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www.rhetorik.ch aktuell: (10. August, 2005)

Ziel erreicht mit Fötus-Skulptur



Wenn es ein Künstler fertig bringt, von sich reden zu lassen - im positiven wie im negativen Sinn - benötigt er keine zusätzliche Selbst-PR mehr. Vielleicht gibt es deshalb so viele Werke, die schockieren oder provozieren. Er geht uns hier nicht darum, darüber zu philosophieren, was Kunst ist. Für gewisse Experten darf Kunst alles (so wie die Satire). Für andere gibt es Grenzen. Wo sind nun diese Grenzen?
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Im Kunstmuseum Bern gab ein Exponat in der China-Ausstellung im Berner Kunstmuseum zu reden. Das "Kunstwerk" war sofort umstritten und es kam zu einem Medienwirbel. Das Objekt besteht aus Teilen eines menschlichen Fötus. Der Fötus ist aber keine Kopie. Es handelt sich um ein menschliches Präparat, teilten die Museumsverantwortlichen mit. Das Präparat stamme aus dem Naturhistorischen Museum in Peking, wo es seit den Sechziger- oder Siebzigerjahren zu Studienzwecken ausgestellt war. Der Künstler habe den Kopf des sechs Monate alten Fötus von einem Forscher des Museums erhalten, der die Aufgabe hatte, die alten Präparate zu entsorgen und durch neue zu ersetzen.

Das "Kunstwerk" ist diese Woche aus der Ausstellung entfernt worden, wie die Verantwortlichen des Kunstmuseums der Presse mitteilten. Begründung: Die gegenwärtige Kontroverse drohe die objektive Wahrnehmung der Ausstellung zu gefährden. Am 22. August findet dafür im Kunstmuseum ein Expertensymposium zu Fragen im Zusammenhang mit dem Werk statt. Danach soll über das weitere Vorgehen entschieden werden.


Das Werk des chinesischen Urhebers Xiao Yu zeigt den Körper eines Vogels mit einem aufgesetzten menschlichen Fötenkopf. Es wird in einem mit Flüssigkeit gefüllten Glasbehälter präsentiert. Der Glasbehälter ist einer von sechs, die gemeinsam das Werk mit dem Titel "Ruan" bilden. "Ruan" war 1999 an der Biennale in Venedig zu sehen, ohne dass es dort zu Beanstandungen gekommen wäre, wie das Kunstmuseum Bern festhält.


Die Arbeit habe vielmehr als wichtige Aussage zur damals aktuellen Diskussion um Fragen der Genmanipulation Beachtung gefunden. Der Walliser Historiker und Blog-Journalist Adrien de Riedmatten hatte Strafanzeige eingereicht. Er klagte mit der Begründung, das Werk sei eine Störung des Totenfriedens, eine Gewaltdarstellung sowie ein Verstosses gegen das Tierschutzgesetz.

Was bei diesem Beispiel - einmal mehr - bewusst gemacht werden kann: Skandale, Provokationen auch Negativschlagzeilen sind für die Macher willkommene PR Aktionen. Das Ziel, bekannt zu werden, wird mit öffentlichen Kontraversen am effizientesten erreicht. Medien haben für Provokateure einen idealen Multiplikationseffekt. Die "Werbung" kostet nichts.




Denkanstoss: Davon ausgehend, Kunstfreiheit dürfe durch keine Institution eingeschränkt werden, müssten wir letztlich auch tolerieren, dass beispielsweise ein Künstler einen blutverschmierten Koran ausstellt oder einen karikierten Papst abbildet - mit einem Verhüterli in der Hand. Ein Künstler dürfte auch nicht zur Rechenschaft gezogen werden für eine rassistische Aussage, die er in mit seinem "Kunstwerk" vermittelt. Ist bei der Kunst tatsächlich alles erlaubt? Die übelsten Darstellungen lassen sich bekanntlich von Kunstkritikern mit einem Sinn versehen. Man kann die pervertierte Darstellung mit einer gegenteiligen Aussage verknüpfen. Die unappetitlichsten Objekte lassen sich positiv interpretieren: "Der Künstler wollte mit seinem provokativen Werk nur eine Diskussion über ... anregen!"


Aus einem NZZ Beitrag:


Nachtrag vom 15. August: Bildhauer wegen Beleidigung angeklagt.

In Deutschland ist nach Artikel 5 des Grundgesetzes die Kunst frei.

Weil jedoch Bildhauer Schumann mit seinem "Kunstwerk", mit seiner auf dem Anhänger festgezurrten "Arschficker"- Plastik, vor dem Haupteingang des Amtgerichtes geparkt hatte und die Terminrolle Papiere mit vier Namen der Polizisten lesbar waren, konnte die Staatsmacht in diesem Fall eingreifen und den Künster wegen Verdachts auf Beleidigung einklagen. Die Plastik wurde jedenfalls beschlagnahmt und Bildhauer Schumann in die Klapsmühle eingewiesen.


Dies ist ein weiteres Beispiel, das einmal mehr in der Öffentlichkeit zur Diskussion über die Frage Anlass gab: Gibt es bei der Kunst tatsächlich keine Grenzen? Dank der Veröffentlichung des Vorfalls im Spiegel kann der Künstler damit rechnen, später berühmt zu werden. Gewiss ist der Wert des hölzerne "Arschfickers" gestiegen. Fazit:

Medienwirbel sind bei der Kunst immer willkommen.


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