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www.rhetorik.ch aktuell: (5. November, 2005)

Blochers Rede gibt zu reden

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Bundesrat Christoph Blocher rechnete mit der heutigen Verkehrspolitik ab und verärgerte damit Bundesrat Moritz Leuenberger. An der Eröffnung der Veranstaltung "Auto Zürich" legte Blocher verbal los, sehr zur Freude der anwesenden Vertreter der Automobilbranche.



Blocher kritisierte in seiner Rede die Senkung des Toleranzwertes bei den Geschwindigkeitsmessanlagen in der Stadt Zürich von 5 auf 3 Stundenkilometer:

"Da Politiker, wenigstens wenn es um Einnahmen geht, ziemlich kreativ sein können, wundert es wenig, dass man auch bei diesem Posten versucht, noch mehr aus den Bürgern herauszuholen ... Begründet wird dieser neue Toleranzwert - wie immer - mit einer Erhöhung der Sicherheit. Ich weiss nicht: Gilt jemand, dessen Tacho 54 Stundenkilometer anzeigt, bereits als gefährlicher Raser? Das Sicherheitsargument scheint mir bloss ein moralistisches Pseudoargument, um von den versteckten Fiskalgelüsten abzulenken ..."
"Wer den Toleranzwert von 5 auf 3 Stundenkilometer senkt, schafft auch mit einem Federstrich und ohne grosse Umstände ein paar zehntausend Gesetzesübertreter mehr. Ohne dass sich irgendjemand in seinem Verhalten geändert hätte."


Zur Verlagerungspolitik sagte er:

"Offensichtlich stimmen mehr Leute an den Urnen für die Verlagerungspolitik, als dass sie sich tatsächlich selber in die Züge und Busse verlagern würden. Die Entlastung findet weniger auf den Strassen statt, sondern beim schlechten Gewissen. Man stimmt für den öffentlichen Verkehr und hat damit seinen Beitrag geleistet. So wie es Leute gibt, die ein Fitnessabonnement kaufen und dann glauben, etwas für die Gesundheit getan zu haben ..."


Verkehrspolitiker wie Rolf Escher oder der Präsident der ständerätlichen Verkehrskommission (KVF)- ragierten ungehalten:

"Man kann doch nicht alle Leute in einen Topf werfen."


Blocher habe einer Mehrheit der Bevölkerung unterstellt, dass sie der Verlagerungspolitik zugestimmt habe, um ihr Gewissen zu beruhigen Noch deutlicher wurde die Grüne Franziska Teuscher:

"Das ist typisch Blocher. Fallen Volksentscheide in seinem Sinne aus, hält er diese hoch. Passen sie ihm nicht in den Kram, verhöhnt er das Volk."


Blochers Worte haben vor allem auch Verkehrsminister Moritz Leuenberger geärgert: Er verweist nicht nur auf die mehrfache Bestätigung der Verlagerungspolitik durch das Volk. Er hält auch der von Blocher angesprochenen miserablen Bilanz des öffentlichen Verkehrs entgegen:

"Ohne die Bahn würden alle Agglomerationen und auch der Gotthard völlig vom Verkehr überrollt und verstopft."


Verkehrspolitiker Andrea Hämmerle vermutet hinter Blochers Provokation einen konkreten Beweggrund:

"Blocher versucht offensichtlich, Moritz Leuenberger zu demontieren, um dessen Departement zu übernehmen."




Milchkuh, image souce www.poestlilaax.ch Christoph Blocher jedoch fühlt sich als Anwalt der Automobilisten:

"Es wäre nicht mehr als Anstand, die beste Milchkuh nicht dauernd als Feindbild zu behandeln."
Bundespräsident Samuel Schmid nimmt in einem Interview in der "BernerZeitung" und der "Neuen Luzerner Zeitung" auf den Streit über die Verkehrspolitik zwischen den Bundesräten Christoph Blocher und Moritz Leuenberger Bezug: Solche Alleingänge seien das Abbild veränderter Kräfteverhältnisse im Parlament:

"Es geht nicht darum, die Gesinnung zu verraten, aber ein Bundesrat muss zu seiner Partei eine gewisse Distanz wahren."


Um die Unabhängigkeit deutlicher zu machen, könnte man auch überlegen, ob ein Bundesrat bei seinem Amtsantritt nicht aus der Partei austreten solle.


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