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www.rhetorik.ch aktuell: (9. Oktober, 2005)

Erneuter Wirbel um Traumjob Gelder

Schleichwerbung Roter Teppich Skandal Jürg Marquards Kritikunfähigkeit No comment Verhalten (I), (II), (III), (IV)


Nach dem Ärger mit der Schleichwerbung hat das Schweizer Fernsehen schon wieder Probleme:

SF DRS soll offenbar einen Teil des Lohnes des bei der Marquard Media AG tätigen Martin Bachofners bezahlen. Das gehe aus einem Vertrag zwischen SF DRS und Marquard hervor, berichtet die "SonntagsZeitung". Damit würde Marquard von öffentlichen Geldern einen Teil des Salairs zahlen können. SF DRS hat dies angeblich vertraglich so geregelt. Vor Tagen beanstandeten wir schon die Informationspolitik des Schweizer Fernsehens und zwar im Zusammenhang mit der Geschichte mit dem "Roten Teppich".


SF DRS wollte zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen:

"Wie üblich geben wir über Vertragsinhalte keine Auskunft",


lautete die Antwort des DRS Mediensprechers Urs Durrer.

Während der Sendung wurde der Eindruck erweckt, Marquards Verlags- und Mediengruppe zahle den Lohn. Das dachten sich jedenfalls die Zuschauer. Laut "SonntagsZeitung" ging auch Bachofner davon aus, dass sein Lohn von Marquard bezahlt werde.

Die Sendung "Traumjob" war bereits früher beanstandet worden. Das Bundesamt für Kommunikation BAKOM beanstandete zwei Verletzungen der Werbe- und Sponsoringvorschriften in der Sendung, wogegen die SRG rekurrierte. Auch DRS-Ombudsmann Otto Schoch hatte "Traumjob" recht kritisch beurteilt.




Nachtrag vom 10. Oktober, 2005

Nach dem Wirbel in der "Sonntagszeitung" hielt sich der Pressesprecher SF DRS bedeckt. Urs Durrer sagte damals wortwörtlich:

"Wir geben zu Vertragsinhalten keine Auskunft!"


Nachdem jedoch die Boulevardpresse am Montag die Geschichte mit dem Titel aufgemacht hatte:

"Traumjob -jetzt ein Fall für Leuenberger",


gelangte das Schweizer Fernsehen am Montagabend dennoch mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit und erklärte plötzlich, im Vertrag zwischen SF DRS und Marquard Production AG stehe ausdrücklich, dass der Sieger von der Marquard Media AG angestellt und auch entlöhnt werde. Marquard Media AG trage alle Rechte und Pflichten als Arbeitgeber gegenüber Martin Bachofner. Zwischen SF DRS und dem Sieger Martin Bachofner bestehe keine vertragliche Verbindung.

Wir fragen uns nun: Falls tatsächlich keine vertragliche Bindung bestanden hat, weshalb durfte dies dann so lange nicht kommuniziert werden? Wenn das Fernsehen von einem Vertrag schreibt, den es angeblich gegeben hat - darüber aber nichts gesagt werden dürfte - weshalb darf nachträglich trotzdem in einer Pressemitteilung darüber informiert werden?

Aufmerksamen Leserinnnen und Lesern ist es nicht zu verargen, wenn sie bei diesem sonderbaren Kommunikationsverhalten irritiert sind.




Persoenlich, Inteview vom Montag, 10. Oktober 2005, von David Vonplon. (Link).

"Mit ihrem Versteckspiel hat Ingrid Deltenre viel Bonus verloren"

Seit Wochen und Monaten reitet der Blick Kampagne um Kampagne gegen das Schweizer Fernsehen. Und mit der jüngsten Enthüllung der SonntagsZeitung, das Salär des "Traumjob"-Siegers werde zum Teil von SF DRS bezahlt, kommt der Staatssender erneut unter Druck. Weshalb gerät der Leutschenbach so oft ins Kreuzvisier der Medien? Kommunikationsberater Marcus Knill sieht den Ursprung der schlechten Presse vor allem in der "unglücklichen" Kommunikationspolitik des Senders.


Herr Knill, SF DRS steht aufgrund der angeblichen Finanzierung des Traumjob-Salärs schon wieder im Schussfeld der medialen Kritik. Wo sehen Sie die Gründe dafür?
Wir sprechen in der Krisenkommunikation von einem Gleichgewicht zwischen Schweigen und Sprechen. Das Schweizer Fernsehen hat nicht begriffen, dass es sowohl ein schädliches Schweigen gibt als auch ein schädliches Zuviel-Reden. Als Frau Deltenre von Roger Schawinski angegriffen wurde, hat sie viel zu früh und ungefiltert zurückgeschossen. Indem Sie Schawinski Neid vorwarf, hat sie die Eskalation selbst herbeigeführt. Im Gegenzug tauchte sie ab, als es um das Aus der Ogi-Hymne in der Sendung "Ein roten Teppich für..." ging. Und als SF DRS im Zusammenhang mit "Traumjob" in den Verdacht geriet, Schleichwerbung zu betreiben, sagte sie ebenso wenig, wie nun zur angeblichen Finanzierung des Siegersalärs. In allen diesen Fällen erwies sich ihr Schweigen als äusserst kontraproduktiv und wurde als Zensur ausgelegt. Denn wer einfach schweigt, ohne zu erklären weshalb, muss sich nicht wundern, wenn die Leute sauer werden. Insgesamt komme ich zum Schluss, dass SF DRS unglücklich kommuniziert hat. Daran ändert sich auch nicht viel, dass SF DRS am Montag Abend in einer Pressemitteilung zu den Salären in "Traumjob" Stellung nimmt.
Frau Deltenre sagte kürzlich in einem "persönlich"-Gespräch: "Wir kommunizieren als SF DRS viel offener als früher".
Ich kann mir vorstellen, dass sich Frau Deltenre anfangs Offenheit auf Ihre Fahnen geschrieben hat. Doch eines scheint mir klar: Im Zusammenhang mit der unablässigen Kritik des Blicks ist die Fernsehdirektorin sicherlich nicht offener geworden. Und durch dieses Versteckspiel hat sie sehr viel Bonus verloren.
Wie erklären Sie sich die kommunikative Fehlleistung von SF DRS?
Ich vermute, Frau Deltenre ist von den Ereignissen überrascht worden. Doch das kann Sie nicht publik machen. Denn jede Institution ist verpflichtet, die verschiedenen Szenarien zu antizipieren. Wenn die SF-Führung nicht damit gerechnet hat, dass die Frage nach dem Salär des "Traumjob"-Gewinners gestellt wird, dann hat sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Und so etwas wäre nicht zu entschuldigen.
Nachdem die SonntagsZeitung berichtete, SF DRS bezahle Teile des Salärs vom "Traumjob"-Sieger, liess die Unternehmenskommunikation verlauten, man gebe zu Vertragsinhalten prinzipiell keine Auskunft.
Mediensprecher Urs Durrer hätte doch den Medien mitteilen können, dass es SF DRS aus vertraglichen Gründen nicht möglich ist, Angaben zum Salär des "Traumjob"-Gewinners zu machen. Etwa weil SF DRS in diesem Falle eine Konventionalstrafe zu entrichten hätte. Doch ich habe nichts dergleichen gelesen, auch nicht, dass SF DRS untersuchen will, wie dicht diese Verträge sind. Mich erstaunt, dass man am Leutschenbach das ABC der Kommunikationskultur nicht ganz beherrscht. Dass ausgerechnet eine Institution versagt, die der Bevölkerung zeigen sollte, wie man gut kommuniziert, macht die Sache nicht besser.
Wie weit ist SF DRS verpflichtet, die Gebührenzahler zu informieren, was mit ihrem Geld geschieht?
Das Fernsehen hat -- falls die Behauptungen der SonntagsZeitung stimmen - mit den Geldern der Öffentlichkeit bezahlt. Es ist deshalb nach meinem Dafürhalten verpflichtet zu informieren. Deltenre wäre also gefordert gewesen, hinzustehen und zu sagen: "Wir untersuchen die Sachlage und informieren zu gegebener Zeit." Doch sie hat nichts dergleichen getan. Ihr Verhalten zeugt genau vom Gegenteil einer offenen Kommunikationspolitik.
Was sagen Sie zur Haltung von Frau Deltenre, SF-intern ein Redeverbot gegenüber ihr unliebsamen Journalisten zu verhängen? -
Grundsätzlich gilt: Alle Medien werden gleich behandelt. Aber: Es gibt keinerlei Verpflichtung, einzelnen Journalisten, die die Spielregeln nicht einhalten, empfangen zu müssen. Solange das Redeverbot nur für einzelne Personen gilt, nicht aber gegen einzelne Titel, ist die Haltung Deltenres für mein Dafürhalten verständlich.
Wären Sie Kommunikationsberater von Frau Deltenre, welchen Rat würden Sie der Fernsehdirektorin zum heutigen Zeitpunkt geben? -
Befindet sich ein Exponent wirklich im Schlamassel, ist ein "Mea Culpa" eine Variante, die sich oft bewährt hat. Damit fällt der gesamte Druck schlagartig weg. Falls Deltenre dies nicht will oder kann würde ich einen Neuanfang vorschlagen. Dazu gehört eine vorgängige Standortbestimmung, ein Kommunikationskonzept und auch ein Antizipieren, wie in einem nächsten Fall vorgegangen werden soll. Statt wie bisher weiterzufahren, kommt Frau Deltenre nicht darum herum, wirklich zu informieren. Denn ich gehe davon aus, dass der Blick künftig genüsslich jede Gelegenheit nutzen wird, in dieselbe Bresche zu schlagen wie bisher. Ein Verharren in einer Trotzhaltung wäre deshalb das Schlimmste, was nun passieren könnte. Dies zeigt das Beispiel von Bundeskanzler Schröder: Mit seiner Medienschelte in der Elefantenrunde hat er sich selber demontiert -- und nun ist er schon nicht mehr Kanzler.




Nachtrag vom 15. Oktober 2005: Lohn oder Entschädigung?

Jürg Marquard korrigierte am 14. Oktober 2005 die Aussage, er habe im Zusammenhang mit den Traumjob einen "Lohn" erhalten. Korrekterweise müsse es heissen: "Produktionsentschädigung für ein umfassendes Leistungspaket".


Wir gehen davon aus, dass dies korrekt ist. Jedenfalls hatte er Geld kassiert. Dennoch sind wichtige Fragen nicht beantwortet. Obschon das Fernsehen und Jürg Marquard wiederholt betont hatten, über den Vertrag werde nichts gesagt und dürfe auch nichts gesagt werden, durchbrachen Jürg Marquard und Ingrid Deltenre nachträglich das Prinzip des Stillschweigens. In einer gemeinsamen Medienkonferenz wollten sie angebliche Missverständnisse klären und legten die Zahlen doch noch auf den Tisch.

Es war zu erfahren, das ein Co-Produktionsvertrag bestehe. Dentenre räumte ein, dass eine Passage des Vertrages missverstanden werden könne. SF DRS habe zur eigenen Absicherung darauf bestanden, dass die letzte Tranche von 200'000 Fr der Entschädigung an die Marquard Produktions erst dann bezahlt werde, wenn der Gewinner der TV-Sendung seinen Job effektiv antrete. Marquard erhielt eine Entschädigung von insgesamt 600'000.-- Fr. Nach Abzug aller Kosten beträgt der Lohn für Marquard 250'000.-- Fr. Für die Sendung "Traumjob" müssen für 11 Sendungen insgesamt 3.95 Millionen Franken aufgewendet werden. Dies sei angemessen.

Was uns bei der Kontraverse erstaunt: Deltenre bezeichnete die Medienkonferenz als Novum und Ausnahme. Es gelte nämlich der Grundsatz, Inhalte von Verträge nicht öffentlich bekannt zu geben. Wir fragen uns: Weshalb wurde in diesem Fall das Prinzip des Schweigens nach dem Medienrummel nachträglich durchbrochen? War der Druck der Printmedien zu gross? Hatte möglicherweise der SRG Chef Armin Walpen die Direktorin unter Druck gesetzt? (Politisch kommt ihm gderzeit eine Kontraverse um Finanzen nicht gelegen). Kann diese Offenlegung nicht zum Präzedenzfall werden?




Nachtag vom 16. Oktober, 2005: Links: Sonntagszeitung vom 14.Oktober 2005: "Traumjob" Dossier liegt jetzt bei Medienminister Leuenberger. Quelle: "Sonntagszeitung".
Rechts: Blicktitel vom 16. Oktober 2005: Marquard und Deltenre werden von Walpen kritisiert.




Nachtrag vom 23. Oktober: Amgarten stösst Frey vom roten Teppich

Patrick Frey ist angeblich bei SF DRS nicht mehr unerwünscht: Nach der Aufregung um die "Ogi-Hymne" will Unterhaltungschefin Gabriela Amgarten nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten. Frey scheint dies egal zu sein:

"Ich bin heilfroh, nicht mehr dabei zu sein."


In einem persönlichen Brief an Patrick Frey soll SF-DRS-Unterhaltungschefin Gabriela Amgarten Klartext geschrieben haben:

"Nach reiflicher Überlegung ist eine künftige Zusammenarbeit im Rahmen der Sendung Ein roter Teppich für ... nicht mehr möglich."


Amgarten wünscht weniger Satire, dafür mehr Humor.

"Wir erachten satirische Elemente am Samstagabend beim roten Teppich nicht als passend",


begründet sie ihren Entscheid gegenüber dem "SonntagsBlick".


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