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Fernsehen als magisches Ereignis


von Marcus Knill

Daniel Süss,, Professor für Medienpsychologie und Dozent für Medienpädagogik erklärte in einem Interview im Kirchenboten, weshalb das Fernsehen zur liebsten Freizeitbeschäftigung geworden ist. Ein Deutschschweizer verbringt im Durchschnitt täglich 146 Minuten vor der Glotze. Eine Schweizerfamilie im Schnitt vier Stunden pro Woche. Die durchschnittliche Fernsehdauer der Personen ab 14 Jahren ist im Zeitraum von 1988 bis 2002 um eine Stunde gestiegen Quelle. Für Daniel Süss ist Fernsehen vorwiegend Populärkultur. Leicht Zugängliches spricht mehr an als bildende Sendungen. Wenn jemand will, dass sich der Fernsehkonsum lohnt, benötigt er Medienkompetenz. Man muss gezielt Fernsehgucken und überlegen, was man konsumieren will. Man muss aber auch wissen, Welche Bedürfnisse abgedeckt werden. Es gibt Familien, bei denen das Fernsehen dazu benutzt wird, Konflikten auszuweichen. Es kann aber auch Ausgangspunkt intensiver Debatten sein. Das Fernsehen ist somit auch in ein soziales Umfeld eingebunden.


Studien machen deutlich, dass viele Eltern in unserem Kuturkreis den Fernsehkonsum ihrer Kinder bewusst regeln. In England und in den USA hingegen ist es üblich, dass jedes Kind den eigenen Fernseher im Zimmer hat.

"Nach einer Studie von Wissenschaftlern der University of Washington und des Seattle Childrens Hospital Research Institute schauen 90 Prozent der Kinder in den USA unter 2 Jahren regelmässig Fernsehen oder sehen DVDs oder Videos. Selbst 40 Prozent der Kinder unter drei Monaten sind bereits regelmässig Medienkonsumenten. Kinder unter einem Jahr schauen durchschnittlich eine Stunde pro Tag, die Zweijährigen bereits 1.5 Stunden."
Quelle: Heise.de, 8. Mai, 2007.
Wenn Eltern weder auf die Ernährung noch auf einen bewussten Umgang mit dem Fernsehen achten sollten, könnte der deutsche Neurowissenschafter Manfred Spitzer recht bekommen, wenn er dringend vom Fernsehkonsum abrät, weil das Fernsehen angeblich dumm, dick und gewalttätig mache.

Es gibt starke Korrelationen zwischen Arbeitslosigkeitsquote und Fernsehkonsum Quelle: Faz: 2005. Der Deutsche Famlienverband empfielt aus gesundheitlichen Gr¨nden folgende obere Grenzen zum Fernsehkonsum pro Tag
  • 0 - 2 Jahre: 20 Minuten
  • 3 - 5 Jahre: 30 Minuten
  • 6 - 9 Jahre: 60 Minuten
  • 10 - 13 Jahre: 90 Minuten
Der Konsum scheint aber viel grösser:
Quelle: FAZ.


J. Borer Cartoon Daniel Süss weist darauf hin, dass tausende von Forschungsarbeiten darauf hinweisen, dass verschiedene Variablen zur Gewaltbereitschaft führen können. Wächst ein Kind in einer Familie auf, in der Gewalt angewendet wird und nicht darüber gesprochen wird, so können entsprechende filme einen verstärkenden Effekt haben. Nicht das Medium oder dessen Inhalte sind es, die gewalttätig, dick und dumm machen. Es ist die Art und Weise, wie mit dem Medium umgegangen wird. Aber auch in welche Lebensumstände dieser Umgang eingebettet ist.

In "der Welt" schrieb Christian Thiel am 3. November 2005 in einem Artikel "Exzessiver TV-Konsum verringert Wortschatz und Lernfähigkeit und stresst stärker als die Schule":

"Dass Fernsehen zu schlechteren Schulleistungen führt, zeigte sich auch bei einer Studie aus Neuseeland. Hierfür wurden über 1000 Kinder bis zu ihrem 26. Lebensjahr untersucht und befragt. Das Ergebnis: Der Bildungsgrad eines 26jährigen wird in hohem Masse davon bestimmt, wieviel Zeit er im Alter von fünf bis 15 Jahren vor dem Fernseher verbrachte. Dieses Ergebnis gilt unabhängig von der sozialen Herkunft der Eltern und unabhängig vom Intelligenzquotienten der Kinder. Umgekehrt erhöht ein geringer Fernsehkonsum im Kindesalter die Chancen, einen Universitätsabschluss zu erreichen."


Fernsehen als "modernes Lagerfeuer"

Nach Medienpädagoge Christian Doelker ist das Fernsehen das "Lagerfeuer der heutigen Zeit". Früher sassen Menschen um das Lagerfeuer und erzählten Geschichten. Heute sitzen sie um den flackernden Apparat, der Geschichten erzählt. Wer nicht fernsieht ist von dieser Populärkultur ausgeschlossen. Das Fernsehen hat sich als magisches Ereignis etabliert.

So wie alle Medien (Zeitung, Buch, Telefon, Radio oder Kino) nachträglich nicht mehr ausgerottet werden konnten, so mussten Konsumenten auch lernen, mit Fernsehen umzugehen. Im letzten Jahrzehnt kam durch das Internet und dank DVD das Heimkino dazu. In den 14 Jahren seit der Einführung von Webbrowsern beginnt Fernsehen mehr und mehr mit dem Internet zu verschmelzen. Phänomen wie Fernsehsucht haben Parallelen zu Internetabhängigkeit.


Mehr und mehr Information wird auf Computern oder portablen Videoplayern oder auf Handis konsumiert. Die Konvergenz der Medien wird es nicht leicht machen, die Folgen zu untersuchen. Dank Internet ist zum Beispiel Fernsehen am Arbeitsplatz, am Arbeitsrechner möglich. Viele Fersehsendungen sind zum auf YouTube zu sehen und Fernsehserien sind auf DVD erhältlich. Da das Sehen von DVD's oder Videos im Webbrowser, oder auf dem Handy in einer Umfrage kaum als "Fernsehen" bezeichnet würde, ist es gut möglich, dass der effektive Fernsehkonsum noch viel grösser geworden ist und auch noch weiter steigt.


11. Mai, 2007




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