Nachtrag 10. Juni: Die Situation wird nach der
Gerüchtegeschichte tatsächlich gefährlich.
Es ist nicht das Gerücht an sich, das sich auf die Situation bei
den Sozialdemokraten negativ auswirkt. Der Wind weht nun zusätzlich
von verschiedensten Seiten gegen den Kanzler.
Die Angriffe Münteferings gegen Köhler gaben ebenfalls viel
Stoff für die Medien. An die Adresse seiner Stellvertreter in der
SPD- Fraktion sagte nun Müntefering im ZDF:
"Ich bitte dringend, dass das unterbleibt." Die drei Vizes
Michael Müller, Ludwig Stiegler und Gernot Erler
hatten dem Bundespräsidenten Indiskretionen und einseitige Parteinahme
für die CDU vorgeworfen. Kanzler Gerhard Schröder bezeichnete die Kritik
als "unerträglich".
Nach Netzeitung:
SPD-Fraktionsvize Müller hatte vermutet, das Präsidialamt
habe Informationen über ein Treffen zwischen Schröder und
Köhler am 23. Mai - einen Tag nach Bekanntgabe der Neuwahlpläne
- in die Öffentlichkeit gebracht. Ähnlich äusserten
sich auch Erler und Stiegler. Am Wochenende hiess es in Presseberichten,
Schröder habe bei dem Gespräch mit Köhler das "erhöhte
Erpressungspotenzial" von SPD- Linken wegen der Reformen als Grund
genannt, die Neuwahl zu suchen.
Ungeachtet der Mahnungen erneuerte Stiegler seine Vorwürfe gegen
Köhler. Er hielt dem Bundespräsidenten vor, sich von der CDU
vereinnahmen zu lassen. Das Präsidialamt sei dabei, sich zu einer
zweiten Abteilung der CDU zu entwickeln.
Schily lobt jedoch Köhler
Daraufhin forderte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) die SPD-Linke
auf, die Attacken auf Köhler sofort einzustellen. Schily sagte
im ZDF, die Politik müsse sich davor hüten, die Institution
des Bundespräsidenten zu beschädigen. Köhler mache eine
gute Arbeit und sei ein hoch respektabler Mann. Die Äusserungen
aus seiner Partei wertete Schily als ungutes Zeichen von Nervosität.
Eine ähnliche Begründung gab Müntefering. Vor der geplanten
Bundestagswahl gebe es
"sicher ein Stück Nervosität in der Partei".
Den Vorwurf an Köhler, er agiere CDU-nah, wies Müntefering
zurück. Auf die Frage, ob Köhler parteipolitisch handele,
antwortete der SPD-Chef mit "Nein".
Müntefering empfahl seiner Partei, sich auf den Wahlkampf zu
besinnen. Die Gerüchtegeschichte, die Köhlergeschichte wurden
mit einer neunen Negativgeschichte ergänzt: Es wurde bekannt gegeben,
dass sich auch noch eine neue Linkspartei formiert (zusammen mit der PDS).
Die Situation wird für die SPD immer kritischer.
|
Nach unserem Dafürhalten wird es für Schröder
und Müntefering immer schwieriger, den Spagat zwischen
der Realisierung beschlossener Regierungsgrundsätzen und den
Forderungen der Parteibasis - bis zu den allfälligen Neuwahlen -
durchzustehen. Scheinbar liegen die Nerven blank.
|