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www.rhetorik.ch aktuell: (22. Januar, 2005)

Nationalrätinnen als Kleiderständer





In der jüngsten Ausgabe der "Schweizer Illustrierten" debütieren folgende Nationalrätinnen als Models:
  • Evi Allemann (SP)
  • Christa Markwalder (FDP)
  • Pascale Bruderer (SP)
  • Maya Graf (Grüne)
  • Gabi Huber (FDP)


Nach unserem Dafürhalten sollten Nationalrätinnen in erster Linie politische Inhalte vermitteln und sich nicht als lebendige Kleiderständer zur Verfügung stellen, um für Marken- Hosenanzüge, Pumps und als Werbeträger für schicken Schmuck zu dienen. Wahrscheinlich hatten die betroffenen Frauen damit keine Probleme. Sie glaubten möglicherweise, ihre Abbildung in der "SI" fördere ihren Bekanntheitssgrad und damit könnten sie - dank der Publizität - später ihre politischen Botschaften besser "verkaufen". Wir sehen jedoch im Posieren eher eine Auswirkung der verbreiteten Krankheit "Mediengeilheit".

Nach der Berner Politologin Regula Stämpfli gibt es zwei Arten von Öffentlichkeit, die Personen suchen müssen:
  1. Die eine dient den sogenannt 'Prominenten' als Raum zur Selbstdarstellung und Steigerung der Bekanntheit. Den Preis dafür zahlen die Stars dann mit einer Vermischung ihres privaten und öffentlichen Lebens.
  2. Die andere Öffentlichkeit hat den Zweck der Beteiligung an politischen und wissenschaftlichen, künstlerischen Auseinandersetzungen. Dabei steht das Thema im Vordergrund, nicht die Person. So vermischen sich Öffentlichkeit und Privatsphäre nicht.

    Von gewählten Politikerinnen erwartet Stämpfli, dass sie nicht sich selbst, sondern die zu lösenden politischen Probleme thematisieren. Sie verfassen Berichte, arbeiten innerhalb und ausserhalb der Partei für "ihre" Themen, schliessen politische Kompromisse, ect. Und kommunizieren "ihre" Politik, für welche sie auch gewählt wurden.

    Ob Christa Markwalder einen Hugo Boss Anzug trägt oder nicht, erklärt mir nicht ihre Haltung zu den bilateralen Verträgen. Pascale Bruderers Engagement zugunsten Behinderten kommt nicht mehrheitsfähiger daher, nur weil sie in Cordhosen von Zara posiert. Die fünf Nationalrätinnen, die gemäss SI als "Model debüttieren", setzen mit der Verschiebung der Rollen viel ihres politischen Kapitals aufs Spiel. Ihr Auftritt als "politisch, modisch, chic" hat keinen Inhalt, sondern nur Darstellung und dient ausschliesslich ihrer persönlichen Vermarktung.


Regula Stämpfli stellt die berechtigte Frage:

Ist Modelling das erste, was gewählte Politikerinnen gut tun können müssen?


Interessanterweise sind in der SI genau jene Nationalrätinnen als Models dargestellt, die sich auch gegen die Männerdominanz im Bundesrat wehren. Regula Stämpfli findet deshalb:

"Etwas mehr frauenpolitisches Fingerspitzengefühl wäre daher eigentlich selbstverständlich: Models werden immer leichter abgewählt als politisierende eigenständige Frauen!"


Die Berner Politologin Regula Stämpfli lebt und arbeitet in Brüssel und in der Schweiz. Neben ihrer Tätigkeit als Dozentin für Politik und politische Philosophie an diversen Bildungsanstalten (Die Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern, CASIN in Genf, Hochschule für soziale Arbeit in Ghent, Weiterbildung Medizinstudierende Uni Zürich, Gemeinde- und Kulturorganisationen u.a.) hat sie zahlreiche Artikel, Kolumnen und Bücher publiziert. Quelle: www.regulastaempfli.ch




Auch wir teilen die Meinung, das wir bei Politikerinnen auf gutangezogenen Aufziehpuppen, politische Barbie mit Traumberuf "Model" verzichten können. Die modellierenden Politikerinnen haben tatsächlich mit ihrem Auftritt einiges ihres politisch bisher positiven Profils aufs Spiel gesetzt.

Weshalb ist die SI nicht selbstironisch auf die Bilderinszenierung und Schönheitsfixierung eingegangen? Information wäre auch in einem People Magazin eine wertvolle Bereicherung gewesen.

Fazit: Selbstdarsteller und Selbstdarstellerinnen sind sich in der Regel zu wenig bewusst, dass vor jedem Auftritt Details geklärt werden müssten. Die Nationalrätinnen hätten es in der Hand gehabt, die Spielregeln mitzubestimmen. Fotografiert ist fotografiert. Gesagt ist gesagt. Korrekturen sind nachträglich kaum noch möglich.






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