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www.rhetorik.ch aktuell: (12. Juni, 2005)

Den Vorhang der Verschleierung gelüftet



Christiane Roth: Fotoquelle: www.jahresbericht.unispital.ch Wir haben das fragwürdige Informationsverhalten der Universität Zürich im Zusammenhang mit dem Fall Voser ausführlich analysiert.

Nun ist der Vorhang der Verschleierung gelüftet: Die Informationen der Direktorin des Kantonsspitals Zürich Christiane Roth war eine Verneblungsaktion. Uns fielen schon damals ihre allgemein gehaltenen Formulierungen auf. Roth sprach von - "medizinischer Fehlbeurteilung" - "es handelte sich um eine typische Verwechslung der Blutgruppen von Spendeherz und Empfänger" Heute ist belegt: Roth vernebelte die effektiven Tatsachen. Es wurde den Mitarbeitenden damals verboten, mit Journalisten zu reden. Heute lüftete die NZZ am Sonntag der Vorhang der "Verneblungstaktik":



Ikarus: Quelle: www.schoene-online.de Nach NZZ hatten die Ärzte hatten bewusst das falsche Herz eingepflanzt. Es sollte ein "Ikarus-Operation" werden. Ikarus flog trotz Warnung des Vaters zu nahe an die Sonne. Hätten das Ärzte Team trotz der zu risikoreichen Operation Erfolg gehabt, wäre Marko Turina in wissenschaftlichen Kreisen berühmt geworden. Für uns ist es aber unbegreiflich, dass ein Operationsteam dieses Risiko ausgerechnet bei einer Patientin wagte, die von einem 10 vor 10 Team ständig begleitet worden war. Aus unserer Sicht hat in diesem Fall der persönliche Ehrgeiz den gesunden Menschenverstand überblendet.


Was uns beschäftigte, war vor allem das fragwürdige Verhalten der Spitaldirektorin vor den Medien. Sie tat immer so, als sei alles klar und eindeutig. Die Formulierung:

"Es gibt Situation, wo man wegschaut statt hinschaut"


gibt uns - im Umgang mit Medien - zu denken.




Nachtrag vom 15. Juni: Widersprüchliches zum "Fall Voser"

Turina nimmt im "10 vor 10" Stellung:
Nachdem ein Bericht der "NZZ am Sonntag" behauptet hatte, dass im "Fall Voser" wissentlich ein Herz mit einer unverträglichen Blutgruppe transplantiert worden sei, haben sowohl der ärztliche Direktor des Universitätsspitals (USZ) wie der angeschuldigte Chirurg, Marko Turina, den Medien Dementis zugestellt. Ausserdem nahm Turina am Montagabend erstmals öffentlich Stellung zu den Vorwürfen. Er sagte im "10 vor 10": Die Verwechslung der Blutgruppen beruhe auf einem Irrtum, der ihm unterlaufen sei.


"20 Minuten" schreibt am 15. Juni:
"Im April 2004 wurde der schwer kranken Rosmarie Voser (57), die die seltene Blutgruppe 0 besass, am Unispital Zürich ein Spenderherz der Blutgruppe A eingepflanzt. Doch das Herz schlug nicht. Erst zwei Tage später fand eine Krisensitzung statt. Zu spät: Weitere zwei Tage später starb die Patientin. "Es gibt Situationen, in denen man weg- statt hinschaut", begründet die Direktorin des Unispitals, Christiane Roth, die lange Wartezeit. Das Spital stellte den Fehler als Missverständnis dar: Die Blutgruppen von Spender und Patientin seien verwechselt worden. Recherchen der "NZZ am Sonntag" ergaben aber, dass das falsche Herz wissentlich eingepflanzt worden sei. Man habe es versucht, im Glauben, es könne gelingen. Die Ärzte hätten eine medizinische Heldentat vollbringen wollen. Staatsanwalt Jaroslav Jokl verhörte bei seinen Ermittlungen mehrfach Chefarzt Marko Turina, der die Transplantation durchführte: Er habe keine Hinweise auf ein "bewusstes Experiment" gefunden. Das Unispital Zürich wollte gestern die Anschuldigungen nicht kommentieren."


NZZ vom 13. Juni:
"Eine normale Herztransplantation ist nach dem ärztlichen Direktors des Universitätsspitals heute ein Routineeingriff und biete keine besonderen Risiken mehr. Dass es in einzelnen Fällen durchaus gelingen kann, ein Organ der falschen Blutgruppe zu transplantieren, ist zwar aus der Fachliteratur bekannt. So überlebte 1997 in Bern ein 19-jähriger Mann eine ähnliche Blutgruppen-Unverträglichkeit. Neben den üblichen Medikamenten zur Unterdrückung der Immunabwehr mussten damals aber verschiedene Spezialbehandlungen eingesetzt werden. Bei Frau Voser sei ein solch riskantes Vorgehen aber nie geplant gewesen, betont der erwähnte Arzt. Es habe sich auch nicht aufgedrängt. Ihr Zustand sei vor dem Eingriff nicht so schlecht gewesen, dass man keinen anderen Ausweg mehr gehabt habe. Auch seien keine Vorkehrungen gemacht worden, wie sie bei einer Blutgruppen-Unverträglichkeit nötig gewesen wären. Und der Kontakt zu den Berner Spezialisten, die über die einschlägige Erfahrung verfügen, sei viel zu spät erfolgt. Zudem hätte bei einer Hochrisiko-Operation unbedingt ein Kunstherz für den Notfall zur Verfügung stehen müssen." Die in der "NZZ am Sonntag" beschriebenen Vorkommnisse widersprechen offenbar den Erkenntnissen des ermittelnden Staatsanwalts Jaroslav Jokl diametral. Wie er am Sonntag auf Anfrage sagte, gibt es aufgrund seiner Abklärungen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass Marko Turina wissentlich "die Blutgruppenschranke durchbrechen" wollte. Nach dem bisherigen Stand der Untersuchung geht Jokl davon aus, dass der Tod der Patientin auf ein fahrlässiges Verhalten, namentlich einen Kommunikationsfehler, zurückzuführen ist. Laut Jokl hat die Staatsanwaltschaft bereits alle Personen befragt, von denen man sich Informationen erwartet hat. Er wäre aber daran interessiert, auch mit den Quellen des Zeitungsartikels zu sprechen. Die betreffenden Personen könnten dann im Rahmen des Strafverfahrens einvernommen werden. Die Spitalleitung des USZ nahm am Sonntag zu den Enthüllungen im Fall Voser keine Stellung. Sie liess per E-Mail verlauten: "Die Spitalleitung des Universitätsspitals Zürich hält fest, dass das durch die Bezirksanwaltschaft eingeleitete Verfahren nach wie vor nicht abgeschlossen ist. Die Spitalleitung wird bis zu dessen Abschluss keine weiteren Stellungnahmen abgeben." Für den erwähnten Arzt ist es unverständlich, dass nach mehr als einem Jahr nach der fatalen Operation immer noch keine Untersuchungsresultate auf dem Tisch sind."




Nachtrag vom 17. Juni, 2005: brisanter neuer Artikel im Tagesanzeiger Magazin. Nach 10 vor 10 kommt ein Artikel vom "Tages Anzeiger" Magazin vom 18. Juni zum folgenden Schluss:

"In der Nacht des 20. April 2004 haben mehrere Ärzte am Unispital Zürich gemeinsam beschlossen, ein inkompatibles Herz zu transplantieren. Dies im Bewusstsein der falschen Blutgruppe des Spenders, der extremen Risiken für die Empfängerin, ohne medizinische Not ..."


Der Artikel beruft sich auf ein medizinisches Gutachten. Das Gutachten belege das zweifelsfrei. Res Strehle, Chefredaktor des Tagesanzeiger meint, da gäbe es keine Zweifel. Es sei ein leitender Arzt am Spital gewesen, der die Idee gehabt habe. Das Universitätspital will bis zum Abschluss der Untersuchungen keine weiteren Stellungsnahmen geben.


Rückblick: Der Unispital und die Medien (Quelle Tagesanzeiger)
  • Im Februar 2003 musste eine umstrittene Impfstudie gegen schwarzen Hautkrebs an der dermatologischen Klinik abgebrochen werden. Die Untersuchung dauerte Monate. Anschliessend bezeichnete die Geschäftsprüfungskommission des Kantonsrats das Arbeitsklima in der Klinik als "massiv gestört".
  • Am 25. Oktober 2003 starb auf der Intensivstation eine 86-jährige Patientin, weil sie Antibiotika erhalten hatte, obwohl sie dagegen allergisch und dies in ihrer Krankengeschichte verzeichnet war. Der Klinikdirektor versuchte, der Belegschaft einen Maulkorb zu verpassen. Die Staatsanwaltschaft leitete eine Untersuchung ein, deren Ergebnis noch aussteht.
  • Am 20. April 2004 starb die Patientin Rosmarie Voser, weil ihr ein falsches Herz eingepflanzt worden war. Auch hier leitete die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung ein; auch hier wartet man noch immer auf Resultate. Letzten Montag hat Chefchirurg Marko Turina als Reaktion auf einen Bericht der "NZZ am Sonntag" die Verantwortung für den fatalen Kommunikationsfehler übernommen. Dieser habe zur Verwechslung der Blutgruppen geführt. Ob das die ganze Wahrheit ist, bleibt offen.
  • Im September ging die erste Herztransplantation schief, die am Uni-Spital nach einem Marschhalt zur Überprüfung der Qualitätsstandards durchgeführt worden war. Der Patient starb an einem Organversagen. Es habe sich nicht um einen medizinischen Fehler gehandelt, hiess es.
  • Im Dezember kam es zu peinlichen Auseinandersetzungen in Zusammenhang mit der Berufung des Berner Chirurgen Thierry Carrel ans Uni-Spital. Die Zürcher Chefärzte erhoben anschliessend in einem offenen Brief den Vorwurf, Regierungsrätin Verena Diener betreibe einen "Ausverkauf der Spitzenmedizin".
  • Zuletzt erfuhr die Öffentlichkeit im Mai von einem Streit in der Krebsklinik zwischen Chefarzt Alexander Knuth und seinen Mitarbeitenden. Die Klinik erlebte einen Exodus, die Spitalleitung musste schlichtend eingreifen. Dabei hatten sich die Chefärzte des Uni-Spitals erst zwei Monate zuvor auf einen neuen Verhaltenskodex geeinigt, basierend auf Teamwork, Fairness und Transparenz.
Angesichts dieses Rattenschwanzes von Problemen fragt man sich ob die Spitalleitung eine Vorstellung davon hat, wie sie die Klinik aus der Krise führen könnte. Stellvertretend für die abwesende Spitaldirektorin Christiane Roth nahmen gestern der ärztliche Direktor Gustav von Schulthess sowie der Kardiologe und behandelnde Arzt des verstorbenen Herzpatienten, Georg Noll, Stellung. Das Gesamtproblem des Uni-Spitals fasst von Schulthess in einem Satz zusammen: "Wir sind im Begriff, eine Klinik mit einer Betriebskultur aus den 70er-Jahren in ein modernes Unternehmen des 21. Jahrhunderts zu verwandeln." Spitaldirektorin Roth hatte schon früher auf diesen Punkt hingewiesen. Ihre Hauptaufgabe bestehe darin, "eine zeitgemässe Teamkultur zu etablieren", sagte sie.

Beobachter, die nicht mit Namen genannt sein wollen, bestätigen diesen Befund. Noch immer werde das Spital von einer "kämpferischen Kultur" beherrscht. Für die Spitalleitung sei es schwierig, ihre Wertvorstellungen durchzusetzen. Im Gegensatz zu andern Kliniken sähen Mitarbeiter oft keine andere Möglichkeit, als mit ihrer Kritik an die Medien zu gelangen, was für zusätzliche Unruhe sorge. Zu immer neuen Problemen führe sodann das schlecht geregelte Berufungsverfahren für Chefärzte, wie der Fall Knuth einmal mehr deutlich zeige.

Kommt dazu, dass die schleppende Untersuchung der ungeklärten Todesfälle durch die Justiz Gift ist für das Betriebsklima im Spital. Mittlerweile hat man den Eindruck, die Ermittlungen würden durch die Medien energischer vorangetrieben als durch Staatsanwalt Jaroslav Jokl.




Nachtrag vom 19. Juni, 2005: Tödliche Herztransplantation doch vorsätzlich vorgenommen?

(Quelle Basler Zeitung) Die Ermittlungen werden ausgedehnt. Der Zürcher Staatsanwalt Ulrich Weder will klären, ob am 20. April 2004 unter der Leitung von Klinikchef Marko Turina bewusst das falsche Herz der Patientin eingesetzt wurde. Damit würde sich der Straftatbestand der eventualvorsätzlichen Tötung erfüllen. Weder kündigte an, zusätzliche Personen zu befragen ohne Details zu geben.

Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Verena Diener forderte in einem Interview mit der "Tagesschau" ein Moratorium für Herztransplantationen am Uni-Spital. Dies aus Rücksicht auf die Sicherheit der Patienten, aber auch wegen der extrem belastenden Situation für das Ärzteteam geschehen. Sollte sich der Verdacht bestätigen, hätten die Verantwortlichen extrem verwerflich gehandelt.

Die neue Brisanz in dem tragischen Fall haben Medienberichte eingebracht. Die "NZZ am Sonntag" hatte vor einer Woche berichtet, Klinikleiter Turina habe bereits vor der Operation gewusst, dass das Herz die falsche Blutgruppe habe. Im "Magazin" des Tages-Anzeigers wurde am Samstag berichtet, dass mehrere Ärzte in jener Nacht beschlossen hätten, ein inkompatibles Herz zu transplantieren. Turina habe am Telefon die Angaben zu den Blutgruppen falsch verstanden und seine Einwilligung gegeben. Das "Magazin" berief sich auf ein ihm vorliegendes rechtsmedizinisches Gutachten. Mindestens zwei nach wie vor am Spital tätige Mediziner - Turina ist seit Ende August 2004 pensioniert - seien Stunden vor Operationsbeginn über die falsche Blutgruppe informiert gewesen. Im Wissen um die geringen Überlebenschancen der Patientin hätten sie ihr das Herz dennoch transplantiert.

Turina sagte in einem Interview mit dem "SonntagsBlick", dass er die ganze Verantwortung für den Fall übernehmen werde. Er habe aber kein Experiment an der Patientin durchgeführt. Es sei ein furchtbares Missverständnis gewesen.

Die Spitalleitung hatte Tage nach dem Todesfall die Öffentlichkeit nur insoweit orientiert, dass Missverständnisse in der Kommunikation und eine nachfolgende Fehlbeurteilung die Gründe gewesen seien, dass die Patientin ein falsches Herz bekommen hatte. Weitere Informationen wurden bislang mit Verweis auf das Ermittlungsverfahren verweigert. Das Schicksal der herzkranken Frau war vor der fatalen Operation vom Fernsehmagazin "10 vor 10" verfolgt worden.

Wie verhält sich die Spitaldirektorin in der neuen Krisensituation?






Nachtrag vom 20. Juni 2005: Wann werden die vielen offenen Fragen endlich beantwortet?

Wichtige Fragen sind immer noch nicht geklärt:
  • Wann genau wusste Prof. Marko Turina von den inkompatiblen Blutgruppen?
  • Wolle sich Dr. Andreas K. mit einer Weltpremiere profilieren, als er die riskante Operation inizierte? Oder wollte er den damaligen (eher autoritären) Chef bewusst schädigen?
  • Wird das ungenügende Krisen- und Informationsmanagement der Spitaldirektorin einfach sang- und klanglos hingenommen?
  • Welche neuen Erkenntnisse ermittelte die Staatsanwaltschaft?
  • Wer ist der anonyme Informant, der NZZ am Sonntag die angeblich zuverlässigen Beschuldigungen vermittelt hat?
  • Welche Motive stecken hinter diesen Quellen? Wie glaubwürdig sind sie?




Nachtrag vom 21. Juni 2005: Was wusste Spitaldirektorin Christians Roth?

Ein neue Mitteilung der Uni-Klinik-Leitung zeigt, dass die Informationspolitik rund um diesen Fall immer noch dubios ist. Gestern setzte Gesundheitsdirektorin Verena Diener einen Operationsstopp durch. Gleichzeitig attestierte sie der Spitalleitung mangelnde Führungsqualitäten. An Stelle der Spitaldirektion nahm die Gesundheitsdirektorin das Szepter in die Hand. Jetzt informiert die USZ-Leitung darüber, dass sie eben nicht informiert ist: Alles was man in der Chefetage über den Fall Rosmarie Voser weiss, stammt aus mündlichen, nicht offiziellen Quellen. Bisher hatte die Leitung weder Einblick in die Protokolle der Strafuntersuchung noch ins rechtsmedizinische Gutachten zur tödlich verlaufenen Herztransplantation vom April 2004 gehabt.

Nach Uni-Spital-Direktorin Christiane Roth gehe man deshalb nach wie vor davon aus, dass es sich bei der Ursache des tragischen Fehlers um einen Kommunikationsfehler und um menschliches Versagen handelt. Medienberichte, wonach zumindest der leitende Arzt von den unpassenden Blutgruppen des Spenderherzens und Patientin Voser gewusst haben, klammerte das Uni-Spital kommentarlos aus. Dafür schilderte die Leitung was nach dem Todesfall geschah:
  • Unmittelbar nach Rosmarie Vosers Tod wurden Herztransplantationen ausgesetzt.
  • Nachdem Michele Genoni die Leitung der Herzklinik interimistisch übernommen hatte, wurden wieder OPs durchgeführt.
  • Seither wurden 10 Herzen verpflanzt. 2 Patienten starben, 8 weitere haben den Eingriff gut überstanden.
  • Derzeit warten in Zürich 9 Patienten auf ein Spenderherz. Sie können den Eingriff in Bern oder Lausanne vornehmen lassen, wenn ein geeignetes Herz gefunden wird. Oder den Ablauf des Zürcher Moratoriums abwarten.
Der Zürcher Staatsanwalt Ulrich Weder die Vorwürfe Dieners zurück, dass das Verfahren zu lange dauern würde. Medizinfälle seien vom Sachverhalt her komplex, vor allem wenn mehrere Personen beteiligt seien.



Aus unserer Sicht brachte die heutige Medienverlautbarung nicht viel Neues. Zudem kam diese Mitteilung viel zu spät. Das lange Schweigen war kontraproduktiv und produzierte einen Wirbel in der Sonntagspresse. Frau Roth hätte von den gravierenden Fehlern der Basler Ständerätin Anita Fetz etwas lernen können. Fetz schwieg ebenfalls zu lange und glaubte, dank Abwarten und Verdrängen würden sich die Krise von selbst verschwinden.


Nachtrag vom 24. Juni, 2005: Persilschein für schlechten Umgang mit Medien?

An der Medienkonferenz verhedderte sich Christiane Roth auf Nachfragen in Widersprüche. So waren der Leitende Arzt K., der laut Medienberichten die Idee zur Hochrisikooperation hatte, sowie Oberarzt R, der Marko Turina anrief, nach der der verhängnisvollen Operation an keiner Transplantation mehr beteiligt. Weshalb diese Massnahme? "Sie stellen Fragen, die wir nicht beantworten dürfen", sagte Roth. Auch die Frage, wie man an einer Verwechslung festhalten könne, beantwortete Roth nicht.


Obschon Christiane Roth auch an der letzten Medienkonferenzen hilflos wirkte- sie suchte nach Worten und verstrickte sich in Widersprüche. Sie gab zudem gemäss "Tages Anzeiger Online" zu, dass sie wusste, dass der Narkosearzt und die Transplantationskoordinatorin vor der Blutgruppenunverträglichkeit gewarnt hätten - fragten sich Fachleute ob Roths Tage als Klinikleiterin gezählt seien. Frau Roth wird aber weiterhin fest im Sattel sitzen. Sie wurde jedenfalls vor wenigen Tagen vom Regierungsrat verteidigt. Die Zürcher Regierung stützte die unter Beschuss geratene Direktorin des Unispitals Zürich USZ voll und ganz und fand schon vor Abschluss der Untersuchungen: "Christiane Roth habe im Fall Voser völlig korrekt gehandelt. Bei ihrer Kommunikation mit der Öffentlichkeit habe Roth die Mitarbeitenden des USZ vor einer Vorverurteilung bewahren wollen, hiess es in einer Mitteilung des Regierungsrats. Nach dem Tod der Herzpatientin Rosmarie Voser habe die Spitaldirektorin sofort Strafanzeige erstattet."

Wir finden: Das unprofessionelle Kommunikationsverhalten dürfte von der Regierung nicht damit entschuldigt werden, dass die Direktorin die Mitarbeitenden vor einer Vorverurteilung habe bewahren wollen. Die Verschleierungstaktik wird damit legitimiert. Das Kommunikationsverhalten war nach unseren Protokollen alles andere als gut. Nach unserem Dafürhalten darf Christiane Roth weder vorverurteilt noch vorentlastet werden. Die Fakten haben schon heue gezeigt: Die Direktorin versagte im Bereich Krisenkommunikation und im Umgang mit Medien. Wenn es um professionelles Krisenmanagement geht, dürfte eine vorgesetzte Instanz keinen Persilschein abgeben, so wie es die Regierung gegenüber Christiane Roth getan hat.


Nachtrag 26.6.05: Der Fall Voser geht in die nächste Runde

Der Fall Voser scheint zum Fall Diener-Roth-Turina zu werden. Nach den jüngsten Medienmitteilungen gerät auch Verena Diener zunehmend unter Druck. Nach NZZ am Sonntag war sie über die Umstände des Falles Voser schon früh im Bild. Jetzt wird sie mit kritischen Fragen konfrontiert: Warum liess sie zu, dass Spitaldirektorin Roth die Öffentlichkeit unvollständig und verwirrlich informierte, indem sie lediglich von einem "Missverständnis in der Kommunikation" sprach. Ein SP Kantonsrat sprach bereits von einem "Kommunikations Marignano". Diener habe der eigenen Glaubwürdigkeit geschadet, indem sie die Untergebenen vorgeschickt habe und sich selbst den Medien nicht gestellt habe. Die Gesundheitsdirektion lehnt auch bei den jüngsten "Enthüllungen" jede Stellungnahme ab. Kantonsrat Naef findet ferner, Diener hätte präziser sagen müssen, was sie über den Fall Voser weiss. CVP Fraktionschef Lucius Dürr wertete Dieners Rundumschlag als "ein Zeichen der Hilflosigkeit". Die Gesundheitsdirektorin kritisierte die Leitung der Universität und die Justizbehörde. Sie sprach über den Berufung von Ordinarien von einem Trauerspiel. Nach unserem Dafürhalten darf sich Verena Diener in der jetzigen Situation nicht länger hinter dem Untersuchungsgeheimnis verstecken. Jetzt geht es um ihre Glaubwürdigkeit.

In einem kritischen Kommentar im Sonntagsblick vom 26.6. wirft Frank A. Meyer wirft dem Chefredaktor der NZZ am Sonntag vor, er spiele sich als Richter auf. Für ihn war die Enthüllung fragwürdig. Hätte der Sonntagblick so gehandelt, wie es die NZZ am Sonntag getan hat, wäre ihm Boulevardjournalismus vorgeworfen worden, fand der Kommentator. Die Forderung Frank A. Meyers zur Offenlegung der Quellen kommt von einer falschen Adresse. Für uns klingt nämlich dieser Angriff auf das Konkurrenzblatt unglaubwürdig. Der Sonntagsblick war immer stolz, wenn er "heisse " Geschichten vor allem mit vertrauliche Quellen aufdecken konnte. Ich weiss nicht, wie Frank A. Meyer argumentieren würde, falls der Sonntagsblick wichtige vertrauliche Quellen preisgeben müsste. Der Sonntagzeitung vom 26. Juni entnehmen wir zum Promblemkreis "Quellen offenlegen": Staatsanwalt Jaroslav Jokl will die "NZZ am Sonntag via Obergericht zwingen, die anonymen Quellen preiszugeben. Es gehe nun nicht mehr um fahrlässige, sondern um eventualvorsätzliche Tötung. Strafrechtprofessor Marcel A. Niggli kann nicht nachvollziehen, welche Informationen sich Jokl von den Quellen erhofft. Denis Barrelet, Professor für Kommunikationsrecht meint: "Hier liegt kein Fall vor, indem die Untersuchungsbehörde erfolglos versucht hat, einen Fall zu lösen." Die Justiz müsse zuerst alle anderen Mittel ausschöpfen. Peter Studer, Präsident des Schweizer Presserates, ruft sogar die "NZZ am Sonntag" zu bürgerlichem Ungehorsam auf.


Nachtrag vom 28. Juni, 2005: Von Intrigen Lügen und Eitelkeiten

Die Affaire rund um den Fall Voser ist angeblich nicht das erste Alarmzeichen, das uns zeigt, dass etwas im Universitätsspital nicht stimmen kann. Der ehemalige Uni- Professor Christian Sauter wies bereits in einem Buch über den Umgang mit der Wahrheit im Universitätsspital Zürich hin. Er fordert nun in einem Interview (im Sonntagblick-Magazin vom 26. Juni 05) Konsequenzen. Sauter findet, dass im Universitätsspital die Wahrheit immer wichtig gewesen war. Doch die Universitätsleitung schere sich nicht darum. Er listet alle Fälle nach 1998 auf, die er mit seinem Verständnis mit Wahrheit und seinem Gerechtigkeitssinn nicht vereinbaren lassen:


Fall 1: Der damalige Professor R.G. Direktor der Klinik für Viszeralchirurgie (Bauchchirurgie) war unfähig , die Klinik zu leiten. Die Onkologen der Krebsabteilung waren auch davon betroffen. Durch Zufall erfuhr Sauter, dass sich R.G. Mit falschem Doktortitel schmückte. Dieser Betrug hätte genügen müssen, den den Mann abzusetzen. Der Uni-Rektor und der damalige Regierungsrat ignorierten den Titelbetrug. Ihnen war es wichtiger, den Schein der Unfehlbarkeit zu wahren.
Fall 2: In der zweiten Affaire spielten ebenfalls eine Nachfolgewahl und ein Titelbetrug ein Rolle - sie endete mit zwei Toten. In der Zahnmedizin wurde ein neuer Professor gesucht. Dem besten Kandidaten waren finanzielle Unregelmässigkeiten seinen Mitkandidaten F.L. bekannt. Letztere versuchte den Ruf seines Mitstreiters zu sabotieren. Er beschuldigte ihn, ein Plagiat verfasst zu haben (abgeschrieben habe). Unbestritten war hingegen, dass F.L. In seinem Lebenslauf einen falschen Doktortitel aufführte. Die Universitätsleitung ignorierte auch diesen Titelbetrug.
Fall 3: Professor G.B. Und Privatdozent F.N. Stellten in der Zeitschrift "Nature Medicine" eine neue Impftherapie gegen schwarzen Hautkrebs vor. Verschiedenen Mitarbeiter kritisierten diese voreilige Publikationen, bis auch das Bundesamt für Gesundheit die Studie als unsorgfältig taxierte. Bei vielen Patienten weckte die Publikation falsche Hoffnungen, die tödliche Krankheit könne mit Impfungen überwunden werden. Die beiden Forscher wurden nicht entlassen. Die Universitätsleitung nahm sie in Schutz. Einer wurde in einen bezahlten Urlaub geschickt. Die Autoren versäumten es bis heute, ihren Artikel zu widerrufen.


Trotz dieser Fälle vertraut Sauter dem Universitätsspital. Denn es gebe viele engagierte und fähige Leute, die zuverlässig und wahrheitsgetreu arbeiten. Doch lief an der Spitze vieles falsch. Übrigens: Vor zwei Jahren erhielt Prof. Christian Sauter den Prix Courage, weil er den Mut aufbrachte, Skandale öffentlich zu machen - die wie im Fall Voser heute - von oben beschönigt oder bagatellisiert worden waren.

Es bleibt zu hoffen, dass auch im jüngsten Fall die ganze Wahrheit doch noch an den Tag kommt.


Nachtrag vom 3. Juli (Quelle SonntagsZeitung)

Wir hatten Das Kommunikationsverhalten der Spitaldirektorin im Zusammenhang mit dem Fall Voser mehrmals beleuchtet. Nach den jüngsten Enthüllungen sorgt Roth nicht nur durch das frühere sonderbare Kommunikationsmanagement für Irritation. Nach der jüngsten Ausgabe der Sonntagszeitung kommt sie nun auch intern unter Druck. Bei allen Fehlleistungen in Krisensituation besteht die Gefahr, dass eine Person intensiv durchleuchtet wird und alte Geschichten ausgegraben werden. Bei der alten Geschichte bei Christiane Rohr geht es um einen Brief vom März 2000. Den Brief hatten damals Roths Untergebene verfasst, als sie noch Direktionspräsidentin der Universitären Psychiatrischen Dienste in Bern war. Die Vorwürfe, die zuhanden Chef Psychiatrie gerichtet war, waren schon damals gravierend:
  • 1. Christiane Roth sage nachweislich schriftlich und mündlich die Unwahrheit.
  • 2.Die Vorgesetzte lebe "Gefordertes" nicht vor (Anstand, Respekt, offene Kommunikation).
  • 3.Die Direktoren stellen zusammenfassend fest, "dass eine Zusammenarbeit mit Frau Dr. Roth seit längerer Zeit unmöglich ist und der Auftrag des Regierungsrates nicht erfüllt werden kann".
Regierungsrätin Diener will sich zu diesem Schreiben nicht äussern. Es ist kaum denkbar, dass sie von diesen Kritikpunkte nichts erfahren hatte, nachdem Roths Fähigkeiten schriftlich und mündlich getestet worden waren. Der "alte" Brief zirkuliert angeblich schon einige Zeit im Universitätsspital. Christiane Roth verpasste am 21. Juni die Chance mit einem starken Auftritt. Jeder Medienauftritt ist eine Chance die eigenen angeschlagenen Position zu stärken. Wer unsere Protokolle durchliest, stellt leider fest: Christiane Roth hat von ihrem Kommunikationsdebakel nichts gelernt. Die jüngsten Vorwürfe aus Bern machen deutlich, dass der Persilschein für die angeschlagenen Spitaldirektorin des Regierungsrates zu vorschnell ausgestellt worden war.


Nachtrag vom 19. Juli: Quellen müssen nicht preisgegeben werden

Der Journalist der "NZZ am Sonntag" muss seine Quellen nicht preisgeben. Damit hat die Anklagekammer des Obergerichtes einen Entscheid zu Gunsten der Pressefreiheit gefällt. Beim medienträchtigen Fall Voser ist somit immer noch keine Ende absehbar. Es wurden nämlich immer noch nicht alle beteiligten Personen befragt. Dies wäre eine der Voraussetzungen zur Aufhebung des Quellenschutzes gewesen. Staatsanwalt Ulrich Weder liess verlauten, man habe aus terminlichen Gründen noch nicht alle Personen befragen können. Die Anklagekammer stellt auch die Frage in den Raum, ob der Zeitungsartikel überhaupt den Vorwurf der vorsätzlichen Tötung erhoben habe. In einer ausführlichen Textanalyse wurde dies verneint.




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