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www.rhetorik.ch aktuell: (6. Mai, 2005)

Geheimer Dresscode



Ein Artikel von Carola Padtberg im Spiegel berichtet von eine Realschule im schwäbischen Weinstadt, die genug von rechtsextremen Symbolen hatte und bestimmte Kleidungsstücke auf den Index setzte. Wieviel Toleranz kann gewährt werden? Kleidervorschriften sind in liberalen Staaten schwer durchsetzbar.


Dresscodes von Jugendlichen sind für Lehrer wie Eltern schwer zu durchschauen. Soll die Schule Bomberjacken mit "88"-Aufnähern und Marken wie Thor Steinar, Lonsdale oder Pitbull an Schulen verbieten, wenn dies als Dresscode für Neonazis verstanden werden kann?

Für die meisten Erwachsenen sind Codes aus radikalen Szenen eine Fremdsprache. Weisse Schnürsenkel sollen zum Beispiel als Symbol für weisse Rasse sein. Die "Agentur für soziale Perspektiven" hat dazu die Broschüre "Das Versteckspiel" veröffentlicht. Demnach gibt es mehr als 120 Zeichen, die verdeckt oder offen ausdrücken, dass der Träger mit Nazi-Gedankengut sympathisiert. Dazu gehören etwa Eiserne Kreuze, Springerstiefel mit weissen Schnürsenkeln, die Zahlen 18 (für Adolf Hitler) und 28 (für die verbotene Organisation "Blood and Honour") sowie Bomberjacken der Marke Alpha Industries und Hemden des Designers Ben Sherman.


Geheimsprachen demonstrieren nicht nur die Gesinnung der Jugendlichen, sie nützen auch zur Identifikation und zum Sich-Absetzen zur älteren Generationen. Jüngere Schüler sehen die Zeichen eher als Modegag und ahmen die fragwürdigen Vorbilder nach. Schon früher gab es über Äusserlichkeiten und Kleider, mit denen eine Gesinnung kund gegeben wurde.

Früher versuchten Offizierskreise das Lächerlichmachen von Uniformen zu verbieten. Oder es wurde versucht, Symbole zur Aufforderung zur Gewalt verbieten. Auch die Diskussionen rund um das Kopftuchverbot haben bewusst gemacht, dass es schwer fällt, die persönlichen Freiheitsrechte (Kleider und Symbolsprache) einzugrenzen. Die Sache wird brisant beim Tragen von Waffen aus Symbolgrüden. Eine Schule in Kalifornien musste das Tragen eines funktionalen Messers eines Sikh Schülers aus religiösen Gründen erlauben.

Beispiel (Quelle: Bild online Artikel) Seit Beginn dieses Schuljahres bemerkten die Lehrer der Reinhold-Nägele-Realschule in Weinstadt immer häufiger martialische Outfits an ihren Schülern. Die Schüler liessen über "Consdaple" Hemden ihre Bomberjacken offen, so dass auf dem T-Shirt das Kürzel "NSDAP" zu sehen war. Oder sie nähten sich die Zahl 88 auf die Jacke - das steht für den Gruss "Heil Hitler" (weil H der achte Buchstabe im Alphabet ist). Einmal fand die Rektorin sogar Hakenkreuze an der Klassenzimmerwand. Die Schulleitungen sind sich nicht klar darüber, ob sie eingreifen sollen und Kleidervorschriften erlassen sollen oder ob sie das Verhalten als pubertäres Verhalten sehen wollen, um bewusst zu provozieren. Zum Eklat kam es als ein Neuntklässler mit dem Schriftzug "European Master Race" auf der Jacke mit zu einer Betriebsbesichtigung wollte. Sein Klassenlehrer weigerte sich, ihn in dieser Jacke mitzunehmen. Der Vater des Jungen wollte die Auflage nicht akzeptieren, solange sie nicht in der Schulverordnung festgeschrieben sei. Er beteuerte, sein Sohn habe kein Interesse an Politik und trage die Kleidung nur, weil sie ihm gefalle. Auch die Mutter des Schülers hatte von der Symbolik der Kleidung nichts geahnt. Juristisch ist das Thema heikel. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) mahnte, Verbote könnten die Persönlichkeitsrechte einschränken. Zudem sei die Grenzziehung ausgesprochen schwierig: "Viele Codes kennen die Lehrer doch gar nicht", sagte VBE-Sprecher Michael Gomolzig. Eine landesweite Regelung hat das Kultusministeriums Baden-Württembergs ausgeschlossen. "Die Schule hat eigentlich nicht über modische Fragen zu entscheiden. Das ist die persönliche Entscheidung jedes Menschen", sagte ein Sprecher des Ministeriums. Über ein Verbot könne aber jede Schule individuell und für jeden Einzelfall entscheiden.


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