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www.rhetorik.ch aktuell: (7. Juni, 2005)

Zur Spekulation zum Kanzler Rücktritt



Als heute das Gerücht vom Kanzler-Rücktritt in Berlin die Runde machte, fielen schnell Worte wie "Stinkbombe" und "Dreckschweine". Die Reaktionen der SPD fielen heftig aus. Dies machte deutlich, dass in der SPD die Nerven blank liegen (Spiegel.de) und die Gefahr zur Überreaktion besteht.

Die Sache ist noch verzwickt: es gibt juristische Hürden für eine vorverlegte Wahl. "Die Zeit" schreibt:

Für den Kanzler ist ein Rücktritt schlicht "wildeste Spekulation". Aber selbst bei einem solchen Schritt käme es nicht von heute auf morgen zu einer Neuwahl. Vielmehr müssten die Abgeordneten nach einhelliger Meinung von Staatsrechtlern nach Artikel 63 Grundgesetz den Versuch unternehmen, im bestehenden Bundestag einen neuen Kanzler zu wählen.

Der Bundespräsident ist sogar verpflichtet, einen Kandidaten oder eine Kandidatin vorzuschlagen. Der Bundestag müsste dann in mehreren Wahlgängen versuchen, einen neuen Kanzler zu wählen. Die Parteien könnten sich freilich intern darauf verständigen, jeden Kandidaten durchfallen zu lassen, um am Ende die Auflösung des Bundestags durch den Bundespräsidenten zu erreichen. Übrigens: Schröder wäre auch bei einem Rücktritt staatsrechtlich nicht gehindert, im Fall der Auflösung des Bundestag noch einmal als Kanzlerkandidat anzutreten.


Gerüchte können sehr gefährlich sein. Viele denken: "Wo ein Rauch ist ist auch Feuer". Bei Gerüchten gilt es, sich situationsgerecht zu verhalten. Je nach Situation kann ein Gerücht überhört, ignoriert werden. Oder man nennt das Gerücht beim Namen und belegt mit Fakten, dass alles nur ein Gerücht ist. Mitunter ist auch konsequentes Durchgreifen angesagt. Gerüchte müssen versanden. Problematisch wird es, wenn Gerüchte auf einer Teilwahrheit basieren.


Links zum Thema:




Nachtrag 10. Juni: Die Situation wird nach der Gerüchtegeschichte tatsächlich gefährlich.

Es ist nicht das Gerücht an sich, das sich auf die Situation bei den Sozialdemokraten negativ auswirkt. Der Wind weht nun zusätzlich von verschiedensten Seiten gegen den Kanzler. Die Angriffe Münteferings gegen Köhler gaben ebenfalls viel Stoff für die Medien. An die Adresse seiner Stellvertreter in der SPD- Fraktion sagte nun Müntefering im ZDF: "Ich bitte dringend, dass das unterbleibt." Die drei Vizes Michael Müller, Ludwig Stiegler und Gernot Erler hatten dem Bundespräsidenten Indiskretionen und einseitige Parteinahme für die CDU vorgeworfen. Kanzler Gerhard Schröder bezeichnete die Kritik als "unerträglich".

Nach Netzeitung: SPD-Fraktionsvize Müller hatte vermutet, das Präsidialamt habe Informationen über ein Treffen zwischen Schröder und Köhler am 23. Mai - einen Tag nach Bekanntgabe der Neuwahlpläne - in die Öffentlichkeit gebracht. Ähnlich äusserten sich auch Erler und Stiegler. Am Wochenende hiess es in Presseberichten, Schröder habe bei dem Gespräch mit Köhler das "erhöhte Erpressungspotenzial" von SPD- Linken wegen der Reformen als Grund genannt, die Neuwahl zu suchen. Ungeachtet der Mahnungen erneuerte Stiegler seine Vorwürfe gegen Köhler. Er hielt dem Bundespräsidenten vor, sich von der CDU vereinnahmen zu lassen. Das Präsidialamt sei dabei, sich zu einer zweiten Abteilung der CDU zu entwickeln. Schily lobt jedoch Köhler Daraufhin forderte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) die SPD-Linke auf, die Attacken auf Köhler sofort einzustellen. Schily sagte im ZDF, die Politik müsse sich davor hüten, die Institution des Bundespräsidenten zu beschädigen. Köhler mache eine gute Arbeit und sei ein hoch respektabler Mann. Die Äusserungen aus seiner Partei wertete Schily als ungutes Zeichen von Nervosität. Eine ähnliche Begründung gab Müntefering. Vor der geplanten Bundestagswahl gebe es "sicher ein Stück Nervosität in der Partei". Den Vorwurf an Köhler, er agiere CDU-nah, wies Müntefering zurück. Auf die Frage, ob Köhler parteipolitisch handele, antwortete der SPD-Chef mit "Nein".

Müntefering empfahl seiner Partei, sich auf den Wahlkampf zu besinnen. Die Gerüchtegeschichte, die Köhlergeschichte wurden mit einer neunen Negativgeschichte ergänzt: Es wurde bekannt gegeben, dass sich auch noch eine neue Linkspartei formiert (zusammen mit der PDS). Die Situation wird für die SPD immer kritischer.


Nach unserem Dafürhalten wird es für Schröder und Müntefering immer schwieriger, den Spagat zwischen der Realisierung beschlossener Regierungsgrundsätzen und den Forderungen der Parteibasis - bis zu den allfälligen Neuwahlen - durchzustehen. Scheinbar liegen die Nerven blank.




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