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www.rhetorik.ch aktuell: (26. September, 2005)

Der Skandal mit dem Roten Teppich



Am Freitag 25. September wurde die erste Sendung "Ein roter Teppich für Adolf Ogi" aufgezeichnet. Wir verfolgten die Premiere am Samstagabend. Doch ohne die sechsminütige Parodie des Kabarettisten Patrick Frey. Nach der Sonntagszeitung vom 25. September hatte Frey in der fiktiven Rolle des Politikerforschers Klaus Voellmi den Lebensweg Ogis frech, launig und anspielungsreich geschildert und dabei noch die Schweizer Landeshymne intoniert. Bei der Aufzeichnung sei Ogi beim Erklingen der Landeshymne reflexartig aufgestanden und die Moderatorin Sandra Studer sei Ogis Geste gefolgt. Das Publikum soll auch mehrheitlich aufgestanden sein und der Armeechef Christoph Keckeis habe mit der angewinkelter Hand an der Stirn salutiert.

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Ogi auf Rotem Teppich


Doch habe der Text nicht zu diesem feierlichen Tun gepasst. "Wenn dein Berner Grind sich rötet/betet, weiche Ei-ei-er betet" habe der Parodist in Anspielung an den legendären Eierkocher Ogi dazu gesungen. Nach der Aufzeichnung habe SF-DRS Unterhaltungschefin Amgarten dem Kabarettisten mitgeteilt, am Samstag werde dieser Beitrag gestrichen. Er sei weder lustig noch originell. Aus Angst, das Publikum könnte die Parodie missverstehen? Kurt Felix, der Verantwortliche für das Sendekonzept und die Fernsehdirektorin hätten unisono entschieden, auf den ganzen Auftritt Freys zu verzichten. Frey war ursprünglich als Kontrapunkt zur "Lobhudelei Ogis" gedacht. Frey überlegt sich nach dieser Zensur, ob er künftig generell auf die geplanten Lautationes verzichten soll. Jedenfalls soll er geschimpft haben: "Die Rolle eines Befehlsempfänger in einer Institution mir dem Charakter einer Erziehungsanstalt behagt mir nicht!"

Kommentar: In verschiedensten Beiträgen beleuchteten wir verschiedentlich die Frage: Gibt es Grenzen bei Satire und Kunst? Kennt die Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit tatsächlich keine Grenzen? Gibt es völlige Narrenfreiheit, wenn es um religiöse Fragen, Landeshymnen, oder Diskriminierungen geht? Es ist erstaunlich, wie schnell es bei den sensiblen Bereichen zu Protesten und Beschwerden kommen kann. Es ist aber auch erstaunlich, dass - je nach Situation oder Komiker - sehr viel "geschluckt "wird. Harald Schmid konnte beispielsweise problemlos die unkorrektesten Sprüche klopfen. Es wurde alles akzeptiert. Wir gehen davon aus, dass Adolf Ogi Freys Parodie auch verstanden hätte.

Aber das Publikum? Wie hätte es reagiert? Gewiss fürchteten sich die Sendeverantwortlichen vor den Beschwerden, die es bestimmt auch gegeben hätte und den endlosen Schreibereien. Die Zensur in diesem Fall ist durchaus verständlich. Die Frage der erwähnten Grenzziehung wird uns gewiss noch länger beschäftigen.




Patrick
Frey
Nachtrag vom 29. September 2005: Mega Hit.

Nach Blick wird nun die Ogi Hymne ein Mega- Hit. Dies zeigt dass Zensur und Verbote in der Regel kontraproduktiv sind. Wäre die Ogi Hymne gesendet worden, wäre der Rauch längst verflogen. Der "Roter Teppich"-Skandal geht aber weiter. Der Satiriker Patrick Frey verlangt nun vom Schweizer Fernsehen, dass es seine zensurierte "Ogi-Hymne" veröffentlicht. Unterhaltungs-Chefin Gabriela Amgarten will aber das geheime Band für immer unter Verschluss halten:

"Diese Zensur von SF DRS kommt mir vor wie in der alten Sowjetunion", wettert Patrick Frey. "Es ist absolut unverständlich, warum mein Beitrag der Öffentlichkeit vorenthalten wird."


Nach "Sonntagszeitung" sollen SF-DRS-Unterhaltungschef Gabriela Amgarten, Kurt Felix und TV-Direktorin Ingrid Deltenre sich einstimmig entschieden haben, den Auftritt Freys herauszuschneiden. "Persönlich.ch": Kurt Felix sei zwar ein bekennender Frey-Fan, begründete seine Zustimmung zur Zensur mit dem Argument, dass er
'nach der Sendung nicht mehr Arbeit als vor der Sendung haben wolle'
"Blick Online" lieferte unterdessen die ganze Laudatio von Patrick Frey im Wortlaut:
Sehr geehrte Herr Ogi, liebi Ogi-Fans!

Websites habe ich bei der UNO und in Gümligen. So isch es. De Name Ogi isch i de letschte Jahre wältbekannt worde. De Ogi, oder The Ougi, wie ihm d Frau Blair seit, isch so berühmt, dass er meh Google-Träffer erzielt als jede anderi Ex-Bundesrat, ja, googlemässig hänkt er sogar en amtierende Bundesrat ab, es isch de Hans-Rudolf Merz. Und dä gseht immerhin fascht eso guet uus wie de Ogi und hät sogar en Liebesroman gschribe. Aber de Ogi isch ebe i jedere Hinsicht en Macher.

Aber: Woher chunnt dä Name, woher chömed eigetlich die Ogis? Es isch eso: vermutlich stammed die Kandersteger Ogi, vo de Oger, ab, das sind grossgwachseni, relativ stark behaarti Waldwäse gsii, mit sehr grosse, expressive Händ. Me seit ene au: "Gemmi-Shreks. Die Oger sind im Kandertal na bis in 30jährigi Chrieg ine dokumentiert gsii.

Me häts aber dänn aber au bis zum Änd vo der Berner Herrschaft na chönne beobachte, vorallem uf dem Panoramaweg vo Ramslauene zur Schlafegg ufe. Die Höhlene vo dene Oger sind jetzt übrigens alli UNESCO-Wältkulturerbe, genauso, wie ja sit neuschtem au s Primarschuelhuus vo Kandersteg. Vo dene Oger weiss mer, dass sie es ganz es sältsams Ritual ghaa händ: Sie händ eimal im Jahr, zmitzt im Winter, vor ihrer Höhli usse es Tännli uufgstellt, sind näbet anegstande und händ dänn sehr luut in Wald ine brüelet und derzue mit ihrne groosse expressive Händ ab und zue das Tännli gstreichlet. Werum, das weiss me nöd. Und was die Oger genau in Wald inegrüeft händ, isch au nüme bekannt. Aber s Bild isch blibe. Dunkel, wie d Nadle vom Tännli und mysteriös wie d Affäre Bellasi. Vermuetlich isch es bi dem Ritual eifach drum gange, em Winter en Schreck iizjage. Oder vielleicht au dene Angschthase us em Underland. Zum Biischpiel dene vo der Zürcher SVP.

Suscht weiss mer vo dene Oger eigentlich nur na, dass sie sehr gaschtfründlich gsii sind und ab und zue uuserwählti Mänsche znacht in ihri Höhlene iiglade händ. Deet häts dänn zum Aesse uusschliesslich weichkocheti Eier gää. Und zwar die vo de männliche Gäscht. Nur eine, seit mer, sig emal dem Schicksal entgange, er hebi und jetzt chunnts er hebi halt en Kristall im Sack ghaa. Ja, so en Ogi-Kristall, das isch viel meh als nur es Souvenir!!

Eimal allerdings, bi der Olympiakandidatur, hät em Ogi au de Kristall nüüt gnützt. Und das isch eso choo: De Ogi, schlau wie n er isch, hät nämlich echli welle go spioniere, was die Turiner alles eso vorhänd für ihri Kampagne. Und vorallem hät er em Sindaco welle en Kristall übergää, und zwar eine, wo dem Bürgermeischter hetti sölle mit magische Chreft kristallklarmache , dass Turin gäge Sion kei Chance hät. Aber ebe das Telefon isch dänn offebar sehr churz gsii:

Pronto. Chi parla? Qui Oggi. Domani vengo a Torino. Chi viene? Oggi. No, oggi è chiuso. Grazie per il telefono. Arrivederla.

Vo dere tragische Gschicht her isch es vieliicht echli eifacher zbegriiffe, woher de OGI die unerhört Energie ghaa hät, mit dere er sich gäg das Turin und vorallem für das Sion iigsetzt hät. Wil, ich meine, Sion, das isch Wallis!!

Und: Frööged Sie emal en Berner Oberländer, was das seg, en intelligente Mänsch im Wallis. Dänn seit dä nöd Bodemaa, dänn seit dä: En Tourischt.

Ja, und will ebe de Ogi nöd nur in kantonaler Hinsicht immer wieder über sonigi Schätte gumpet isch, wett ich ihm zum Schluss na e Hymne singe, nöd irgend e Hymne, sondern d Ogi-Hymne:
Kamst von Kandersteg daher
so wie Du kanns keiner mehr
Dölf du unvergleichlicher Botschafter
Wenn dein Berner Grind sich rötet
Betet weiche Ei-ei-er betet
Denn du sprichst mit Herz und Hand
Selbst ein Kofi Annan ahnt
Dölf hat mehr als nur Verstand
Unser Ogi aus dem O-o-o-berland

Du kennst Gemmi und Piz Nair
Und das Kätzchen von Frau Blair
Dölf, Du weltpolitischer Bergführer
Den bornierten SVP-Kollegen
Kamst du öfters etwas ungelegen
Du bist halt mehr als Schiverband
Ein Kristall im Mittelland
Unser Dölf ist allerhand
Unser Ogi aus dem O-o-oberland


Nach üblicher Manier wurde die Ogi-Hymne zur Blick- Wochengeschichte. Jeden Tag gab es neue Zusatzinformationen. Am Donnerstag folgte die Ankündigung: Politiker würden eine Ogi-Hymne einüben.Gewiss wird daraus eine CD mit der zensurierten Ogi-Hymne erscheinen, vielleicht sogar mit Zutaten. Die CD wird dank der Blick-Gratiswerbung grossen Absatz finden, selbst dann, wenn sie musikalisch gar nichts taugt. Das Schweizer Fernsehens hat mit der Zensur und Schweigen in diesem Fall einmal mehr dazu gesort, dass eine Kleinigkeit zur Affaire aufgebauscht werden konnte. Der Boulvardpresse kam zu einer Wochenstory, die es nie verdient hätte, dermassen beachtet zu werden. Alles - dank Regisseur Blick und dank des unglücklichen Kommunikationsmanagements unseres Fernsehens. Wie erwartet kochte "Blick" die Geschichte munter weiter.

Diese Medienstory ist ein klassischer Beispiel dafür, wie Zensur und "Versteckspiel" kontraproduktiv sein können.




Nachtrag vom 1. Oktober, 2005



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