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