Nach einer Serie von Negativschlagzeilen rund um die Deutsche Bank und
vor dem Hintergrund der Heuschrecken-Debatte, sprach Josef Ackermann bei
Maybrit Illner in "Berlin Mitte" am 16. Juni zur Thematik Von Heuschrecken
und vaterlandslosen Gesellen. Wir analysieren nachfolgend einige typische
Antworten des Deutschen Bank-Chefs auf kritische Fragen. Maybrit Illner
ging der Frage auf den Grund: Wie ticken Deutschlands Manager?
Journalistin:
Hat sich Herr Müntefering inzwischen bei Ihnen
entschuldigt. (Müntefering verglich Manager mit Heuschrecken)?
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Ackermann:
Nein! Ich kenne ihn nicht. Er kennt mich nicht. Ich habe und ich
werde mich auch über ihn nicht äussern. Ich habe zu Hause
gelernt, dass man sich über eine Person, die man nicht kennt,
nicht äussert. Daran möchte ich mich halten.
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Journalistin:
Man hat Ihnen bankintern geraten, dass Sie Ihren guten Draht zu Gerhard
Schröder doch einmal probieren könnten, dass er sich mal
entschuldigt bei Ihnen.
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Ackermann:
Nein, das würde ich nicht erwarten. Nein, ich glaube Herr
Müntefering und ich möchte es ganz von der persönlichen
äh Attacke nicht ein bisschen - schade finde weil- sie dient der Sache nicht
äh einmal absehen und sagen: Er trifft schon irgendwo einen
Kern und der bewegt uns alle. Schauen Sie: Kein Mensch schafft
gerne Stellen ab. Ich sowieso nicht. Ich bin einmal aus der Schweiz
weggegangen. Es hat geheissen: Der ist zu sozial. Der ist eigentlich
zu mitarbeiterorientiert. Aber...
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Journalistin:
Man hat gesagt, Sie sind zu Mitarbeiter-orientiert?
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Ackermann:
Ja, ja (kaum hörbar) und die Frage ist natürlich: Wieso hat
sich das geändert? Und wir haben jetzt in den letzten Tagen erlebt,
dass die zweitgrösste Bank Deutschlands von einer italienischen
Bank übernommen wurde. Da finde ich einfach, ist Deutschland zu
gross , zu wichtig. Ist die grösste Volkswirtschaft Europas, die
drittgrösste der Welt. Die braucht mindestens eine starke Bank,
die global operieren kann und die auch global erfolgreich ist.
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Journalistin:
Haben Sie die Politiker einfach nur falsch verstanden und begreifen
nicht, dass das eben nicht machtradikal und assozial ist, sondern,
dass Sie das tun müssen?
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Ackermann:
Ich glaube, zum Teil ist es natürlich so, dass man- äh- aus -
man befindet sich in einem Wahlkampf. Und in einem Wahlkampf hat man
vielleicht etwas andere äh Intensionen, die ich nachvollziehen
kann. Aber es ist wichtig, dass wir jetzt nach dem Wahlkampf in
Nordrhein-Westfalen und vielleicht sicher nach dem Bundeswahlkampf die
ganze Sache etwas intellektueller behandeln. Denn - es geht hier um viel
entscheidendere Fragen, nämlich: Sind deutsche Unternehmen global
erfolgreich? Und ich finde und ich sage dies als Schweizer sehr gerne
Deutschland braucht eine grosse Bank, die die deutsche Volkswirtschaft
und deutschen Unternehmen weltweit begleiten kann.
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Kommentar:
Ackermann kennt selbstverständlich Müntefering und vice
versa. Beide wissen bestens, wer der Kontrahent ist. Dem Bankmanager
geht es in seiner Antwort vor allem darum zu betonen, wir kennen
uns nicht persönlich. Gleichzeitig will sich Ackermann als eine
Person geben, die bewährte Grundregeln aus dem Elternhaus konsequent
beibehält. Die Begründung, über unbekannte Personen nichts
zu sagen, leuchtet ein, obwohl wir uns nicht vorstellen können,
dass Ackermann als Manager im Alltag diesen Familiengrundsatz konsequent
einhalten kann. Während des Gespräches dominiert auf seinem
Gesicht stets ein Lächeln. Lachfalten rahmen die aufmerksamen
braunen Augen ein. Ein Mann der viel lacht? Ein Mann der sich dieses
Lachgesicht angewöhnt hat, so wie es sich Unterhaltungsmusiker
angewöhnt haben? Ackermanns Zähne sind meist gut
sichtbar, doch öffnen sie sich kaum. Uns signalisiert die gespielte?
Freundlichkeit: Ich stehe über der Sache und habe Verständnis
für unverschämte Fragen. Auch der Ton wirkt stets ruhig und
überlegen.
Das starre Gebiss signalisiert im Gegensatz dazu
eine gewisse Verbissenheit.
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Ackermann formuliert meist vorsichtig
und diplomatisch. Mit seinem grosszügigen Verständnis
für die überspitzte Aeusserung die Attacke besitze
einen wahren Kern - federt Ackermann die bissige Frage der
Journalistin ab. Dass der Bankvorsitzende, der bereits zahlreiche
Arbeitsplätze wegrationalisiert hat, früher zu sozial
gedacht habe, will die Journalistin kaum glauben. Sie fragt jedenfalls
zweifelnd nach: Wurde es tatsächlich gesagt, Sie seien zu
mitarbeiterorientiert? Eigenartigerweise ist sein Ja kaum hörbar.
Jo Ackermann versteht es, in der Antwort, sofort wieder Tritt zu fassen
mit der logischen Begründung, weshalb Deutschland eine grosse starke
Bank braucht. Hier punktet Ackermann.
Innert weniger Sekunden platzierte
er seinen Werbespot.
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Er versteht es, die Medienpräsenz zu nutzen.
Es fällt auf, dass Ackermann seine Kernbotschaft (Deutschland
braucht eine starke Bank, um global bestehen zu können!) bewusst
wiederholt. Der Bankvorsitzende gibt sich erstaunlich nachsichtig und
verständnisvoll. Die überspitzten Formulierungen schreibt
er dem Wahlkampf zu. Für Ueberreaktionen scheint der Banker
Verständnis zu haben. Von hoher Warte aus (Ackermann spielt den
Supervisor) rät er den Politikern, nach dem Wahlkampf wichtige Fragen
intellektueller anzugehen. Damit sagt er implizit, die Kritiker lassen
sich zu sehr von Emotionen hinreissen. Ein Detail: Im Beitrag fallen uns
auch Abschwächungsformulierungen auf, wie: vielleicht etwas andere
Intension vielleicht sicher. (Vielleicht und sicher neutralisieren sich)
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Maybrit Illner wollte im Interview wissen, was Jo Ackermann selbst
fürs Image der Deutschen Bank getan habe. Sie spielt zuerst eine
Strassenumfrage ein, die einhellig belegte, dass beim Publikum Josef
Ackermann Churchills legendäres Victoryzeichens assoziert wird.
Journalistin:
Was hat dem Unternehmen mehr geschadet, das Wort Peanuts oder das
Victoryzeichen (Das Unwort Peanuts prägt im Zusammenhang mit der
Schneider- Immobilienaffaire ein früherer DB-Chef).
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Ackermann:
Wahrscheinlich beides - Aeh - Ungefähr das Gleiche. Aber: Das
ärgert mich ja genau so wie Sie können sich vorstellen
wie alle andern. Meine Mutter hat mich angerufen an diesem Abend
und gesagt. Was machst Du auch. Was hast Du gemacht! Es war eine
unbewusste Reaktion, der Scherz eines Verteidigers. Ich weiss nicht,
wie viele schon in einem Gerichtssaal standen ich jedenfalls noch nie.
Hat man gesagt: Möglichst locker. Sich ja nicht unter Druck setzen
lassen wie heute Abend und äh (lacht auch das Publikum auch die
Journalistin lacht). Und man hat dazu Scherze gemacht. Ja nicht sitzend,
sonst schneidet man die Zeitung weg und dann sitzt man so reumütig
da und da kam mein Scherz. Und kein Mensch hat natürlich daran
gedacht, dass man hier noch fotografiert wird. Und ein Fotograph hat das
ääh auf seine (Hier unterbricht die Journalistin. Sie kommt
auf das Bild zu sprechen, das die SPD als Plakat genutzt hat. Ackermann
würde Rüttgers wählen).
Ackermann etwas später:
Es ist unglaublich, wie wenig eine kleine Geste welche Wirkung es hat.
Nein. Das ärgert mich natürlich auch. Das ist offensichtlich
jetzt ein Teil meiner Lebensabschnittsgeschichte. In Deutschland-
es ist ja - in der Welt wird es auch entweder kennt man sich - oder
wird es anders gesehen, Ich möchte aber Eins sagen: Ich habe
sofort äh mich bei den Prozessbeteiligten damals entschuldigt.
Ich habe an der Pressekonferenz der Deutschen Bank sofort erläutert,
wie dies zustande kam. Ich habe mich bei denen entschuldigt, die dies
falsch verstanden haben. Für mich war die Sache erledigt Aber:
Dass das bei der Geschichte bleibt, ist zu schön. Das ist wie bei
Peanuts, das ist so schön.
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Kommentar:
Durch die Entweder-oder Frage wird Ackermann gezwungen, Stellung zu
nehmen und konkret zu antworten. Der Manager geht tatsächlich auf die
Alternativfrage ein und versucht sofort, den Faux pas als kleinen Scherz
hinunterzuspielen, der angeblich zur eigenen Entspannung gedient habe.
Die zum Teil recht wirren Satzbrüche verraten, dass Ackermann die
Geschichte mit dem Victoryzeichen mehr geärgert haben muss, als
er es zugeben will. Für uns gibt folgende Aussage zu denken:
Kein Mensch hat natürlich daran gedacht, dass man hier noch
fotografiert wird!
Dies stimmt nicht! Dass angeblich nebensächliche nonverbale
Zeichen wichtig sein können, daran denken alle, die professionell
geschult worden sind! Genau dies wird in jedem Mediensimulator bewusst
gemacht! Niemand muss lügen lernen. Niemand sollte vor, während
und nach Medienauftritten glauben: Ich werde nicht aufgenommen. Wer mit
Journalisten zu tun hat, weiss: Ich muss immer präsent sein! Ich
kümmere mich nicht um die Kamera, sondern konzentriere mich voll und
ganz auf das Gegenüber und meine Gedanken.
Wer echt kommuniziert,
übermittelt automatisch synchrone Signale.
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Weshalb hat dem prominenten Bankchef niemand beigebracht, dass man die
Hände von unbedachten Spielchen lassnn soll? Es wird schon in
Kommunikations- Basisseminaren bewusst gemacht, dass nonverbale Aussagen
oft wichtiger sind als verbale! Das müsste ein Manager gelernt haben. Weshalb liess
er sich von einem Verteidiger beraten? Lockerheit vor dem Auftritt ist
tatsächlich etwas vom Wichtigsten. Doch um locker zu sein, gibt
es viel bessere Werkzeuge, als das empfohlene missverständliche
nonverbale Spielchen. Es ist unwahrscheinlich, dass es sich der Chef
der grössten deutschen Bank nicht leisten kann, sich von einem
kompetenten Fachmann medienrhetorisch beraten zu lassen. Ackermann
hätte sich nicht bei denen entschuldigen müssen, die das Zeichen
angeblich falsch verstanden haben. Er hätte sich vielmehr für
sein unprofessionelles Verhalten entschuldigen müssen. Bekanntlich
ist nicht das richtig, was der Sender meint, sondern das, was der
Empfänger versteht. Völlig unglaubwürdig ist Ackermanns
letzte Aussage: Es sei so schön, dass die Geschichte in Erinnerung
bleibe. Selbst wenn dieser Satz ironisch gemeint wäre: Einen
gravierenden Fehler als schöne Geschichte zu bezeichnen, macht
die ganze Replik unglaubwürdig. Die Geschichte muss für
Ackermann schlimm gewesen sein. Sie hat dem Image der Bank
geschadet. Zum Glück kann Ackermann mit Erfolgszahlen aufwarten.
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Fazit:
Die Phänomene der Kommunikation gelten für
jeden. Medienauftritte wären so einfach, wenn man keine
Spielchen spielen würde. Die besten Argumente können mit
Nebensächlichkeiten zu nichte gemacht werden. Das Einfache ist oft
deshalb nicht einfach, weil sich die Akteure nicht auf das Wesentliche
konzentrieren. Das Wesentlichste ist aus unserer Sicht die Vorbereitung,
das Antizipieren der Argumente und beim Auftritt die 100 prozentige
Präsenz! Der bewährteste Grundsatz lautet: Sei Du selbst!
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