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Fortsetzung von
Fragwürdiges Verhalten im Umgang mit Medien.
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Ein Interview mit Armeechef Christophe Keckeis im "Tages-Anzeiger Magazin"
hatte bereits vor dessen Veröffentlichung am Samstag
für grössere Aufregung gesorgt (siehe
"Fragwürdiges Verhalten im Umgang mit Medien").
Nach "Magazin"-Chef Res Strehle hatten sich das VBS und die
"Magazin"-Redaktion noch auf eine Version einigen können. Wir begriffen auch nicht, dass VBS-Chef Schmid den Rückzug des Gesprächs verlangt hatte, nachdem dieses Interview angeblich abgesegnet worden war.
Nun ist bekannt geworden, dass mit Keckeis zuerst im Zusammenhang mit einer Ausstellung im Bundesarchiv ein Gespräch geplant gewesen war. Dafür war ein Termin am vergangenen Mittwoch vereinbart worden, wie Strehle entsprechende Berichte im "Tages-Anzeiger" und in der "Berner Zeitung" vom Mittwoch bestätigte. Nachdem das VBS aber in die Schlagzeilen geraten war, sei vereinbart worden, ein Gespräch über die aktuellen Themen zu führen. Zwei "Magazin"-Mitarbeiter hätten darauf ein 70-minütiges Interview mit Keckeis gemacht, welches auch von zwei Aufnahmegeräten aufgezeichnet worden sei, erklärte Strehle. Dieses sei am Donnerstag transkribiert und dem VBS zur Autorisierung zugestellt worden. Das Departement habe die Autorisierung für Freitagmorgen in Aussicht gestellt. Laut Kommunikationschef Philippe Zahno wurde jedoch das schriftliche Interview nie autorisiert. Chefredaktor Strehle:
So sei es zweifarbig überarbeitet gewesen und habe auch Eingriffe in die Fragestellung aufgewiesen, was durchaus nicht den Gepflogenheiten entspreche. Am Freitagabend sei erst im Namen von Bundesrat Samuel Schmid und später auch im Namen von Keckeis der Rückzug des Interviews verlangt worden. Strehle behauptete, dass wegen des Redaktions- und Produktionsschlusses dies nicht mehr möglich gewesen sei. Am Montagmorgen habe das VBS daraufhin noch einmal eine vollständig neue Fassung des Interviews gesandt. Teilweise seien sogar Fragen entfernt worden. Dies sei von der Redaktion unter Hinweis auf den Produktionsschluss abgelehnt worden. Einzig gewisse Präzisierungen seien übernommen worden. Schliesslich seien am Montag zwei VBS-Vertreter nach Zürich gereist. Das Interview ist nun wie geplant veröffentlicht worden. Rechtliche Schritte angedrohtRechtliche Schritten wurden zwar vom VBS zwar angedroht, Strehle rechnet aber -laut eigenen Aussagen - nicht damit. Korrekturwünsche zu Aussagen von VBS-Mitarbeitern dienten lediglich dem Zweck, die politische Haltung des Departements, für welche allein der Departementsvorsteher verantwortlich sei, klar und verbindlich in die Medien zu bringen, hiess es in einer am Mittwoch im Internet aufgeschalteten Stellungnahme des VBS.Das VBS weist zudem darauf hin, dass Korpskommandant Keckeis nicht in seiner Muttersprache interviewt worden sei. Dies habe im Einzelfall zu Formulierungen geführt, die deutsch pointierter tönten als sie französisch gemeint gewesen seien. Wir haben das Interview gelesen und fanden nicht viel Brisantes darin. Für uns ist der ganze Wirbel möglicherweise nur ein Sturm im Wasserglas. Der Lärm rund um das VBS wird sich ohnehin etwas legen, nachdem sich Bundesrat Schmid als Sportminister in Athen vom Medienwirbel etwas erholen kann. Zum Keckeis Interview
Zur einer Passage des Interviews:
Diese Antworten sind gefährlich. Sie geben Gelegenheit zu Interpretationen und Missverständnissen. Man könnte behaupten, für Keckeis sei es eine grosse Kunst, schizophren zu sein und der Wehrmann müsse den Kopf als Bürger zu Hause lassen. Assoziationen werden wach, wie: Der Soldat muss den Kopf zu Hause lassen und hat lediglich zu gehorchen. Aufträge sind blind auszuführen. Diese Antworten könnten vielleicht noch ein Nachspiel haben. |
Nachtrag vom 18. August, 2004: Wirbel beruhigt sich
Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates hat
Verteidigungsminister Samuel Schmid und Armeechef Christophe
Keckeis nach den jüngsten Turbulenzen im VBS das volle Vertrauen
ausgesprochen. Wie Präsident Edi Engelberger von der FDP Niedwalden vor den Medien erklärte, hat Bundesrat Schmid zwei erfolgreiche Tage in der Sicherheitspolitischen Kommission (SIK) hinter sich. Mit Zweidrittelsmehrheiten sei die Fortsetzung der Armee-Einsätze zum Schutz der Botschaften, der Grenze und der Zivilluftfahrt bis 2007 gutgeheissen worden. Die Kommission habe sich über die Indiskretion (Leistungsnalyse Sicherheitspolitik) sehr geärgert, sagte Engelberger. Schmid nahm auch Stellung zur Freistellung von seines Generalsekretärs Juan Gut und zur Korrektur eines Interviews von Keckeis. Aufgrund der Stimmung in der SIK ist Engelberger zuversichtlich, dass das 647 Millionen Franken schwere Rüstungsprogramm 2004 durchs Parlament kommt. Das Programm umfasst den Kauf von zwei Transportflugzeugen, den Kauf von Geniepanzern und Investitionen ins Flugsystem für die Kampfjets FA-18. Damit scheint sich der Wirbel rund um das VBS einigermassen beruhigt zu haben. Wir gehen davon aus, dass im VBS intern auch Konsequenzen aus den von uns beschriebenen medienrhetorischen Fehlern gezogen worden sind. |
Nachtrag vom 20. August, 2004:
In der Weltwoche Ausgabe 34/04, "Vorsicht, frisch gestrichen"
schreibt Kurt W. Zimmermann: Beleidigt bis forsch Bleiben wir zur Illustration bei den Bundesräten. Ich habe bei Schweizer Chefredaktoren und Bundeshauskorrespondenten eine kleine Umfrage durchgeführt, wie die sieben bei Interviewsituationen reagieren, und möchte Ihnen dieses Beliebtheits-Ranking nicht vorenthalten:
Die beiden Letztplatzierten sind für Interviewer zwar gleichermassen unbrauchbar, der Grund für ihr gestörtes Kommunikationsverhalten, weiss die Branche, ist völlig unterschiedlich: Der eine kann es nicht. Der andere will es nicht. |
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