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www.rhetorik.ch aktuell: (9. Juli, 2005)

Josef Ackermanns Medienrhetorik

SN Artikel vom 9. July 2005


Nach einer Serie von Negativschlagzeilen rund um die Deutsche Bank und vor dem Hintergrund der Heuschrecken-Debatte, sprach Josef Ackermann bei Maybrit Illner in "Berlin Mitte" am 16. Juni zur Thematik Von Heuschrecken und vaterlandslosen Gesellen. Wir analysieren nachfolgend einige typische Antworten des Deutschen Bank-Chefs auf kritische Fragen. Maybrit Illner ging der Frage auf den Grund: Wie ticken Deutschlands Manager?

Journalistin: Hat sich Herr Müntefering inzwischen bei Ihnen entschuldigt. (Müntefering verglich Manager mit Heuschrecken)? Ackermann: Nein! Ich kenne ihn nicht. Er kennt mich nicht. Ich habe und ich werde mich auch über ihn nicht äussern. Ich habe zu Hause gelernt, dass man sich über eine Person, die man nicht kennt, nicht äussert. Daran möchte ich mich halten.
Journalistin: Man hat Ihnen bankintern geraten, dass Sie Ihren guten Draht zu Gerhard Schröder doch einmal probieren könnten, dass er sich mal entschuldigt bei Ihnen. Ackermann: Nein, das würde ich nicht erwarten. Nein, ich glaube Herr Müntefering und ich möchte es ganz von der persönlichen äh Attacke nicht ein bisschen - schade finde weil- sie dient der Sache nicht äh einmal absehen und sagen: Er trifft schon irgendwo einen Kern und der bewegt uns alle. Schauen Sie: Kein Mensch schafft gerne Stellen ab. Ich sowieso nicht. Ich bin einmal aus der Schweiz weggegangen. Es hat geheissen: Der ist zu sozial. Der ist eigentlich zu mitarbeiterorientiert. Aber...
Journalistin: Man hat gesagt, Sie sind zu Mitarbeiter-orientiert? Ackermann: Ja, ja (kaum hörbar) und die Frage ist natürlich: Wieso hat sich das geändert? Und wir haben jetzt in den letzten Tagen erlebt, dass die zweitgrösste Bank Deutschlands von einer italienischen Bank übernommen wurde. Da finde ich einfach, ist Deutschland zu gross , zu wichtig. Ist die grösste Volkswirtschaft Europas, die drittgrösste der Welt. Die braucht mindestens eine starke Bank, die global operieren kann und die auch global erfolgreich ist.
Journalistin: Haben Sie die Politiker einfach nur falsch verstanden und begreifen nicht, dass das eben nicht machtradikal und assozial ist, sondern, dass Sie das tun müssen? Ackermann: Ich glaube, zum Teil ist es natürlich so, dass man- äh- aus - man befindet sich in einem Wahlkampf. Und in einem Wahlkampf hat man vielleicht etwas andere äh Intensionen, die ich nachvollziehen kann. Aber es ist wichtig, dass wir jetzt nach dem Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen und vielleicht sicher nach dem Bundeswahlkampf die ganze Sache etwas intellektueller behandeln. Denn - es geht hier um viel entscheidendere Fragen, nämlich: Sind deutsche Unternehmen global erfolgreich? Und ich finde und ich sage dies als Schweizer sehr gerne Deutschland braucht eine grosse Bank, die die deutsche Volkswirtschaft und deutschen Unternehmen weltweit begleiten kann.


Kommentar: Ackermann kennt selbstverständlich Müntefering und vice versa. Beide wissen bestens, wer der Kontrahent ist. Dem Bankmanager geht es in seiner Antwort vor allem darum zu betonen, wir kennen uns nicht persönlich. Gleichzeitig will sich Ackermann als eine Person geben, die bewährte Grundregeln aus dem Elternhaus konsequent beibehält. Die Begründung, über unbekannte Personen nichts zu sagen, leuchtet ein, obwohl wir uns nicht vorstellen können, dass Ackermann als Manager im Alltag diesen Familiengrundsatz konsequent einhalten kann. Während des Gespräches dominiert auf seinem Gesicht stets ein Lächeln. Lachfalten rahmen die aufmerksamen braunen Augen ein. Ein Mann der viel lacht? Ein Mann der sich dieses Lachgesicht angewöhnt hat, so wie es sich Unterhaltungsmusiker angewöhnt haben? Ackermanns Zähne sind meist gut sichtbar, doch öffnen sie sich kaum. Uns signalisiert die gespielte? Freundlichkeit: Ich stehe über der Sache und habe Verständnis für unverschämte Fragen. Auch der Ton wirkt stets ruhig und überlegen.

Das starre Gebiss signalisiert im Gegensatz dazu eine gewisse Verbissenheit.


Ackermann formuliert meist vorsichtig und diplomatisch. Mit seinem grosszügigen Verständnis für die überspitzte Aeusserung die Attacke besitze einen wahren Kern - federt Ackermann die bissige Frage der Journalistin ab. Dass der Bankvorsitzende, der bereits zahlreiche Arbeitsplätze wegrationalisiert hat, früher zu sozial gedacht habe, will die Journalistin kaum glauben. Sie fragt jedenfalls zweifelnd nach: Wurde es tatsächlich gesagt, Sie seien zu mitarbeiterorientiert? Eigenartigerweise ist sein Ja kaum hörbar. Jo Ackermann versteht es, in der Antwort, sofort wieder Tritt zu fassen mit der logischen Begründung, weshalb Deutschland eine grosse starke Bank braucht. Hier punktet Ackermann.

Innert weniger Sekunden platzierte er seinen Werbespot.


Er versteht es, die Medienpräsenz zu nutzen. Es fällt auf, dass Ackermann seine Kernbotschaft (Deutschland braucht eine starke Bank, um global bestehen zu können!) bewusst wiederholt. Der Bankvorsitzende gibt sich erstaunlich nachsichtig und verständnisvoll. Die überspitzten Formulierungen schreibt er dem Wahlkampf zu. Für Ueberreaktionen scheint der Banker Verständnis zu haben. Von hoher Warte aus (Ackermann spielt den Supervisor) rät er den Politikern, nach dem Wahlkampf wichtige Fragen intellektueller anzugehen. Damit sagt er implizit, die Kritiker lassen sich zu sehr von Emotionen hinreissen. Ein Detail: Im Beitrag fallen uns auch Abschwächungsformulierungen auf, wie: vielleicht etwas andere Intension vielleicht sicher. (Vielleicht und sicher neutralisieren sich)


Maybrit Illner wollte im Interview wissen, was Jo Ackermann selbst fürs Image der Deutschen Bank getan habe. Sie spielt zuerst eine Strassenumfrage ein, die einhellig belegte, dass beim Publikum Josef Ackermann Churchills legendäres Victoryzeichens assoziert wird.

Journalistin: Was hat dem Unternehmen mehr geschadet, das Wort Peanuts oder das Victoryzeichen (Das Unwort Peanuts prägt im Zusammenhang mit der Schneider- Immobilienaffaire ein früherer DB-Chef). Ackermann: Wahrscheinlich beides - Aeh - Ungefähr das Gleiche. Aber: Das ärgert mich ja genau so wie Sie können sich vorstellen wie alle andern. Meine Mutter hat mich angerufen an diesem Abend und gesagt. Was machst Du auch. Was hast Du gemacht! Es war eine unbewusste Reaktion, der Scherz eines Verteidigers. Ich weiss nicht, wie viele schon in einem Gerichtssaal standen ich jedenfalls noch nie. Hat man gesagt: Möglichst locker. Sich ja nicht unter Druck setzen lassen wie heute Abend und äh (lacht auch das Publikum auch die Journalistin lacht). Und man hat dazu Scherze gemacht. Ja nicht sitzend, sonst schneidet man die Zeitung weg und dann sitzt man so reumütig da und da kam mein Scherz. Und kein Mensch hat natürlich daran gedacht, dass man hier noch fotografiert wird. Und ein Fotograph hat das ääh auf seine (Hier unterbricht die Journalistin. Sie kommt auf das Bild zu sprechen, das die SPD als Plakat genutzt hat. Ackermann würde Rüttgers wählen).

Ackermann etwas später: Es ist unglaublich, wie wenig eine kleine Geste welche Wirkung es hat. Nein. Das ärgert mich natürlich auch. Das ist offensichtlich jetzt ein Teil meiner Lebensabschnittsgeschichte. In Deutschland- es ist ja - in der Welt wird es auch entweder kennt man sich - oder wird es anders gesehen, Ich möchte aber Eins sagen: Ich habe sofort äh mich bei den Prozessbeteiligten damals entschuldigt. Ich habe an der Pressekonferenz der Deutschen Bank sofort erläutert, wie dies zustande kam. Ich habe mich bei denen entschuldigt, die dies falsch verstanden haben. Für mich war die Sache erledigt Aber: Dass das bei der Geschichte bleibt, ist zu schön. Das ist wie bei Peanuts, das ist so schön.


Kommentar: Durch die Entweder-oder Frage wird Ackermann gezwungen, Stellung zu nehmen und konkret zu antworten. Der Manager geht tatsächlich auf die Alternativfrage ein und versucht sofort, den Faux pas als kleinen Scherz hinunterzuspielen, der angeblich zur eigenen Entspannung gedient habe. Die zum Teil recht wirren Satzbrüche verraten, dass Ackermann die Geschichte mit dem Victoryzeichen mehr geärgert haben muss, als er es zugeben will. Für uns gibt folgende Aussage zu denken: Kein Mensch hat natürlich daran gedacht, dass man hier noch fotografiert wird! Dies stimmt nicht! Dass angeblich nebensächliche nonverbale Zeichen wichtig sein können, daran denken alle, die professionell geschult worden sind! Genau dies wird in jedem Mediensimulator bewusst gemacht! Niemand muss lügen lernen. Niemand sollte vor, während und nach Medienauftritten glauben: Ich werde nicht aufgenommen. Wer mit Journalisten zu tun hat, weiss: Ich muss immer präsent sein! Ich kümmere mich nicht um die Kamera, sondern konzentriere mich voll und ganz auf das Gegenüber und meine Gedanken.

Wer echt kommuniziert, übermittelt automatisch synchrone Signale.


Weshalb hat dem prominenten Bankchef niemand beigebracht, dass man die Hände von unbedachten Spielchen lassnn soll? Es wird schon in Kommunikations- Basisseminaren bewusst gemacht, dass nonverbale Aussagen oft wichtiger sind als verbale! Das müsste ein Manager gelernt haben. Weshalb liess er sich von einem Verteidiger beraten? Lockerheit vor dem Auftritt ist tatsächlich etwas vom Wichtigsten. Doch um locker zu sein, gibt es viel bessere Werkzeuge, als das empfohlene missverständliche nonverbale Spielchen. Es ist unwahrscheinlich, dass es sich der Chef der grössten deutschen Bank nicht leisten kann, sich von einem kompetenten Fachmann medienrhetorisch beraten zu lassen. Ackermann hätte sich nicht bei denen entschuldigen müssen, die das Zeichen angeblich falsch verstanden haben. Er hätte sich vielmehr für sein unprofessionelles Verhalten entschuldigen müssen. Bekanntlich ist nicht das richtig, was der Sender meint, sondern das, was der Empfänger versteht. Völlig unglaubwürdig ist Ackermanns letzte Aussage: Es sei so schön, dass die Geschichte in Erinnerung bleibe. Selbst wenn dieser Satz ironisch gemeint wäre: Einen gravierenden Fehler als schöne Geschichte zu bezeichnen, macht die ganze Replik unglaubwürdig. Die Geschichte muss für Ackermann schlimm gewesen sein. Sie hat dem Image der Bank geschadet. Zum Glück kann Ackermann mit Erfolgszahlen aufwarten.


Fazit: Die Phänomene der Kommunikation gelten für jeden. Medienauftritte wären so einfach, wenn man keine Spielchen spielen würde. Die besten Argumente können mit Nebensächlichkeiten zu nichte gemacht werden. Das Einfache ist oft deshalb nicht einfach, weil sich die Akteure nicht auf das Wesentliche konzentrieren. Das Wesentlichste ist aus unserer Sicht die Vorbereitung, das Antizipieren der Argumente und beim Auftritt die 100 prozentige Präsenz! Der bewährteste Grundsatz lautet: Sei Du selbst!
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