Persoenlich,
Inteview vom Montag, 10. Oktober 2005, von
David Vonplon.
(Link).
"Mit ihrem Versteckspiel hat Ingrid Deltenre viel Bonus verloren"
Seit Wochen und Monaten reitet der Blick Kampagne um Kampagne gegen
das Schweizer Fernsehen. Und mit der jüngsten Enthüllung der
SonntagsZeitung, das Salär des "Traumjob"-Siegers werde zum Teil
von SF DRS bezahlt, kommt der Staatssender erneut unter Druck. Weshalb
gerät der Leutschenbach so oft ins Kreuzvisier der Medien?
Kommunikationsberater Marcus Knill sieht den Ursprung der schlechten
Presse vor allem in der "unglücklichen" Kommunikationspolitik
des Senders.
|
Herr Knill, SF DRS steht aufgrund der angeblichen Finanzierung des
Traumjob-Salärs schon wieder im Schussfeld der medialen Kritik. Wo
sehen Sie die Gründe dafür?
|
Wir sprechen in der Krisenkommunikation von einem Gleichgewicht
zwischen Schweigen und Sprechen. Das Schweizer Fernsehen hat nicht
begriffen, dass es sowohl ein schädliches Schweigen gibt als
auch ein schädliches Zuviel-Reden. Als Frau Deltenre von Roger
Schawinski angegriffen wurde, hat sie viel zu früh und ungefiltert
zurückgeschossen. Indem Sie Schawinski Neid vorwarf, hat sie
die Eskalation selbst herbeigeführt. Im Gegenzug tauchte sie
ab, als es um das Aus der Ogi-Hymne in der Sendung "Ein roten Teppich
für..." ging. Und als SF DRS im Zusammenhang mit "Traumjob" in den
Verdacht geriet, Schleichwerbung zu betreiben, sagte sie ebenso wenig, wie
nun zur angeblichen Finanzierung des Siegersalärs. In allen diesen
Fällen erwies sich ihr Schweigen als äusserst kontraproduktiv
und wurde als Zensur ausgelegt. Denn wer einfach schweigt, ohne zu
erklären weshalb, muss sich nicht wundern, wenn die Leute sauer
werden. Insgesamt komme ich zum Schluss, dass SF DRS unglücklich
kommuniziert hat. Daran ändert sich auch nicht viel, dass SF DRS am
Montag Abend in einer Pressemitteilung zu den Salären in "Traumjob"
Stellung nimmt.
|
Frau Deltenre sagte kürzlich in einem
"persönlich"-Gespräch: "Wir kommunizieren als SF DRS viel
offener als früher".
|
Ich kann mir vorstellen, dass sich Frau Deltenre anfangs Offenheit auf
Ihre Fahnen geschrieben hat. Doch eines scheint mir klar: Im Zusammenhang
mit der unablässigen Kritik des Blicks ist die Fernsehdirektorin
sicherlich nicht offener geworden. Und durch dieses Versteckspiel hat
sie sehr viel Bonus verloren.
|
Wie erklären Sie sich die kommunikative Fehlleistung von SF DRS?
|
Ich vermute, Frau Deltenre ist von den Ereignissen überrascht
worden. Doch das kann Sie nicht publik machen. Denn jede Institution
ist verpflichtet, die verschiedenen Szenarien zu antizipieren. Wenn
die SF-Führung nicht damit gerechnet hat, dass die Frage nach dem
Salär des "Traumjob"-Gewinners gestellt wird, dann hat sie ihre
Hausaufgaben nicht gemacht. Und so etwas wäre nicht zu entschuldigen.
|
Nachdem die SonntagsZeitung berichtete, SF DRS bezahle Teile des
Salärs vom "Traumjob"-Sieger, liess die Unternehmenskommunikation
verlauten, man gebe zu Vertragsinhalten prinzipiell keine Auskunft.
|
Mediensprecher Urs Durrer hätte doch den Medien mitteilen
können, dass es SF DRS aus vertraglichen Gründen nicht
möglich ist, Angaben zum Salär des "Traumjob"-Gewinners zu
machen. Etwa weil SF DRS in diesem Falle eine Konventionalstrafe
zu entrichten hätte. Doch ich habe nichts dergleichen
gelesen, auch nicht, dass SF DRS untersuchen will, wie dicht diese
Verträge sind. Mich erstaunt, dass man am Leutschenbach das ABC
der Kommunikationskultur nicht ganz beherrscht. Dass ausgerechnet eine
Institution versagt, die der Bevölkerung zeigen sollte, wie man
gut kommuniziert, macht die Sache nicht besser.
|
Wie weit ist SF DRS verpflichtet, die Gebührenzahler zu informieren,
was mit ihrem Geld geschieht?
|
Das Fernsehen hat -- falls die Behauptungen der SonntagsZeitung stimmen
- mit den Geldern der Öffentlichkeit bezahlt. Es ist deshalb nach
meinem Dafürhalten verpflichtet zu informieren. Deltenre wäre
also gefordert gewesen, hinzustehen und zu sagen: "Wir untersuchen
die Sachlage und informieren zu gegebener Zeit." Doch sie hat nichts
dergleichen getan. Ihr Verhalten zeugt genau vom Gegenteil einer offenen
Kommunikationspolitik.
|
Was sagen Sie zur Haltung von Frau Deltenre, SF-intern ein Redeverbot
gegenüber ihr unliebsamen Journalisten zu verhängen? -
|
Grundsätzlich gilt: Alle Medien werden gleich behandelt. Aber: Es
gibt keinerlei Verpflichtung, einzelnen Journalisten, die die Spielregeln
nicht einhalten, empfangen zu müssen. Solange das Redeverbot nur
für einzelne Personen gilt, nicht aber gegen einzelne Titel, ist
die Haltung Deltenres für mein Dafürhalten verständlich.
|
Wären Sie Kommunikationsberater von Frau Deltenre, welchen Rat
würden Sie der Fernsehdirektorin zum heutigen Zeitpunkt geben? -
|
Befindet sich ein Exponent wirklich im Schlamassel, ist ein "Mea Culpa"
eine Variante, die sich oft bewährt hat. Damit fällt der gesamte
Druck schlagartig weg. Falls Deltenre dies nicht will oder kann würde
ich einen Neuanfang vorschlagen. Dazu gehört eine vorgängige
Standortbestimmung, ein Kommunikationskonzept und auch ein Antizipieren,
wie in einem nächsten Fall vorgegangen werden soll. Statt wie
bisher weiterzufahren, kommt Frau Deltenre nicht darum herum, wirklich
zu informieren. Denn ich gehe davon aus, dass der Blick künftig
genüsslich jede Gelegenheit nutzen wird, in dieselbe Bresche zu
schlagen wie bisher. Ein Verharren in einer Trotzhaltung wäre
deshalb das Schlimmste, was nun passieren könnte. Dies zeigt das
Beispiel von Bundeskanzler Schröder: Mit seiner Medienschelte in
der Elefantenrunde hat er sich selber demontiert -- und nun ist er schon
nicht mehr Kanzler.
|
Nachtrag vom 15. Oktober 2005: Lohn oder Entschädigung?
|
Jürg Marquard korrigierte am 14. Oktober 2005 die Aussage, er habe im
Zusammenhang mit den Traumjob einen "Lohn" erhalten. Korrekterweise
müsse es heissen: "Produktionsentschädigung für ein
umfassendes Leistungspaket".
|
Wir gehen davon aus, dass dies korrekt ist. Jedenfalls hatte er Geld
kassiert. Dennoch sind wichtige Fragen nicht beantwortet. Obschon das
Fernsehen und Jürg Marquard wiederholt betont hatten, über den
Vertrag werde nichts gesagt und dürfe auch nichts gesagt werden,
durchbrachen Jürg Marquard und Ingrid Deltenre nachträglich
das Prinzip des Stillschweigens. In einer gemeinsamen Medienkonferenz
wollten sie angebliche Missverständnisse klären und legten
die Zahlen doch noch auf den Tisch.
Es war zu erfahren, das ein Co-Produktionsvertrag bestehe. Dentenre
räumte ein, dass eine Passage des Vertrages missverstanden werden
könne. SF DRS habe zur eigenen Absicherung darauf bestanden, dass
die letzte Tranche von 200'000 Fr der Entschädigung an die Marquard
Produktions erst dann bezahlt werde, wenn der Gewinner der TV-Sendung
seinen Job effektiv antrete. Marquard erhielt eine Entschädigung
von insgesamt 600'000.-- Fr. Nach Abzug aller Kosten beträgt
der Lohn für Marquard 250'000.-- Fr. Für die Sendung
"Traumjob" müssen für 11 Sendungen insgesamt 3.95 Millionen
Franken aufgewendet werden. Dies sei angemessen.
Was uns bei der Kontraverse erstaunt:
Deltenre bezeichnete die Medienkonferenz als Novum und Ausnahme. Es
gelte nämlich der Grundsatz, Inhalte von Verträge nicht
öffentlich bekannt zu geben. Wir fragen uns: Weshalb wurde
in diesem Fall das Prinzip des Schweigens nach dem Medienrummel
nachträglich durchbrochen? War der Druck der Printmedien zu gross?
Hatte möglicherweise der SRG Chef Armin Walpen die Direktorin unter
Druck gesetzt? (Politisch kommt ihm gderzeit eine Kontraverse um Finanzen
nicht gelegen). Kann diese Offenlegung nicht zum Präzedenzfall
werden?
|
|
|
Nachtag vom 16. Oktober, 2005: Links: Sonntagszeitung vom 14.Oktober 2005:
"Traumjob" Dossier liegt jetzt bei Medienminister Leuenberger.
Quelle: "Sonntagszeitung".
Rechts: Blicktitel vom 16. Oktober 2005: Marquard und Deltenre werden von
Walpen kritisiert.
|
|
Nachtrag vom 23. Oktober: Amgarten stösst Frey vom roten Teppich
Patrick Frey ist angeblich bei SF DRS nicht mehr unerwünscht:
Nach der Aufregung um die "Ogi-Hymne" will Unterhaltungschefin Gabriela
Amgarten nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten. Frey scheint dies egal
zu sein:
"Ich bin heilfroh, nicht mehr dabei zu sein."
|
In einem persönlichen Brief an Patrick Frey soll
SF-DRS-Unterhaltungschefin Gabriela Amgarten Klartext
geschrieben haben:
"Nach reiflicher Überlegung ist eine künftige Zusammenarbeit
im Rahmen der Sendung Ein roter Teppich für ... nicht mehr möglich."
|
Amgarten wünscht weniger Satire, dafür mehr Humor.
"Wir erachten satirische Elemente am Samstagabend beim roten Teppich
nicht als passend",
|
begründet sie ihren Entscheid gegenüber dem "SonntagsBlick".
|
|