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www.rhetorik.ch aktuell: (3. Februar, 2006)

Christoph Blocher in Schaffhausen

Aktuell Artikel über Blocher


Laut NZZ vom 21. Januar soll Blocher an der Albisgütliveranstaltung zahmer geworden sein. Wir zitieren aus aus dem Artikel:

"16 Jahre lang hat Christoph Blocher jeweils zu Jahresbeginn im Zürcher Schützenhaus Albisgütli den politischen Gegnern die Leviten gelesen. Als Nationalrat und Parteipräsident der kantonalen SVP war ihm die Freiheit gegeben, unzimperlich vom Leder zu ziehen. Nun ist Blocher Bundesrat. Liegt es an der neuen Aufgabe, dass die 1400 erwartungsfrohen Besucher im Schützenhaus einen eher verhaltenen Blocher zu hören bekamen? Kein Seitenhieb gegen andere Parteien oder Bundesratskollegen, kein Wettern gegen den Sozialismus, kein Poltern gegen das Aufblähen des Staates, sondern eine nüchterne Ansprache des Justizministers. Hier sprach nicht mehr der Volkstribun Blocher. Hier sprach der Bundesrat, der aus seinem politischen Alltag berichtete und der die sachpolitischen Zwänge seiner Arbeit nicht verbergen konnte und wollte."


Im Zusammenhang mit der Albisgütlirede auch die "Basler Zeitung" vom 20. Januar Blochers Rhetorik kritisch beleuchtet und in ihrer Analyse über den angeblich zahmer gewordenen Bundesrats mit dem Satz geschlossen:

"Vielleicht wird Blocher einfach nur langsam alt?"


wollten wir seinen Auftritt am 26. Januar in Schaffhausen genauer verfolgen und klären, ob der Volkstribun als Bundesrat tatsächlich zahmer geworden ist. Bundesrat Blocher sprach innerhalb des Vortragszyklus Bürger und Staat: Ein Verhältnis auf dem Prüfstand. Am Vortag des Geburtstages von Mozart referierte er über das Verhältnis von Bürger und Staat und Mozart. (eine gescannte Version des Artikels ist unten).

Fragen vor dem Vortrag

Journalisten und Publikum werden sich vor dem Auftritt vom 26. Januar 2006 in der Schaffhauser Rathauslaube gefragt haben: Gelingt es dem Bundesrat in seinen Ausführungen eine Verbindung zwischen Mozarts 250. Geburtstag zur aktuellen politischen Landschaft in der Schweiz zu machen? Regierungsratpräsident Lehnherr führte den prominenten Gastredner sogar mit der Bemerkung ein, auch er rechne mit Überraschungen.

Seit Jahren verfolgten wir Blochers Rhetorik - insbesondere seine Medienrhetorik - und vertraten wiederholt die Meinung, dieser Vollblutpolitiker glaubt an das, was er sagt. Deshalb könne er sein Publikum begeistern. Es ist keine neue Erkenntnis, dass rhetorisches Schönreden allein nicht überzeugt. Ein Gedanke kann nur dann etwas bewirken, wenn er verständlich, nachvollziehbar und mit echtem Engagement übermittelt wird. Und dies ist nur dann möglich, wenn der Redner auch an das glaubt, was er sagt. Seit der Wahl in den Bundesrat war festzustellen, dass immer dann, wenn Christoph Blocher eine Meinung vertreten musste, hinter der er nicht stehen konnte, er erhebliche Mühe hatte. Diese Auftritte verkamen zu faden Pflichtübungen.

Blocher nutzte in diesen Fällen die sogenannte "Ja-aber Rhetorik". Die Gegenargumente, die er nicht teilte, aber vertreten musste, trug er trocken ohne stimulierendes Beiwerk vor. Die Formulierungen waren allgemein, möglichst abstrakt, aber dennoch inhaltlich korrekt. Die gegenteilige Meinung aber, die er im Grunde genommen vertrat und gegen die er auftreten musste, schilderte er bildhaft und konkret. Die Bildrhetorik fiel Blocher, als Sohn eines Pfarrers, stets leicht. Sein Vater wirkte in der Kirchgemeinde Laufen/Uhwiesen beim Rheinfall. Er brachte seinen Kindern schon am Esstisch bei, so zu reden, dass sich die andern das Gesagte vorstellen konnten. Pfarrer Blochers These lautete: Sprecht so, dass man es sieht!

Der Vortrag

Mozart In Schaffhausen in der Rathauslaube trafen wir wieder den alten Rhetoriker, der sein Publikum zu begeistern vermochte. Doch der Vortrag, respektive die Vorlesung, war keine Kampfrede und es fehlten persönliche Angriffe. Die Rede hatte ein neues Genre. Die Gedanken waren intellektueller formuliert, aber gut nachvollziehbar und gekonnt strukturiert. Zuhörer bestätigten, dass diese Rede ein erstaunlich hohes Niveau hat. Staatsmännisch nutzte Bundesrat Blocher seine neue Rolle, um seinen Eidgenossen einzelne grundsätzliche Gedanken Mozarts zum Staat und seinen Bürgern vorzutragen. Die Zuhörer merkten bald, diese Gedanken entsprachen durchaus den Grundsätzen des Gastredners. Blocher hatte ein leichtes Spiel, nicht nur dank des Heimpublikums im vollen Saal (Blocher ist in Schaffhausen geboren).

Das Referat war wohl bedacht und so vorformuliert, dass niemand, wie es beim improvisierten Reden gerne geschieht verletzt werden konnte. Blocher hielt sich in Schaffhausen genau an das Manuskript - in Standardsprache gehalten - mit zentralen Botschaften, die er trotz des Ablesens mit Nachdruck hervorzuheben verstand. Man hatte den Eindruck, der Redner sei selten vom wohlbedachten Manuskript abgewichen. Blochers Sprechtempo war angemessen. Trotz der intellektuelleren Vorlesung fühlten sich die meisten angesprochen. Der Redner beherrschte auch das Ablesen mit schweifendem Blick. An dynamischen Akzenten mangelte es nicht, wie es bei vorformulierten Vorträgen sonst der Fall ist. In gewohnter Manier kümmerte sich Blocher nie um eine korrekte Körperhaltung. Er beugte sich meist stark nach vorn und erdete sich mit den Händen auf dem Pult. Dennoch redete er vielfach - wie für ihn typisch - mit ausholender Gestik. Blocher konzentrierte sich voll und ganz auf den Inhalt. Die kleinen Mikrofonknakser, hervorgerufen durch das Berühren des Mikrofons, beeinträchtigten den Vortrag kaum.

Gibt es ein Geheimnis für erfolgreiche Präsentationen?

Das ist übrigens eines der Geheimnisse des Erfolges bei allen Präsentationen: Wer sich während des Sprechaktes voll und ganz auf seine Gedanken und das Publikum einstellt, hat zwangsläufig mehr Erfolg. Allfällige Fehler und Pannen werden dann übersehen. Die Person und die Botschaft überzeugt. Das Publikum hat ein gutes Sensorium für Schönredner, für aufgesetzte Theatralik oder Falschspieler. All jene, die während des Sprechens an die eigene Mimik, den Blickkontakt, die Gestik d.h. an sich. denken, können gar nicht hundertprozentig beim Publikum und den eigenen Gedanken sein. Wer erinnert sich nicht an Adolf Ogis legendäre Neujahransprachen in Genf und Kandersteg. Als Ogi während der Aufnahme an seine Gestik dachte und während des Sprechens ständig überlegen musste, was er mit den Händen tun solle, welcher Ast der Tanne berührt werden muss, oder wann die Hände zum Körper geführt werden sollten. Ogi überzeugte bei jenem Auftritt nicht, es war eher peinlich. Der Redner machte sich damals lächerlich.

Blocher verbindet sich gerne mit Persönlichkeiten

Aus Blochers früheren Reden konnte bereits vor Jahren in Zürich heraushören, dass er seine Mahnworte gerne geschickt mit berühmten Persönlichkeiten verbindet. Damals mit Churchill, der Europa gerettet hatte, und dennoch abgewählt wurde. Bei jener Rede war zu verspüren, dass Blocher seinem Engagement für die Neutralität und die Unabhängigkeit der Schweiz unbeirrbar und ohne Rücksicht auf Beliebtheit oder Karriere- verpflichtet ist. Damals glaubte noch niemand daran, dass der provozierende Oppositionspolitiker den Schritt in die Exekutive schaffen würde. Doch er schaffte ihn. In Schaffhausen war wieder zu spüren: Blocher fühlt sich als Träger einer wichtigen Mission. Er ist und bleibt gleichsam Missionar. Auch als Bundesrat glaubt er verpflichtet zu sein, die Schweiz vor schlechten Einflüssen bewahren zu müssen, und zwar konsequent und auftragsorientiert ungeachtet aller Kritik und mit dem Risiko, wie es Churchill widerfuhr. Blocher weiss, er riskiert ebenfalls mit seinem kompromisslosen Einsatz für seinen Auftrag, plötzlich abgewählt zu werden. An Gegnern fehlt es gewiss nicht, die ihn abwählen möchten. In Schaffhausen war erkennbar, Christoph Blochers Einstellung zu den Bürgern und dem Staat stimmt auch mit der Einstellung des Genies Mozart überein. Damit positionierte sich Blocher wiederum neben eine unsterbliche Persönlichkeit. So wie die Musik von Mozart grundsätzliche Botschaften übermittelt, basiert Blochers politisches Credo auf analogen Grundsätzen: Schon zur Zeit Mozart trieb im Absolutismus der Staat Geld ein, verwaltete es und gab es aus. Die Ausgaben explodierten (Wir geben heute noch mehr aus!- Sparen ist angesagt). Mozart stellte stets Fragen und wagte Sachverhalte in Frage zu stellen. Das haben bekanntlich Vorgesetzte und vor allem Politiker nicht gern (Bundesrat Blocher ist bekannt als unbequemer Fragesteller). Blochers Rhetorik bestach durch konsequentes Wiederholen seiner zentralen Botschaft: Mozart blieb seinem Auftrag treu. Er hat zwar den Kampf verloren, seinen Kampf der sachgerechten Auftragerfüllung gegen alles nur prestigemässige, das der Auftragerfüllung immer radikal und erbittert im Wege steht. Man spürte in Schaffhausen erneut: Ich, Bundesrat Blocher, werde ebenfalls nur meinem Auftrag verpflichtet sein, ungeachtet des Risikos, mit diesem Kampf für den Auftrag unterzugehen. Die Devise: Mit dem Auftrag anfangen, beim Auftrag bleiben und mit dem Auftrag aufhören! Sie gilt nicht nur für Mozart. Wer Bundesrat Blocher verfolgte, erkannte: Er identifiziert sich mit Mozarts Grundsätzen. In alter Manier koppelte Blocher im Schaffhauser Referat seine Grundsätze geschickt an Zitate, Bibeltexte, Beispiele oder an eine Geschichte. Sein Kerngedanke: "Es lohnt sich, für die Auftragerfüllung alles zu riskieren" nahm in der Rede den grössten Raum ein.

Fazit: Blochers grundsätzliche Botschaften haben sich durch die neue Rolle als Bunderat kaum, die Art und Weise des Sprechens hingegen deutlich verändert. Es wäre denkbar, dass er als Magistrat gezielt ein neues Publikum ansprechen und gewinnen möchte. In Schaffhausen hat sich jedenfalls gezeigt: Die alte Garde steht immer noch hinter ihrer kämpferischen Leitfigur. Die Frage müsste uns beschäftigen: Gelingt es dem ungewöhnlichen Bundesrat mit der neuen Art und Weise seiner Rhetorik, auch ein neue Bevölkerungsschicht anzusprechen und zu gewinnen?





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