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www.rhetorik.ch aktuell: (14. August, 2004)

Zum Keckeisinterview.

Fortsetzung von Fragwürdiges Verhalten im Umgang mit Medien.




Ein Interview mit Armeechef Christophe Keckeis im "Tages-Anzeiger Magazin" hatte bereits vor dessen Veröffentlichung am Samstag für grössere Aufregung gesorgt (siehe "Fragwürdiges Verhalten im Umgang mit Medien"). Nach "Magazin"-Chef Res Strehle hatten sich das VBS und die "Magazin"-Redaktion noch auf eine Version einigen können.

Wir begriffen auch nicht, dass VBS-Chef Schmid den Rückzug des Gesprächs verlangt hatte, nachdem dieses Interview angeblich abgesegnet worden war.



Durch die Intervention des Bundesrates wurde das Tagesanzeiger Interview viel genauer gelesen. Die nervöse Reaktion war beste Werbung für das Interview


Nun ist bekannt geworden, dass mit Keckeis zuerst im Zusammenhang mit einer Ausstellung im Bundesarchiv ein Gespräch geplant gewesen war. Dafür war ein Termin am vergangenen Mittwoch vereinbart worden, wie Strehle entsprechende Berichte im "Tages-Anzeiger" und in der "Berner Zeitung" vom Mittwoch bestätigte.

Nachdem das VBS aber in die Schlagzeilen geraten war, sei vereinbart worden, ein Gespräch über die aktuellen Themen zu führen. Zwei "Magazin"-Mitarbeiter hätten darauf ein 70-minütiges Interview mit Keckeis gemacht, welches auch von zwei Aufnahmegeräten aufgezeichnet worden sei, erklärte Strehle. Dieses sei am Donnerstag transkribiert und dem VBS zur Autorisierung zugestellt worden. Das Departement habe die Autorisierung für Freitagmorgen in Aussicht gestellt.

Laut Kommunikationschef Philippe Zahno wurde jedoch das schriftliche Interview nie autorisiert. Chefredaktor Strehle:

"Als wir das korrigierte Interview erhielten, waren wir leicht überrascht"


So sei es zweifarbig überarbeitet gewesen und habe auch Eingriffe in die Fragestellung aufgewiesen, was durchaus nicht den Gepflogenheiten entspreche.

Am Freitagabend sei erst im Namen von Bundesrat Samuel Schmid und später auch im Namen von Keckeis der Rückzug des Interviews verlangt worden. Strehle behauptete, dass wegen des Redaktions- und Produktionsschlusses dies nicht mehr möglich gewesen sei.

Am Montagmorgen habe das VBS daraufhin noch einmal eine vollständig neue Fassung des Interviews gesandt. Teilweise seien sogar Fragen entfernt worden. Dies sei von der Redaktion unter Hinweis auf den Produktionsschluss abgelehnt worden. Einzig gewisse Präzisierungen seien übernommen worden. Schliesslich seien am Montag zwei VBS-Vertreter nach Zürich gereist. Das Interview ist nun wie geplant veröffentlicht worden.

Rechtliche Schritte angedroht

Rechtliche Schritten wurden zwar vom VBS zwar angedroht, Strehle rechnet aber -laut eigenen Aussagen - nicht damit. Korrekturwünsche zu Aussagen von VBS-Mitarbeitern dienten lediglich dem Zweck, die politische Haltung des Departements, für welche allein der Departementsvorsteher verantwortlich sei, klar und verbindlich in die Medien zu bringen, hiess es in einer am Mittwoch im Internet aufgeschalteten Stellungnahme des VBS.

Das VBS weist zudem darauf hin, dass Korpskommandant Keckeis nicht in seiner Muttersprache interviewt worden sei. Dies habe im Einzelfall zu Formulierungen geführt, die deutsch pointierter tönten als sie französisch gemeint gewesen seien.

Wir haben das Interview gelesen und fanden nicht viel Brisantes darin. Für uns ist der ganze Wirbel möglicherweise nur ein Sturm im Wasserglas.

Der Lärm rund um das VBS wird sich ohnehin etwas legen, nachdem sich Bundesrat Schmid als Sportminister in Athen vom Medienwirbel etwas erholen kann.

Zum Keckeis Interview

Wir haben Christophe Keckeis stets als spontanen, offenen und vielfach recht unverblümten Kommunikator erlebt. Dies schätzen die Medien. Er war manchmal auch bereit - unter Umgehung des Dienstweges - seine Meinung ungeschminkt zu sagen. Auch dies schätzten die Medien. Im Interview spricht er ebenfalls Klartext. Zum Beispiel:


"Langeweile gehört zum Auftrag. Die meisten denken noch. Armee, das ist auf der Alp mit dem "Leopard" rumblochen. Wie im Film. Was wir jetzt machen müssen, ist weniger sexy."


Zur einer Passage des Interviews:

Journalist: Keckeis: "Ich habe Chefs, die immer wieder als Bürger denken, aber Bürger und Soldat sind zwei paar Schuhe. Wenn ein Bataillons-Kommandant im Dienst ist, muss er seinen Auftrag erfüllen, sonst nichts."
Journalist: "Da verlangen Sie aber viel." Keckeis: "Ja ich verlange viel. Aber dafür bin ich angestellt."
Journalist: "Das führt dann aber zu schizophrenem Verhalten. Wenn man ist Militär geht, muss man seine zivile Persönlichkeit ablegen und die andere anziehen." Keckeis: "Das ist die grosse Kunst.....


Diese Antworten sind gefährlich. Sie geben Gelegenheit zu Interpretationen und Missverständnissen. Man könnte behaupten, für Keckeis sei es eine grosse Kunst, schizophren zu sein und der Wehrmann müsse den Kopf als Bürger zu Hause lassen. Assoziationen werden wach, wie: Der Soldat muss den Kopf zu Hause lassen und hat lediglich zu gehorchen. Aufträge sind blind auszuführen. Diese Antworten könnten vielleicht noch ein Nachspiel haben.




Nachtrag vom 18. August, 2004: Wirbel beruhigt sich Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates hat Verteidigungsminister Samuel Schmid und Armeechef Christophe Keckeis nach den jüngsten Turbulenzen im VBS das volle Vertrauen ausgesprochen.

Wie Präsident Edi Engelberger von der FDP Niedwalden vor den Medien erklärte, hat Bundesrat Schmid zwei erfolgreiche Tage in der Sicherheitspolitischen Kommission (SIK) hinter sich. Mit Zweidrittelsmehrheiten sei die Fortsetzung der Armee-Einsätze zum Schutz der Botschaften, der Grenze und der Zivilluftfahrt bis 2007 gutgeheissen worden.

Die Kommission habe sich über die Indiskretion (Leistungsnalyse Sicherheitspolitik) sehr geärgert, sagte Engelberger. Schmid nahm auch Stellung zur Freistellung von seines Generalsekretärs Juan Gut und zur Korrektur eines Interviews von Keckeis.

Aufgrund der Stimmung in der SIK ist Engelberger zuversichtlich, dass das 647 Millionen Franken schwere Rüstungsprogramm 2004 durchs Parlament kommt. Das Programm umfasst den Kauf von zwei Transportflugzeugen, den Kauf von Geniepanzern und Investitionen ins Flugsystem für die Kampfjets FA-18.

Damit scheint sich der Wirbel rund um das VBS einigermassen beruhigt zu haben. Wir gehen davon aus, dass im VBS intern auch Konsequenzen aus den von uns beschriebenen medienrhetorischen Fehlern gezogen worden sind.




Nachtrag vom 20. August, 2004: In der Weltwoche Ausgabe 34/04, "Vorsicht, frisch gestrichen" schreibt Kurt W. Zimmermann:

Beleidigt bis forsch Bleiben wir zur Illustration bei den Bundesräten. Ich habe bei Schweizer Chefredaktoren und Bundeshauskorrespondenten eine kleine Umfrage durchgeführt, wie die sieben bei Interviewsituationen reagieren, und möchte Ihnen dieses Beliebtheits-Ranking nicht vorenthalten:

Nr. 1: Pascal Couchepin. Souverän, meinungsstark, lanciert in Interviews gern eine gezielte Botschaft mit politischer Wirkung wie früher beim AHV-Alter 67 oder gegenwärtig bei der Kulturfilzdebatte. Retuschiert kaum.
Nr. 2: Micheline Calmy-Rey. Gut formulierend, präzise, orientiert sich am öffentlichen Effekt ihrer Aussagen, platziert in Interviews gern News, mitunter noch etwas zu langfädig. Autorisiert sehr grosszügig.
Nr 3: Christoph Blocher. Altgedienter PR-Profi, gut vorbereitet, denkt, bevor er aufs Tonband redet und nicht umgekehrt, mittlerweile etwas gar berechenbar. Steht auch als Bundesrat hinterher zu heiklen Aussagen.
Nr. 4: Hans-Rudolf Merz. Liebt forsche Statements, etwa zum Sparprogramm und zur Landwirtschaft, krebst dann oft zurück, wird darum zunehmend als Schwadroneur wahrgenommen. Autorisiert nicht kleinlich.
Nr. 5: Joseph Deiss. Farblos und einschläfernd, generell defensive Gesprächsführung, stark abhängig von Kommunikationsberatern. Fummelt hinterher am Text herum, obwohl er zuvor nie etwas Brisantes sagt.
Nr. 6: Samuel Schmid. Katastrophaler Interviewpartner, nicht souverän und nicht dialoginteressiert, möchte die Medien instrumentalisieren, ist von einer Kommunikationsbrigade umgeben. Retuschiert stark.
Nr. 7: Moritz Leuenberger. Gegenüber Medien tief misstrauisch und präventiv beleidigt, will Fragen tagelang im Voraus und antwortet oft nur schriftlich, divenhafter Auftritt. Bearbeitet Texte hinterher oft rigoros.


Die beiden Letztplatzierten sind für Interviewer zwar gleichermassen unbrauchbar, der Grund für ihr gestörtes Kommunikationsverhalten, weiss die Branche, ist völlig unterschiedlich: Der eine kann es nicht. Der andere will es nicht.


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