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www.rhetorik.ch aktuell: (18. März, 2006)

TV Duell Prodi - Berlusconi (II)

Siehe Persoenlich Newsletter Berlusconi Aktuell Artikel TV Duell Prodi-Berlusconi (I) Berlusconi verlässt Interview


Der Italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi und sein Herausforderer, der international profilierte Wirtschaftsexperte Romano Prodi haben ihr erstes von zwei Fernsehduelle vor den Wahlen bestritten. Ein Eklat blieb aus und Beobachter sahen keinen eindeutigen Gewinner. Es war ein Duell ohne Dramatik - dafür fair und sachlich. Umfragen sahen einen leichten Vorsprung von Prodi. Im Mittelpunkt der Debatte standen Innenpolitik, Wirtschaft, Steuern und Einwanderung.


Grosse Erwartungen

"Wir sehen einem Duell auf Leben und Tod entgegen, das nicht nur dem Ansehen unseres Landes schadet, sondern auch seiner Demokratie."


kündigte jüngst der "Corriere della Sera" an. Mit der Begegnung am Dienstag erhofften sich die italienischen Wähler dreieinhalb Wochen vor der Parlamentswahl am 9. April die ungleichen Kandidaten in direkter Gegenüberstellung kennen zu lernen. Berlusconi hat als Medien-Unternehmer ausgesprochene Fernseherfahrung. Er ist geübt, seine Gesprächspartner auszutricksen. Prodi dagegen ist im Auftreten eher zurückhaltend, spricht oft leise und drückt sich nach Ansicht vieler Beobachter gerne recht kompliziert aus.

Der erste Eindruck

Berlusconi und Prodi waren beide klassisch eingekleidet. Ein dunkler Anzug vermittelt bekanntlich Seriosität. Dies beachten alle Politiker bei Duellen. Zum nachtblauen Kleid tragen beide gleichsam Hemden im zarten Hellblau. Beide machten einen gepflegten Eindruck Lediglich die Krawatten waren unterschiedlich. Belusconis dunkelblauer Schlips war weiss getupft, Prodis mittelblaue Seidenkrawatte hingegen mit kleinen weissen Punkten versehen. Beide sassen locker und präsent da und hatten in einer für die Stimmbänder ideale Sitzposition inne. Bei Berlusconi ist den Zusehern bekannt, dass er die Haare färbt und sein Gesicht liften liess. Beide Duellanten unterschieden sich im nüchternen hellem Studio kaum. Der Hintergrund mit grossen weissn Kaccheln war weiss, wie in einem Operationssaal. Er wirkte steril und kalt. Solche Details dürfen wir bei der Wirkung nicht unterschätzen. Dies zum ersten Eindruck. Noch haben wir weder Prodi noch Berlusconi gehört. Nachdem wir nach erste Sequenzen innehielten, wurden nun innert weniger Minuten verschiedene Differenzen deutlich:

Prodi sprach freundlich und ruhig. Er wirkte natürlich und locker mit persönlicher angemessener Gestik. Seine Stimme ist im Kammerton. Doch fehlte es nicht an dynamischen Akzenten. Die gute Pausentechnik beim Sprechen war bemerkenswert. Pausen vermitteln Überlegenheit. Wir verspürten ein Engagement und das Bemühen um Präzision in der Formulierung. Ab und zu schaute zwar Prodi in die Kamera. (Wir fragen uns, ob dies antrainiert surde.) Im Übrigen sprach er frei und hatte Augenkontakt mit den Journalisten. Berlusconi wirkte während der ersten Sätze viel nervöser. Er griff in die Tasche und hielt ständig den Stift in der rechten Hand mit dem er gleichsam die Aussagen abhakte. Sein Blick haftete zu oft am Manuskript, als lese er ab. Was auffiel: Belusconi zeichnete während des Sprechens Striche, Punkte und auch Zahlen? aufs Papier. Immer wieder zog er einen Strich unter den fertig formulierten Gedanken, als führe er eine Buchhaltung. Wenn Belusconi aufschaute, blickte er stets nach rechts. Den Kontrahenten klammerte er mit den Augen aus. Wir hatten nie das Gefühl, er baue mit den Augen eine Brücke zum Gegenüber.


Diese Analyse betrifft nur die ersten Sätze. Doch diese sind immer aufschlussreich.

Zu langweilig und zu gleichförmig?

Es war offensichtlich, dass die Duellanten darauf bedacht waren, die Nerven nicht zu verlieren. Die Stimmen klangen dadurch über weite Strecken zu gleichförmig. Wir vermuten, dass viele Zuschauer "ausgestiegen", weggezappt waren. Es mangelte an dynamischen Elementen. Kandidaten stritten zuerst über Euro und Steuern. Steuersenkung, Kampf gegen die Steuerhinterziehung und Massnahmen zur Ankurbelung der flauen Wirtschaft standen zu Beginn des Fernsehduells im Vordergrund. Prodi fand, die Lohnkosten müssten gesenkt werden. Als Oppositionschef stellte er die Pläne seines Mitte-Links- Bündnisses zur Senkung der Lohnkosten um fünf Prozent vor. Dadurch sollte die italienische Industrie an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Zugleich versprach er Massnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Berlusconi sparte nicht mit Kritik an der Opposition. Prodi sei nur ein "Frontmann" ohne Partei hinter sich, weil die Kandidaten der Linksparteien wegen ihrer kommunistischen Vergangenheit unglaubwürdig seien. Er zweifle an der Stabilität des Mitte-Links- Bündnisses, das aus elf Parteien bestehe. Die beiden Kandidaten stritten hernach um das Thema Teuerung nach der Euro-Umstellung. Berlusconi warf den vor seinem Amtsantritt im Jahr 2001 regierenden Mitte-Links-Kabinetten vor, den Euro zu hastig eingeführt zu haben, ohne an die Folgen der Umstellung zu denken. Die Folgen hätten die Italiener noch zu zahlen, da sich ihre Kaufkraft nach der Euro-Umstellung deutlich reduziert habe. Prodi erwiderte, dass die Regierung Berlusconi nicht dafür gesorgt habe, illegale Preiserhöhungen unter Kontrolle zu halten.

Zur Vorbereitung

Sicher hatten sich beide Kandidaten minuziös vorbereitet:

Uns ist bekannt, dass Berlusconi stundenlang mit seinen Medienexperten trainierte. Berlusconi droht bei den Wahlen eine Niederlage. Er muss sich noch weiter anstrengen um zu gewinnen. Prodi seinerseits liess sich angeblich von einem Image-Experten beraten und bereitete sich intensiv vor. Er soll mehrere Passagen seines 260-seitigen Wahlprogramms auswendig gelernt haben.


Medienspiegel zum verbalen"Schlagabtausch"

  • Netzeitung: "TV-Duell Berlusconi gegen Prodi ohne Sieger" Weder Berlusconi noch sein Herausforderer Prodi haben beim Fernsehduell eine besonders gute Figur gemacht: Das Fernsehduell zwischen dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und seinem Herausforderer Romano Prodi ist ohne klaren Sieger zuende gegangen. Laut Medienexperten blieben Überraschungen aus. Im Mittelpunkt des 90-minütigen, mit Spannung erwarteten verbalen Schlagabtauschs standen innenpolitische Themen wie Steuern und Einwanderung.
  • Schaffhauser Nachrichten: "Berlusconi spaltet Italien" Prodi betonte, dass Italien eine Person als Regierungschef brauche, die dem Land nach Jahren der Stagnation neue Hoffnung und Mut geben könne. "Ich habe den Posten des Regierungschefs und EU-Kommissionspräsidenten bekleidet. Ich suche im Leben nichts mehr." Berlusconi sei kein Einigungsfaktor, er spalte das Land. Weiter stritten die Kandidaten um Steuersenkungen, den Kampf gegen die Steuerhinterziehung und Massnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft.
  • Spiegel "Die Debatte zeigte einen eher steifen Ministerpräsidenten, der ein vor sich liegendes Papier mit geometrischen Figuren bekritzelte und sich über die strikten Regeln der Diskussion aufregte, während sein Gegner im Laufe der Zeit zunehmend lockerer wurde und mit einigen gezielten Spitzen gegen Berlusconis Mitte-Rechts-Koalition punktete. Der Oppositionsführer versuchte, seinen Ruf als farbloser Politiker abzustreifen, lächelte und blickte direkt in die Kamera. Berlusconi zog Prodis Antworten ständig ins Lächerliche. Mehrmals musste Berlusconi ermahnt werden, weil er seine Redezeit überschritt. Berlusconi ist als Medien-Unternehmer ausgesprochen fernseherfahren und geübt darin, seine Gesprächspartner auszumanövrieren. Prodi dagegen ist im Auftreten sehr zurückhaltend, spricht leise und drückt sich nach Ansicht vieler Beobachter zu kompliziert aus. Bei dem Duell galten allerdings strenge Regeln: Für die Statements der Kandidaten wurde eine Zeitbegrenzung festgelegt, und während einer von beiden sprach, wurde die Reaktion des anderen nicht gezeigt. Politexperten gaben dem Herausforderer den Vorzug. Prodis Auftritt sei "werbekräftiger" gewesen, fand Politikwissenschaftler Renato Mannheimer. Er habe einfach und klar gesprochen und einige witzige Spitzen gegen die Regierung losgelassen. Berlusconi habe nur seine "üblichen Angriffe gegen die Linke wiederholt". Nach Einschätzung des Organisators der Debatte, Paolo Gentiloni, "sprach Prodi wie der künftige, Berlusconi dagegen wie der scheidende Ministerpräsident, der seine Bilanz mit zu vielen Zahlen verteidigte". "Häufig einfach langweilig", fand Berlusconis Ex-Minister Marco Follini von der Zentrumspartei UDC die Debatte.
  • Tirol online: Der italienische Oppositionschef Romano Prodi hat Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi in dem TV-Duell Dienstag Abend beschuldigt, die Mitte-Links-Kabinette seiner Vorgänger für alle Probleme des Landes verantwortlich zu machen. "Während seiner fünfjährigen Amtszeit hat Berlusconi nur Gesetze zu seinem eigenen Nutzen verabschiedet", kritisierte Prodi. Die Schuld für die zahlreichen Probleme, die die Regierung Berlusconi nicht gelöst habe, könne nicht immer nur auf die Vergangenheit geschoben werden. Berlusconi beschuldigte die Linke, in den vergangenen Jahren eine unfaire Opposition betrieben zu haben. "Verleumdungen und Beschimpfungen waren das Leitmotiv der Opposition während der letzten Legislaturperiode. 80 Prozent der Streiks, die ausgerufen wurden, hatten einen politischen Hintergrund", kritisierte der Regierungschef. Er attackierte auch die Richter, die seiner Ansicht gegen ihn und die Regierungskoalition voreingenommen seien. Prodi versicherte, dass seine Mitte-Links-Allianz im Fall eines Wahlsiegs das Problem der Konflikte zwischen politischen und wirtschaftlichen Interessen der Regierungsmitglieder lösen werde. "Ich werde es nicht auf rachsüchtige Art machen.
  • Tagesanzeiger: "Berlusconi tritt im Fernsehduell gegen Prodi verkrampft auf."
    Im ersten Duell gab es einen überraschend klaren Sieger. Herausforderer Prodi war konkreter und souveräner. Dank dem sterilen Dekor wurde Gemütszustand und Natur der Kontrahenten hervorgehoben. Berlusconis Kernaussage: Prodi ist "Strohmann" und Geisel der Kommunisten. Prodis Kernaussage: Er sprach immer wieder von Zukunft, Fortschritt und Dialog.
  • DRS 1: "Das Rennen ist offen".
    Nach Italienkorrespondent Rolf Pellegrini ist das Rennen noch offen, obschon nicht garantiert werden kann, dass ein Mann mit Medienmacht die Macht weiterhin behalten kann. Berlusconi lenkt immer von seinen Skandalen ab . So warf er Prodi Filz bei den Roten vor. Berlusconis Ueberpräsenz ist sehr gefährlich. Denn wenn er zu stark auftritt, kann es zu einem Kontereffekt kommen. Anderseits mögen in Italien viele Prodi nicht. Er polarisiert. Der Mittelstand befürchtet die Einführung der Erbschaftsteuer, einen erhöhten Papierkrieg und mehr Steuern. Berlusconi hatte bislang eher schwache Leser und Rentner angesprochen, die er mit Versprechen bediente. Nach Pellegrini wird es in Italien eine Entscheidungswahl geben. Hier ist Politik kein ideologischer Kampf. Es geht immer um eine Dosierungsfrage. Was ist möglich? Wieviel von was erträgt es? Diesen Mix zu verkaufen ist angeblich das schwierigste im Wahlkampf. Denn dies ist in einem Duell nicht darstellbar.
  • NZZ "Der Oppostionsführer wirkt gelassener und weniger giftig."
    Die NZZ schilderte Prodi:
    • als behäbig
    • hatte Mühe konkrete programmatische Alternativen darzulegen
    • formulierte schwammig bei den Belastungen der Lohnkosten
    • bestach durch Gelassenheit
    • hatte einen konzilianten Grundton
    • wirkte geradezu grossväterlich
    Zu Berlusconie schrieb die NZZ:
    • erschien zuerst eloquenter
    • wurde zunehmend verspannt, giftig und rechthaberisch
    • versteifte sich kleinlich auf die Verteidigung seiner bisherigen Regierung
    • zitierte wie aus einem Maschinengewehr Zahlen
    • wirkte verbissen
    • überschritt mehrmals die Sprechzeit und reagierte darauf gereizt: Die Regeln würden eine echte Auseinandersetzung verhindern.




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