Angela Merkel war in einer komfortablen Situation. Man hatte sie vor dem
Duell als rhetorisch schwächer eingestuft. Dadurch war
schon vor dem Auftritt klar, dass sie mi einem einigermassen passabeln Abschneiden
bereits gewonnen hat. Versagt sie, so könnte sogar noch der
Mitleideffekt spielen. Zudem hat Merkel bei dieser Wahl einen Frauenbonus
(obschon Angela Merkel das nicht möchte), sie profitierte gewiss
auch vom deplatzierte Angriff von Doris Schröder-Köpf gegen
die Rivalin (so kurz vor der Wahl).
Bei Schröder war die Ausgangssituation ebenfalls gegeben: Falls
er wiederum rhetorisch brilliert, so könnte er mit der besten
Rhetorik die viel zu hohe Arbeitslosigkeit nicht - einfach so - vom
Tisch fegen. Wenn Schröder zu souverän, mit spürbarer
Überheblichkeit auftritt, dann schadet er sich selbst. Gerhard
Schröders Bemühen diesen Balanceakt zu meistern, war gut zu
hören und zu sehen, sowohl beim Ton, wie beim Blick oder Lachen.
Er zeigte sich während dem Duell kaum anders als sonst.
Ferner wussten wir auch schon vor dem Auftritt, dass es mit den 4
Moderatoren kaum zu einem echten Duell kommen wird. Der Austausch von
Meinungen wurde wie vermutet während des Duells durch die Moderatoren
behindert. Das ständige Unterbrechen störte enorm. Merkel
und Schröder waren beide Profis im Umgang mit Unterbrechungen. Sie
liessen sich nicht vom roten Faden abbringen. Im deutschen Fernsehen kam
es im aktuellen Wahlkampf erst einmal zu einem richtigen Duell. Und zwar
beim Streitgespräch zwischen Lafontaine und Merz. In diesem Duell
spielte der gegenseitiger Austausch von Meinungen hervorragend. Nach
unserm Dafürhalten war das Korsett von Regularien eng. Es gelang
den Duellanten immer wieder den Moderatoren das Szepter aus der Hand
zu nehmen.
Für uns war das heutige Duell eher ein Vorstellungsauftritt
der neuen Kanzlerin und eine gelungene Abschiedspräsentation
Schröders, bei dem es sicherlich auch um die grosse Koalition gehen
musste. Nur wenige Phasen des Streitgespräches waren lebhaft.
Emotionen schimmerten einige Male durch. Als der Kanzler mit dem
Zitat seiner Frau Doris gegen Angela Merkel konfrontiert wurde, kam
er in die Zwickmühle. Es blieb ihm nichts anderes übrig,
als die eigenen Frau zu verteidigen und den fragwürdigen Angriff
zu unterstützen. "Ich bin stolz auf meine Frau".
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Zu den Duellanten:
Das sonst zu gönnerhaft wirkende "Machogehabe" Gerhard Schröders
fiel erstaunlicherweise nicht gross auf. Schröder wirkte generell
souverän und kompetent. Er zügelte sich und griff die Gegnerin
nicht persönlich sondern indirekt an. Angela Merkel wirkte für
uns ehrlicher und sie war erfreulicherweise nicht mehr so spröde
wir vor Monaten. Im Gegenteil: Sie war präsent und setzte sich immer
wieder durch. Bei Sachfragen konnte sie Schröder das Wasser reichen.
Wir glauben nach wie vor, dass das mediale Grossereignis die Wahlresultate
kaum wesentlich beeinflussen wird. Es könnte höchstens für
die Koalition richtungsweisend sein.
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Wir gingen einigen Fragen nach:
Gab es Überraschungen?
Oft sind Überraschungen ausschlaggebend. Vor Jahren
im Duell zwischen Ludwig Ehrhard und Herbert Wehner gelang es damals
Wehner, Ehrhard zu irritieren. Nachdem Ehrhard längere Zeit recht
diffus gesprochen hatte, sagte Wehner überraschend: Nageln Sie
doch mal einen Pudding an die Wand. Hernach war das Duell entschieden.
Weder Merkel noch Schröder hatten eine beachtenswerte Ueberraschung
auf Lager. Im Duell wurde Schröder mit dem Zitat seiner Frau
überrascht.
Angela Merkel erregte sich, als Gerhard Schröder Merkels
Professor immer wieder despektierlich abwertete. Angela hatte Problem, den Angriff
Schröders bei der Mehrwertsteuerfrage zu kontern. Generell war der
Kanzler einige Male in der Defensive, was sonst nie der Fall war. Angela
Merkel war überraschend angriffig und erstaunlich offensiv.
- Wie locker oder verkrampft gaben sich die Duellanten?
Gewiss hat das Publikum auf einen Blackout gewartet oder wollten wissen,
ob sich jemand verheddert.
- Gelang es einer Seite, die Gegenseite unter Stress zu bringen?
Beide Duellanten standen alle Runden durch. Schläge wurden gekontert.
Niemand verlor die Nerven. Die Versuche den Gegner zu destabiliseren, gab
es einige. Doch kam es zu keinen grossen Patzern. Am Anfang registrierten
wir auf beiden Seiten kleine Versprecher.
- Wie autentisch waren die Duellanten?
Erfreulicherweise durften wir feststellen, dass weder Schröder noch
Merkel eine versteckte, verkünstelte Show abzogen. Beide blieben
sich selbst. Erfahrene Medienberater wissen: Ruhe, Sicherheit und eine
verständliche Sprache können wir antrainieren.
Doch Authentizitaet kommt von innen. Sie ist nicht trainierbar.
- Wer punktete wo?
Wir vermuten, dass Schröder wie früher Sympathiepunkte geholt
hat. Merkel punktete hinsichtlich Kompetenz im Bereich Arbeitslosigkeit.
Im Duell wurde auch die sogenannte
"Airbagrhetorik" genutzt. Wir hörten
eingeübte, vorbereitete Sprüche, wie:
"Meine Frau sagt, was sie denkt, und sie lebt, was sie sagt. Und ich
füg hinzu: Das ist nicht zuletzt der Grund, warum ich sie liebe"
(Schröder)
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Rhetorisch gut fanden wir folgenden Vorwurf:
"Man kann doch nicht ein Volk zum Versuchskaninchen von Herrn Kirchhof
machen wollen ... Es soll jeder, ob Millionär oder Krankenschwester
25 % bezahlen - an Steuern. Und finanziert werden soll das mit dem
Streichen der Steuerprivilegien für - Nachtarbeit - Schichtarbeit
- für Feiertagarbeit..." (Schröder)
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Mit derartigen Formulierungen (Details werden genannt, Adressaten werden
angesprochen) punktete Schröder.
Unser Partner und Mitarbeiter in Deutschland Hans-M. Hofmann brachte
die Wirkung der Duellanten auf den Punkt in dem er uns nach der Sendung
wissen liess: Ihm hat Frau Merkel besser gefallen. Sie wirkte natürlicher,
wenngleich sie in ihren Pausen recht beleidigt schaut.
Herr Schröders Blick war oft starr, als würde er ablesen.
Hans-M. Hofmann kann sich kaum vorstellen, dass dieses Duell keine
dramatische Änderung des Wählerverhaltens bewirken wird.
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Fazit:
Im Vergleich zu Edmund Stoiber, dem Duellanten vom Jahre 2002,
machte es Angela Merkel heute wesentlich besser. Im zweiten Teil wirkte
sie zwar etwas starrer. Sie hat aber ihre Frau gestellt und überzeugte.
Es besteht nun eine valable Chance, dass dieser einmalige Mediengrossanlass ausschlaggebend
sein könnte. Um die heutige Zittersituation zu klären, braucht
es jedenfalls nicht viel. Damit hat schwarzgelb nach diesem TV- Duell
wieder eine echte Chance, nach den Wahlen zu regieren. Dank des guten
Abschneidens gehen wir davon aus, dass Angela Merkel mit guten Karten
den Endspurt unter die Füssen nehmen kann. Für uns war das
Duell zu langatmig, oft langweilig. Das Konzept mit 4 Moderatoren hat
sich nicht bewährt. Die Journalisten kamen mit dem eigenen Konzept
Duell nicht ganz klar. Sie schienen erstaunt, dass die Duellanten trotz
starrer Spielregeln ausweichen konnten und die geheimen Ratschläge
Ihrer Coachs umzusetzen versuchten. Da ganze glich ab und zu einem Duell
zwischen Fragenden und Antwortenden.
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Die Schlacht der Interpretationen kann nun beginnen. Die Urteile und
Einschätzungen können wir während der nächsten Tage
in den Medien lesen und hören. Wir kommen gewiss darauf zurück.
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